Alfred Lang | |
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University of Berne, Switzerland | |
Booklet Section 1991-89 | |
Handpostille für Studierende: Kapitel 2
Titel / Inhalt | 1 Vom Studieren | 2 Angebot | 3a Eigentätigk. | 3b Schriftl.Arbeiten
2. Veranstaltungsformen: das Angebot der Universität
2.1 Vorlesung 132.4.1 Referat oder Seminarvortrag 182.4.2 Diskussion 18
2.7.1 Studienkontrollen oder Leistungsnachweise im Studium 232.7.2 Abschlussprüfungen 27
Wenn Vorlesungen nach 500 Jahren Buchdruck und im Zeitalter der computerunterstützten Informationsvermittung einen Sinn haben, dann sollen sie diese Medien nicht konkurrenzieren sondern ergänzen. Sie dienen in meinem Verständnis hauptsächlich dem Gewinnen von Überblick, dem Erschliessen von Bereichen, die den Studierenden neu sind, und richten sich deshalb vorwiegend an die unteren Semester. Ferner zeigen sie die Sicht- und Denkweise der Dozenten auf. Aber um wirklich aus einer Vorlesung Gewinn zu ziehen, muss man sich gründlich vor- und nachbereiten. Zu jeder gut genutzten Vorlesungsstunde gehören 2-4 Stunden Selbststudium. Wenigstens ein ähnliches Lehrbuch sollten Sie parallel lesen und einige Vergleiche anstellen; einige spezielle Themen sollten Sie ausführlicher in der Originalliteratur verfolgen. Es empfiehlt sich überdies, wenigstens einige Abschnitte und die zentralen Gehalte der Vorlesung laufend und hinterher in einen kurzen Text zu kondensieren (vgl. Abschnitte 2.7.1.1.2 und 2.7.1.1.3).
Versuchen Sie in der Stunde stets, sich die Grundstruktur des Stoffes und den aktuellen Ort darin zu vergegenwärtigen und vor allem möglichst viel vom Gesagten unmittelbar zu verstehen. Verstandenes werden Sie später anhand von Stichwörtern wieder erinnern; Unverstandenes wird Ihre Mitschrift auch nicht klären.
Für meinen Vorlesungsstil rate ich vom ausführlichen Mitschreiben ab. Das Schreiben lenkt Sie vom Verstehen ab. Die meisten Notizen werden später unverständlich sein; Notizen von Dritten sind erfahrungsgemäss nur selten brauchbar. Notieren Sie sich aber alle wichtigen Begriffe und die zugehörigen Umschreibungen, Hinweise, Beispiele, und halten Sie die wichtigsten Zusammenhänge und Bewertungen stichwortartig fest. Diese Notizen dienen in erster Linie der Steuerung des Selbststudiums.
Ich begleite die Vorlesung in der Regel nicht mit Skripten, gebe aber regelmässig oder auf Wunsch Gliederungen, Definitionen, Schemata, Grafiken, Literaturlisten u.dgl. ab und äussere Ratschläge zur Wahl spezieller Lektüre. Ich möchte aber nicht die Illusion nähren, dass man die Psychologie schwarz auf weiss nach Hause tragen und im Fotokopierer vervielfältigen könne.
Übungen sind unentbehrliche Tätigkeiten zum Erwerb von Fertigkeiten und Routine im Umgang mit Begriffen und Methoden, mit Informationen und mit Fachleuten. Wie man aus einer Fragestellung zu einer Untersuchung kommt, wie man ein Experiment plant und durchführt, wie man ein Verhalten oder eine Situation erfasst, wie man einen Fragebogen konstruiert oder einen Test durchführt, wie man aus erfassten Daten ihren Informationsgehalt herausdestilliert, wie man Information aus einem Medium in ein anderes übersetzt, wie man die Verlässlichkeit von Befunden und Schlussfolgerungen prüft und sichert, wie man Mutmassungen in Fragen umsetzt, an wen man sie richtet, auf welche Weise man zu Antworten kommt und desgleichen mehr, kann man sich nicht durch blosses Verstehen zu eigen machen. Übungen sind deshalb im Grund studium vorgeschriebene Studientätigkeiten. Sie können Ungeduld oder Langeweile hervorrufen, wenn man ihren Sinn nicht versteht. Interessieren Sie sich für die Übungsberichte der Mitstudierenden in wohlwollend-kritischer Weise und fürchten Sie sich umgekehrt nicht, sich wohlwollender Kritik auszusetzen: aus Mängeln der Arbeit lernt man am meisten. Schieben Sie die elementaren Übungen nicht in die höheren Semester hinaus!
Proseminare stehen zwischen Übungen und Seminarien. Hier lernt und übt man den Umgang mit Begriffen, Theorien, Fragestellungen, Untersuchungsergebnissen, kurz, mit dem Inhalt des Faches in seiner ganzen Vielfältigkeit, doch auf verhältnismässig grundlegendem Niveau und an exemplarischem Material, überwiegend mit Originalliteratur. Hier lernt man auch den wissenschaftlichen Dialog mit den Fachkolleginnen und Fachkollegen; lernt, seine Anmutungen in Fragen umzusetzen, lernt, wie man aus Personen mit einem grossen oder kleinen Wissensvorsprung herausholt, was einem zur Klärung des Verständnisses noch fehlt. Zwei bis 3 Proseminare im Lauf des Grundstudiums sind eine unentbehrliche Ergänzung des Vorlesungsbesuchs und des Selbststudiums. Halten Sie wenigstens 2 Proseminarreferate.
Als Veranstalter von oder Verantwortlicher für von Assistenten durchgeführte Proseminarien sehe ich im wesentlichen vier (fünf) Lehrziele:
Lesenlernen der Fachliteratur: Was gibt es für Textsorten? Wie sind sie aufgebaut? Wie orientiert man sich in jeder von ihnen? In welchem Verhältnis stehen Inhalt und Methode einer Untersuchung? Was war das Ziel des Autors und wie gut hat er es erreicht? Worin besteht die Qualität eines Textes? Nach welchen Kriterien kann man die Bedeutung eines Textes beurteilen ? u.dgl.
Referierenlernen von Fachliteratur: Wie unterscheidet man das Wesentliche von den Zutaten? Wie verschafft man sich ein Bild der Implikationen eines Textes? Was muss man zur Klärung von Voraussetzungen beiziehen? Wie ordnet man Information optimal für die Weitergabe an Dritte? Was für Kontext-Information ist hilfreich, notwendig? Mit was für Illustrationen unterstützt man verbale Ausführungen am besten? Wie werden Illustrationen gemacht, damit sie die Hörer nutzen können? Wie lange braucht man, um eine bestimmte Information zu übermitteln? Wie nimmt man Kritik und Lob aus dem Publikum entgegen und wie verarbeitet man sie? u.dgl.
Hörenlernen von Fachvorträgen: Wie wirkt ein Vortrag, wenn die Hörer die zugrundeliegende Information kennen, wie, wenn sie neu ist? Wie macht man sich Vortragsnotizen? Wie kann man aus dem Vortragenden Zusatzinformationen herausholen? Wie kann man seine Meinung kennenlernen? Wie kann man ihn höflich kritisieren, bezüglich seiner Vortragsweise, bezüglich Entstellungen der Inhalte? Wie kann man einen Vortragenden loben? Wenn er es verdient, wenn er es nur zum Teil verdient?
Sichorientierenlernen in exemplarischen Fachgebieten: Ausgewählte Originalliteratur eines relativ umgrenzten Fachgebiets ist die typische Arbeitsgrundlage eines Proseminars; neben einigen "klassischen" Texten von einflussreichen Gelehrten wird man vorwiegend neuere und gelegentlich neuste Publikationen lesen, neben überwiegend für hohe Qualität ausgewählten Texten wird man Texte mit Mängeln kennenlernen - sie zeigen oft besser, wo die Probleme des Faches liegen. Dabei wird auf dem Hintergrund von Einführungsvorlesung und Lehrbuchstoff allmählich ein etwas differenziertes Bild der Erkenntnisse in diesem Gebiet entstehen. Worin bestehen die Erkenntnisse? Was ist ihre Tragweite? Sind sie methodisch ausreichend abgesichert? Wie weit reicht ihre Generalisierbarkeit? Sind sie in der Sekundärliteratur angemessen wiedergegeben oder entstellt, verzerrt, ins Gegenteil verkehrt(!)?
Gelegentlich lassen sich Proseminargegenstände thematisch in Teile gliedern, so dass auch Gruppen von Studierenden koordiniert ein zusammengesetztes Thema bearbeiten können. In solchen Fällen kann
Teamarbeit gelernt werden: Welches ist der gemeinsame Nenner der Gesamtarbeit? Wie ordnen sich die Einzelbeiträge ein? Womit kann jeder von dem Vorausgehenden rechnen, was muss er für die Nachfolgenden bereitstellen? Wie organisiert man Gruppen am besten? Braucht es verteilte Aufgaben, Führungsrollen? Permanente, wechselnde? Wie geht man mit Meinungsverschiedenheit um? Wie trennt man die inhaltlichen Aspekte (um die es im Vortrag geht) von den gruppendynamischen Aspekten (die unvermeidlich, für die Teammitglieder interessant, spannend, beglückend, schmerzlich, unerträglich sein können, das Fachpublikum aber eigentlich nicht und Andere in ähnlicher Lage wohl nur eine Weile interessieren)?
Das Seminar ist die zentrale Form des interaktiven universitären Gruppenunterrichts. Im Idealfall trifft sich eine nicht zu kleine und nicht zu grosse Gemeinschaft von vielleicht 10 bis 25 Personen, die alle einander grundsätzlich hochschätzen und dennoch heftig miteinander "streiten", freilich nur mit Worten, und eigentlich nicht um einander "auszustechen", sondern im Hinblick auf einen Erkenntnisgewinn, zu dem alle beitragen und an dem alle teilhaben können.
Voraussetzung dazu ist ein von allen gemeinsam geteilter Hintergrund (das Grundwissen, Begriffsrepertoire, Methodenkompetenz, Theorieverständnis des Faches) und zugleich Diversität bezüglich des Spezialwissens. Weiter ist es nötig, dass man sich über den aktuellen Gegenstand einigermassen einig ist und freiwillig alle Beiträge darauf beschränkt, obwohl benachbarte Dinge auch noch interessent wären und manchmal zur Klärung eines Sachverhalts auch gesagt werden müssen.
So ideal ist es normalerweise nicht. Der Gesichtspunkt des Dominierenwollens wird oft für einige Teilnehmer zu wichtig, was dann andere schweigsam oder submissiv oder vielleicht einmal rebellisch macht; zu einem kleinen Ausmass ist er nützlich, weil er zum Reiz der Diskussion schon auch beiträgt. Und überdies gehört es zu den unverzichtbaren Kompetenzen des Akademikers, dass er sich und vor allem seine Erkenntnis in kritischer Umgebung zur Geltung bringen, wenn nicht durchsetzen muss. Aber ein Überborden des Personbezogenen sollte aus der Mitte der Seminargruppe höflich moniert werden. Der Seminarleiter, der idR einen generellen, aber durchaus nicht in allen Details einen Kenntnisvorsprung aufweist (und aufweisen soll), verfällt leicht dem Risiko, belehren zu wollen, was zugleich erwünscht und störend ist. In meiner Erfahrung ist die Schweigsamkeit zu vieler Teilnehmer, angeblich aus Angst, sich mit Äusserungen zu blamieren, eine bedauerliche Belastung eines Seminars. Ich möchte alle Teilnehmer immer wieder darum bitten, doch die Aufmerksamkeit weg von den beteiligten Personen (einschliesslich einem selbst) auf die zur Diskussion stehende Sache zu wenden. Ich kann Ihnen versichern, dass ich die "dummen" Fragen (sie sind oft didaktisch wichtig, ja unentbehrlich) nicht behalte; mich faszinieren die weiterführenden Fragen, jene, welche man nicht stellt, weil ihre Beantwortung so selbstverständlich scheint und doch gar nicht ist. Wie beim Abschnitt über schriftliche Arbeiten ausgeführt wird, versuche ich, die Bewertung der Leistungen auf die "Papier-Ebene" zu verlagern; Sie haben also im befürchteten Fall Gelegenheit, sich selber im Anschluss an die Sitzung in aller Ruhe zu korrigieren.
Seminarien können sehr unterschiedlich organisiert werden; das mag mit Gewohnheiten und Moden zusammenhangen. In der Regel werden wir zu Seminarbeginn die inhaltlichen Ziele und die organisatorischen Leitlinien erläutern, soweit dies über den Inhalt der Handpostille hinaus erforderlich ist. Während Jahren habe ich versucht, den Teilnehmern zu Semesterbeginn bei der Themenwahl und Seminargestaltung mehr Mitsprache einzuräumen. Weil das eher Unsicherheit erzeugt hat, bin ich davon wieder abgekommen; doch bin ich weiterhin interessiert, Impulse der Teilnehmer für die nächsten Semester mitzunehmen (vgl. unten 2.4.2).
Das Seminar ist eine wesentliche Lernform der höheren Semester. Es ist wichtig, dass im Seminar ein Klima hoher Ansprüche herrscht; das Seminar widerlegt sich selbst und macht sich uninteressant, wenn es sich nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner richtet. Während im Proseminar das Inhaltliche gegenüber dem Didaktischen gelegentlich zurücktreten muss und darf, soll im Seminar das Didaktische nur gerade so weit das Geschehen bestimmen, als es dem Umgang mit den Inhalten dient. Referat und Diskussion sind seine unentbehrlichen Bestandteile.
2.4.1 Referat oder Seminarvortrag
Der Seminarvortrag ist -- im Unterschied zum Proseminarreferat -- auf ein Thema oder Problem orientiert, nicht auf eine bestimmte, im voraus festgelegte Information fokussiert. Gewiss muss es in manchen Seminarien Phasen geben, in denen man sich anhand einschlägiger Texte zunächst die gemeinsamen Voraussetzungen schafft, von denen oben die Rede war. Der typische Seminarbeitrag zielt aber darauf ab, eine Diskussion unter den Teilnehmern derart vorzubereiten, dass die wesentliche Information über ein Problem auf den Tisch gelegt wird. Was ist die Ausgangsfrage, was kann man als sicheres Wissen im Umfeld voraussetzen? Mit welchen Begriffen und Methoden wurde bisher versucht, die Problemlage zu artikulieren und Lösungen zu finden? Welche Überlegungen und welche Untersuchungsstrategien haben welche Ergebnisse gezeitigt und wie lassen sie sich auf wenige oder ein einzelnes Prinzip zurückführen? Ist die Erkenntnis nun klar oder bleiben Widersprüche, Rätsel, Unklarheiten? Woran liegt es vermutlich, dass weiterhin ein Problem besteht? u.dgl. Manchmal ist es nützlich, auf die Problemgeschichte einzugehen, manchmal ist eine systematische Betrachtung aufschlussreicher.
Der Seminarvortrag sollte keinesfalls länger als 45 min. dauern. Ob er aufgeschrieben und abgelesen oder ganz oder in Teilen frei vorgetragen wird, ist sekundär. Am wichtigsten ist die gute Vorbereitung. Rechtzeitige Besprechung(en) mit Assistent oder Assistentin lohnt sich allemal. Dringend empfohlen wird, eine Woche im voraus eine wohlüberlegte Auswahl von Unterlagen (zB Definitionen, Thesen, Schemata, Diagramme, Datentabellen oder -grafiken, Schlussfolgerungen, Literaturangaben u.a.m., am liebsten auf einer Seite) an die Teilnehmer abzugeben; denn vorbereiteten Teilnehmern kann man viel rascher etwas Neues verständlich machen, und sie werden in der Diskussion die besseren, anregenderen Gesprächspartner sein. Wichtig ist die Auswahl und Ordnung jener Inhalte, welche zunächst im Vortrag vorgetragen werden. Der Vortragende muss über ein reicheres Wissen verfügen, als er von sich aus vorträgt: man erwartet von ihm, dass er in der Diskussion nicht nur die meisten offengebliebenen Einzelsachfragen klären oder kommentieren kann, sondern dass er auch zur Weiterführung des Problemverständnisses beitragen kann. Der Referent soll sich im Idealfall gewissermassen als der (lokale) Experte des thematisierten Problems verstehen.
2.4.2. Diskussion
Die Diskussion ist die eigentliche Methode des Seminars. Sie ist nicht sein Zweck; dieser liegt vielmehr im Ergebnis der Diskussion, unabhängig davon ob dieses Ergebnis in einfachen Sätzen zusammengefasst werden kann oder ob es mehr im Weg liegt, den die Gedanken im Verlauf des Seminars gegangen sind. In den meisten psychologischen Problemen ist dieser Weg der hauptsächliche Sinn des Seminars, zusammen mit den Einsichten und Bereicherungen, welche alle Teilnehmer im Lauf dieses Weg-Gehens gewonnen haben. Eine gute Seminarsitzung kann man nicht wirklich referieren, man muss dabei gewesen sein, um ihren Wert schätzen zu können. Es ist jedoch oft von Nutzen, durch einen Teilnehmer ein Protokoll wichtiger Aussagen und Folgerungen zu erstellen, an dem sich der spätere Seminarverlauf orientieren kann.
Normalerweise bedarf eine Seminarsitzung einer gewissen Führung, damit für die meisten Teilnehmer jederzeit klar ist, wovon gerade die Rede ist und wovon man erst später sprechen will. In der Regel wird diese Führungsrolle eine Person übernehmen, welche neben dem Vortragenden über ein gutes Verständnis des Problems verfügt. Es gibt auch Diskussionen, die sich ohne explizite Leitung wie von selbst regulieren, da wie bei einem guten Mutter-Kind-Verhältnis alle Teilnehmer im Wechsel des Hörens, Fragens, Denkens und Redens aufeinander achten.
Sinnvoll ist es, in regelmässigen Abständen (auf Wunsch von Teilnehmern am Schluss einer Sitzung, jedenfalls alle 3 bis 4 Wochen) und am Semesterende den Verlauf des Seminars als Methode zu diskutieren. Konstruktive Kritik der Teilnehmer untereinander auf der Ebene des Teilnahmeverhaltens (nicht der Person) soll dazu dienen, den Gang des Unternehmens zu optimalisieren. Ich möchte aber vor einem heute recht verbreiteten Missverständnis warnen: wer das Seminar auf der Ebene des guten Gefühls bewertet, gehe besser ins Kino oder in die Disco; das Seminar ist ein intellektuelles Unternehmen; Emotionen gehören dazu, positive und negative, Spannungen und Lösungen. Aber diese sind instrumentell, durchaus notwendig, aber nicht Zweck der Veranstaltung.
Eine besondere Form des Seminars (unter Einbezug von Elementen der Übung) ist die Arbeitsgruppe. Sie vereinigt in regelmässigen Abständen Personen und Teams, welche in eine grössere empirische Studie (von der Vordiplomarbeit bis zur Doktorarbeit) involviert sind. Die bearbeiteten Themen haben untereinander einen mehr oder weniger starken Zusammenhang, jedenfalls so, dass gemeinsame theoretische und methodische Grundsätze bestehen, an deren vertieftem Verständnis alle Teilnehmer interessiert sind und zu deren Verfeinerung sie beitragen. Inhaltlich sollen die Themen zumindest Verwandtschaften untereinander aufweisen, um einen gemeinsamen Kern kreisen. Wir organisieren Arbeitsgruppen, sofern eine ausreichende Zahl von Arbeiten zu einem Themenkreis (vgl. Anhang 5, Themenkatalog) geplant werden oder im Gange sind.
Konkret haben die Sitzungen der Arbeitsgruppe zum Ziel, die Formulierung von spezifischen Fragestellungen, ihre Umsetzung in Untersuchungspläne und die Durchführung und Auswertung der Untersuchungen zu begleiten. Die Leitidee ist die, dass alle Teilnehmer einander geben und voneinander nehmen können, in Einzelheiten und im Ganzen. Erfolge und Schwierigkeiten sowie deren Bewältigung stellvertretend beim andern zu erfahren, dürfte den Umgang mit der eigenen Fragestellung verbessern, inhaltlich und motivational. Bei den Arbeitsgruppe ist die Kontuinuität der Teilnahme besonders wichtig.
Eine Studienform, über die man wenig weiss und wenig spricht, sind die Gespräche, die ausserhalb des organisierten Studiengeschehens stattfinden, oftmals aber in meiner Vermutung eine deutliche höhere Effizienz (verstanden als günstige Wirkung auf den Studienfortschritt im Verhältnis zur eingesetzten Zeit von Student und Lehrperson) aufweisen als die "normalen" Studienveranstaltungen. Ich greife zwei Formen heraus.
2.6.1. Sprechstunde
Für administrative Inhalte oder kleine Orientierungsfragen benutzen Sie am besten die wöchentliche Sprechstunde (Zeit gemäss Anschlag) während des Semesters. Dazu ist keine Voranmeldung nötig. Manches lässt sich auch in einer Vorlesungs- oder Seminarpause regeln.
Die individuell angesetzte Sprechstunde fachlichenoder persönlichen Inhalts ist für die Lehrenden ein zeitaufwendiges Verfahren, das wir aber gerne einsetzen, wenn wir spüren, dass es effizient genutzt wird. Nennen Sie, wenn er nicht schon bekannt ist, bei der Anmeldung den Zweck des Gesprächs und seine vermutliche Dauer. Es lohnt sich, gut vorbereitet zur Sprechstunde zu gehen. Sie können zB einfache Gesprächsunterlagen mitbringen (zB Dispositionen) oder dem Betreuer ein paar Tage vorher zusenden (zB Textentwürfe). Notieren Sie Fragen, die Sie stellen wollen, und bringen Sie sie vorher in eine sinnvolle Ordnung. Kommen Sie im Laufe wiederholter Gespräche auf unsere früheren Anregungen zurück oder begründen Sie, wenn Sie sie nicht nutzen konnten. Wenn es Ihnen die Arbeit erleichtert, können Sie die Gespräche zB auf Tonträger aufnehmen; geben Sie deren Inhalt aber nicht ohne Einwilligung aller Beteiligten an Dritte weiter.
2.6.2 Informelle Gespräche, in Pausen, auf Wegen, bei Bier oder Kaffee...
Meine Idealvorstellung von Universität orientiert sich am Modell des Ateliers, wo Meister, Gesellen, Lehrlinge aller Stufen miteinander an Projekten arbeiten und dabei wechselweise lernen und lehren, wie es eben zwischen den jeweils gerade interagierenden Personen entsprechend dem Gegenstand und der Kompetenz der Beteiligten entsteht. Dieses Modell steht im Widerspruch zur gängigen Organisierwut im Bildungswesen und würde wohl auch günstigere Zahlenverhältnisse und Räumlichkeiten voraussetzen als wir sie heute haben können. Dennoch glaube ich, dass einiges mehr zur Nutzung des informellen Lernens und Lehrens getan werden könnte, was nur von gutem Willen und etwas Sensibilität für den Anderen abhängt.
Natürlich können meine Mitarbeiter und ich nicht andauernd zu Ihrer Verfügung stehen, wir brauchen Schonräume für unsere eigene Arbeit. Sie sollten sich bewusst sein, dass das typische Pflichtenheft eines Professors oder Assistenten vielleicht einen Drittel bis zur Hälfte der Zeit die für die Studierenden sichtbare Tätigkeit der Lehre vorsieht; die übrige Zeit ist der Forschung, Dienstleistung und Selbstverwaltung gewidmet. In aller Regel versuchen wir, Ihnen zu signalisieren, wann und wo wir verfügbar sind. Nutzen Sie diese Momente. Es muss nicht immer ein wohlgesetztes Frage- und Antwortspiel sein, man kann auch einfach Themen aufwerfen.
Prüfungen sind im organisierten
Bildungswesen ein unvermeidliches Übel. Sicher erfüllen sie
zum Teil ihren ursprünglichen Zweck, für eine gewisse
Rechtmässigkeit und Gerechtigkeit in der Beurteilung von
Leistungen zu sorgen. Auch helfen sie vermeiden, dass die
Studierenden einem einzelnen Lehrenden ganz ausgeliefert sind, und
sie tragen zu einer gewissen Strukturierung der Studienzeit bei. Sie
haben aber leider viele unerwünschte Nebenwirkungen,
beispielsweise indem sie je nach Prüfungsform einen bestimmten,
nicht selten wissenschaftsfeindlichen Umgang mit dem Fach und seinen
Inhalten herbeiführen. Ich möchte im Grundsatz die
Prüfungen lieber als einen natürlichen Ausfluss guten
Studierens verstehen. Das Studium selbst ist die
Prüfungsvorbereitung. Wenn diese zu einer eigenen
Tätigkeit in den Tagen und Nächten vor dem Examen
degeneriert, dann meine ich, ist etwas mit den Prüfungen und
möglicherweise auch mit der wissenschaftlichen Lehre nicht in
Ordnung. Für kleine Kinder ist nichts natürlicher, als dass
sie eine neu erworbene Kompetenz ausüben und ihren
Bezugspersonen vorführen wollen. Leider scheint es, dass unser
Bildungssystem ihnen dieses allseits beglückende Verhalten
gründlich austreibt.
Nehmen Sie die Prüfungen also nicht für wichtiger, als wir selber sie, gestützt auf Erkenntnisse der differentiellen Psychologie, bewerten. Unter hoher Belastung punktuell erbrachte Leistungsproben erlauben nämlich im Verhältnis zu wiederholt und über längere Zeit erbrachten Leistungen nur unzuverlässige Aussagen über die Fähigkeit eines Menschen. Das schliesst nicht aus, dass normalerweise ein Akademiker auch in der Lage sein muss, unter Belastung arbeiten zu können. Geben Sie also den Prüfungen, durch die Art und Weise, wie Sie damit umgehen, den ihnen gebührenden begrenzten Stellenwert, aber keinesfalls mehr.
In schroffem Gegensatz zu dieser Meinung stellen die Prüfungen den dominierenden Inhalt der Studienreglemente dar und erwecken so beim Studierenden einen völlig falschen Eindruck und fördern nicht selten ein perverses Studienverhalten. Man vergisst zu oft, dass Reglemente in erster Linie Ziele setzen sollen und erst in zweiter Linie Verfahren zu deren Erreichung und Bestimmungen zur Beilegung von allfälligen Konflikten enthalten müssen. Sie müssen die Ihr Studium bestimmenden Reglemente kennen; die Handpostille ersetzt sie nicht, versetzt Sie aber hoffentlich in die Lage, die Reglemente angemessener deuten und handhaben zu können.
Lernen Sie früh, zwischen der Fakultäts- und der Institutsebene unterscheiden zu können. Das Psychologiestudium erfolgt im Rahmen des fakultären "Reglementes über die Studiengänge und die akademischen Prüfungen an der phil.-hist. Fakultät" (kurz Liz.- oder Dr.-Reglement genannt, erhältlich beim Dekanat) und wird innerhalb des Instituts konkretisiert durch die Studienpläne für die Psychologischen Fächer. In einer Wegleitung zum Psychologiestudium hat das Institut ergänzende Richtlinien zusammengestellt. Studienpläne und Wegleitung sind beim Institutssekretariat erhältlich. Dementsprechend fallen die nachstehend behandelten Studienkontrollen in die Zuständigkeit des Instituts, die Abschlussprüfungen hingegen sind Fakultätssache.
2.7.1. Studienkontrollen oder Leistungsnachweise im Studium
(vgl. auch die Studienpläne der psychol. Fächer und die Wegleitungen)
Der Studienplan verlangt eine Reihe von Leistungsnachweisen (LN), die (mit gewisen Einschränkungen) in verschiedenen Formen zu selbstgewählten Themenbereichen und Zeitpunkten abgelegt werden können. Es sind institutsinterne Anforderungen, die grundsätzlich nicht den Charakter von selektiven Prüfungen haben, wohl aber die Selbstselektion mündiger Erwachsener erleichtern und steuern sollen. Entscheidungen, da oder dort einen speziellen Einsatz zu leisten, sich einer zusätzlichen besonderen Kontrolle zu unterziehen oder gegebenenfalls aus dem Psychologiestudium wieder auszusteigen, sollten so früh wie möglich, jedoch spätestens dann getroffen werden, wenn eine geeignete Entscheidungsgrundlage verfügbar ist. Eine solche ist mE eine gewisse Menge von Studienkontrollen, denen Sie sich selbst bei verschiedenen Dozenten und in verschiedenen Gebieten gestellt haben. Eine Wiederholung von solchen Kontrollen ist nur in Ausnahmefällen angezeigt (einige Kontrollen müssen Sie vorlegen, um in weiterführende Veranstaltungen zugelassen zu werden).
Da Sie vom Gymnasium idR kein differenziertes Bild der Psychologie und des Psychologiestudiums mitnehmen konnten, wird es Ihnen niemand verargen (auch Sie selbst sollten nicht!), wenn Sie einen entsprechenden Laufbahnversuch rechtzeitig abbrechen. Typischerweise sollten Sie nach zwei (spätestens vier) Semestern über eine tragfähige Entscheidungsgrundlage verfügen, wenn Sie sich den Anforderungen gestellt haben. Suchen Sie im Fall von Unsicherheit die Beratung der Mitarbeiter oder Dozenten; bringen Sie dazu Ihre gesammelten Unterlagen mit.
In den oberen Semestern (nach Abschluss des Grundstudiums mit dem Höhepunkt der Vorarbeit) dienen die Studienkontrollen eher der Regelung des Studienverhaltens, der Unterstützung der Motivation, dem Sammeln gezielter Rückmeldung über den individuellen Studienfortschritt.
Der Studienplan sieht eine Reihe verschiedenartiger Studienkontrollen vor, von denen wir in unserer Gruppe die nachstehenden pflegen. In der Regel werden zu Beginn der Veranstaltungen die angebotenen Formen bekanntgegeben. Für alle, im Zusammenhang mit interaktiven Veranstaltungen absolvierten Leistungsnachweise ist eine regelmässige und aktive Teilnahme an der betreffenden Veranstaltung vorausgesetzt. Die spezielle Anforderung muss mit Ausnahme der mündlichen Prüfung in schriftlicher Form und innerhalb der angegebenen Termine vorgelegt werden (siehe bei den schriftlichen Arbeiten).
2.7.1.1. "kleine" Studienkontrollen
2.7.1.1.1. Proseminararbeit, "kleine" Seminararbeit (vgl. 2.3 und 3.2.6.1.1)
2.7.1.1.1. Semesterbericht (vgl. auch 2.1)
In Zusammenhang mit einer Vorlesung oder kombinierten Veranstaltung schreiben die Studierenden bis spätestens kurz nach Semesterende:
(a) Eine Kurzzusammenfassung (1 Seite maximal) der ganzen Vorlesung
Das ist eine konzentrierte Aussage über den Inhalt der Vorlesung (ähnlich einem Lexikonartikel), möglichst allgemeinverständlich, einen Zusammenhang aufzeigend, also nicht eine Liste der Inhalte!
(b) Eine Anzahl Kapitel-Kurzzusammenfassungen (je eine halbe Seite maximal)
Nähere Angaben über Einteilung und allfällige Einschränkungen der Auswahl werden in der Veranstaltung gemacht Die Hälfte der Kapitel-Kurzzusammenfassungen kann in Gruppen erarbeitet, die übrigen müssen individuell geschrieben werden.
(c) Einen persönlichen Kommentar (ca. eine Seite) zur Veranstaltung, im Sinne einer Rückmeldung über Gelungenes und Misslungenes
(d) Einen persönlichen Kommentar (ca. eine Seite) zur eigenen Entwicklung in Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Veranstaltung
Zwischen den beiden Kommentaren soll klar unterschieden werden. Während der erste ein äusseres Geschehnis, die Lehrveranstaltung und ihr Drumherum, betrifft, zielt der zweite darauf ab, eine Selbstreflexion bezüglich Ihres Studienfortschrittes auszulösen. Der erste dient primär dem Veranstalter bei der Verbesserung des Angebots. Der zweite dient in erster Linie Ihnen selbst; doch dürfte auch der Veranstalter manches daraus lernen können. Auf Wunsch der Studierenden oder des Veranstalters wird anhand des Semesterberichts zusätzlich ein Gespräch geführt.
2.7.1.1.2 Vorlesungsbericht
Im Zusammenhang einer Vorlesung und neben dem begleitenden Studium eines Lehrbuches lesen die Studierenden einen aus einer Liste freigewählten Fachartikel (ca. 10 bis 40 Seiten) mit dem Zweck der Vertiefung der Kenntnisse und des Verständnisses in einem Spezialbereich. In einem Text von 4 bis 6 Seiten sollen dann die Grundgedanken des Artikels zusammengefasst und zum einschlägigen Themenbereich, wie er in der Vorlesung behandelt worden ist, in Bezug gesetzt werden. Abgabe spätestens in der letzten Semesterwoche.
2.7.1.1.4. Klausur (11/2 Std.) zum Stoff einer Einführungsvorlesung (vgl. 2.7.2.2.1)
Die Studienkontrolle folgt, bezogen auf einen engeren Stoff, ungefähr dem Modell der Lizentiatsklausur und soll auch entsprechende Prüfungserfahrungen ermöglichen.
2.7.1.1.5. mündliche Prüfung (1/4 Std.) zum Stoff einer Einführungsvorlesung (vgl.
Die Studienkontrolle folgt, bezogen auf einen engeren Stoff, ungefähr dem Modell des Lizentiatsexamens und soll auch entsprechende Prüfungserfahrungen ermöglichen.
2.7.1.1.6. Seminarsitzungsprotokollierung (vgl. 2.4.2)
Umfang und Anspruch nach Absprache. Es kann sich um Sitzungsprotokolle in engeren Sinn handeln oder um "Seminarspiegel": eine Reflektion des Themas von Teilen oder vom ganzen Seminar aus übergeordneter, kritischer Perspektive.
2.7.1.1.7.Arbeitsgruppenleistungen (vgl. 2.5)
Für besondere, auf die Gesamtgruppe bezogene Leistungen in einer Arbeitsgruppe kann nach Absprache ein kleiner LN im Fachstudium verliehen werden. In Frage kommen Protokollierungstätigkeit, Gruppenleitungstätigkeit, Vorbereitung von und Berichterstattung über Exkursionen, Durchführung von und Berichterstattung über Projekte.
2.7.1.2. "grosse" Studienkontrollen im Fachstudium
2.7.1.2.1. Seminararbeit (vgl. 2.4 und 3.2.6.1.2)
In unserer Gruppe gibt es nur diese eine Form des grossen Leistungsnachweises im Fachstudium. Die verlangte Leistung hat hier im Unterschied zur "Wiedergabe" von bestehendem Material einen "integrativen" oder "synthetischen" Charakter. Das bedeutet, dass die Studierenden zu einem umschriebenen Thema selber die einschlägige Literatur zusammensuchen und ordnen müssen. Die Konvergenzen und Widersprüche sollen aufgezeigt und mit eigenem allgemeinem Wissen als Hintergrund beurteilt werden.
2.7.2 Abschlussprüfungen
Die Abschlussprüfung ist jenes Ritual, in dem Studierende und Fakultät, durch Vermittlung des Instituts und seiner Dozenten, ihren Teil eines Gesellschaftsvertrages vollziehen. Die Studentin oder der Student legt eine bestimmte, verlangte Leistung vor (Voraussetzungen wie Semesterzahl, Einhaltung des Studienplans; Vorlage einer schriftlichen und einer mündlichen Probe der wissenschaftsorientierten Handlungskompetenz). Daraufhin händigt die Fakultät ein Diplom aus, welches dem Absolventen bei vielerlei öffentlichen und privaten Institutionen und Personen eine gewisse "Kreditwürdigkeit" anzeigt. Die Fakultät bemüht sich im Rahmen langfristiger Tradition um das Ansehen ihrer Kreditscheine; das gelingt nur, wenn diese Kreditscheine nicht der Inflation unterliegen und die Mehrzahl ihrer Inhaber dann überwiegend Dinge tun, die der Allgemeinheit dienen, sei es unmittelbar durch eher anpassendes, sei es mittelbar durch eher kritisches Handeln, sei es durch eine gute Mischung von beidem.
2.7.2.1. Voraussetzungen, Anmeldung
Die meisten Studenten studieren viel zu lang. Fünf Jahre in dieser "Gegenwelt" (nach schon so vielen Jahren Schule) ist mE mehr als genug! Ich weiss, dass Umstände (Krankheit, Mutterschaft, Dienstpflicht) und andere Lebensleiden und -freuden Zeitpläne umwerfen können oder dass Studieren für Einige -- freiwillig oder gezwungen -- nur eine Teilzeittätigkeit darstellt. Dennoch meine ich, dass man nicht wesentlich länger als 5 Jahre bis zum Lizentiat und zusammen höchstens 10 Jahre bis zum Doktorat einsetzen sollte. Längere Verweildauern haben selten gute Gründe; Sie werden sie später wahrscheinlich bereuen. Als Richtwert für die Habilitation zu einer wissenschaftlichen Laufbahn sollte das 35. Altersjahr gelten. Gewiss ist es auch sinnvoll, sich schon während der Studienjahre einen Teil der Zeit in fachbezogener praktischer Tätigkeit zu engagieren, und das wird die Studienzeit verlängern. Entgegen dem heutigen Trend ist es aber meiner Meinung nach wünschbar, das eigentliche Studium so kurz wie möglich zu halten und dafür mehr Gewicht auf die lebenslange Weiterbildung zu setzen.
Melden Sie sich zum Lizentiatsabschluss an, sobald Sie die Bedingungen erfüllen: Im Nebenfach, wenn Sie während mindestens 6 Semestern mindestens 2 Wochenstunden (insgesamt etwa 25 Semesterwochenstunden) belegt haben und die übrigen Anforderungen des Studienplanes erfüllen; im Hauptfach, wenn Analoges während mindestens 8 Semestern gilt und eine Diplomarbeit vom verantwortlichen Professor in einer (nahezu) fertigen Fassung geprüft und angenommen worden ist (vgl. Lizentiatsreglement und die einschlägigen Studienpläne). Der formellen Anmeldung bei der Fakultät geht ein Gespräch mit dem oder den prüfenden Dozenten voraus, in dem sich dieser der Erfüllung aller Voraussetzungen vergewissern muss und dies mit seiner Unterschrift zuhanden der Fakultät bezeugt.
Bringen Sie zu diesem Gespräch alle einschlägigen Unterlagen mit: Studienkarten (aller Fächer), Testatbuch, Praktikumsbestätigungen, sämtliche schriftlichen Arbeiten. Es ist nützlich, für jedes Fach eine Liste dieser Unterlagen in übersichtlicher Ordnung zu erstellen. Jede Leistung darf nur einmal gezählt werden.
Zum Abschluss sollten Sie ausschliesslich solche Dozenten wählen, bei denen Sie auch studiert haben:
a) wenigstens vier interaktive Veranstaltungen und schriftliche Arbeiten sowie im Regelfall die Diplomarbeit beim Erstprüfenden im Hf,b) wenigstens ein Seminar mit einer schriftlicher Arbeit beim Zweitprüfenden im Hf,
c) wenigstens zwei interaktive Veranstaltungen und schriftliche Arbeiten beim Prüfenden in einem Nf.
Es ist gemäss Studienplan vorgesehen, dass Sie, wenn Sie in einem der 3 anwendungsorientiertenFächer abschliessen wollen, die Diplomarbeit entsprechend ihrer Thematik bei einer Lehrgruppe der allgemeinen oder der speziellen Psychologie schreiben können. Sprechen Sie den Plan mit dem verantwortlichen Dozenten des Abschlussfaches rechtzeitig ab. Wir bemühen uns, dafür zu sorgen, dass solche sinnvollen Horizontausweitungen Ihnen keinen zusätzlichen Aufwand abfordern.
2.7.2.2. Gegenstand der Lizentiatsprüfung (vgl. auch Liz.-Reglement)
Zum Anmeldegespräch sollten Sie auch eine Liste jener Studieninhalte mitnehmen, mit denen Sie sich im betreffenden Fach während Ihres Studiums intensiv beschäftigt und anhand derer Sie Ihre Kompetenzprobe abzulegen gewillt sind. Fussnote 1 Ich gehe davon aus, dass die wissenschaftliche Psychologie, wie sie heute betrieben wird, über keinen allgemein anerkannten Kanon verfügt. Keine Instanz ausser Ihnen selbst kann also gültig definieren, was Sie wissen müssen, um ein Psychologe zu sein. Allerdings können Sie nur als Psychologe gelten, wenn Sie über ein begriffliches, methodisches und theoretisches Instrumentarium und mancherlei aktuelles Wissen verfügen, das Sie zu einem valablen Gesprächspartner von vielen anderen Psychologen macht.
Stellen Sie Ihre Liste unter solchen Gesichtspunkten zusammen, am einfachsten wohl, indem Sie Literatur -- thematisch geordnet -- angeben, in welcher die von ihnen gewählten Inhalte behandelt werden. Wenn Sie Sekundärliteratur (Lehrbücher und Handbuchartikel) angeben, welche ein Gebiet strukturieren und den aktuellen Wissensstand darstellen, sollten Sie dies immer auch durch ausgewählte Originalliteratur (Monographien, Zeitschriftenaufsätze etc.) ergänzen. Ein breites Hintergrundwissen über den Aufbau der Psychologie und über die Grundgebiete der allgemeinen Psychologie (Rahmenstudium) ist selbstverständlich vorausgesetzt. Gliedern Sie Ihr spezielleres Wissen in eine Anzahl von Schwerpunkten. Sie können auch Bezüge zwischen Schwerpunkten oder zwischen psychologischen Themen und angrenzenden Problemen aus Nachbardisziplinen aufnehmen.
Über den Umfang der Liste gibt es keine Vorschrift; Sie charakterisieren dadurch und durch die Wahl der Literatur Ihr eigenes Anspruchsniveau, welches ich (multiplikativ) in die Bewertung Ihrer Leistung einfliessen lassen möchte. Sie können in die Liste auch Probleme in Form von Thesen aufnehmen. Aufgrund des Inhaltes der Liste werde ich die Fragen des schriftlichen und des mündlichen Examens vorbereiten.
Es geht mir bei beiden Examen nicht darum, den Umfang oder die Vollständigkeit Ihres Wissens festzustellen, obwohl Sie natürlich über Wissen verfügen und das, was Sie wissen, vertretbar richtig wissen müssen. Vielmehr liegt in meiner Sicht das Ziel der Abschlussprüfung darin (Sie sind ja ein mündiger Mensch!), dass Sie zeigen, dass Sie mit dem was Sie von Psychologie verstehen, auf eine Art und Weise umgehen können, die wir wissenschaftlich nennen. Das heisst etwa, dass Sie
* Erfahrungstatsachen, persönliche oder empirisch-wissenschaftliche, angemessen auf Begriffliches und Theoretisches beziehen können,* in der Lage sind, mit der Fachsprache umzugehen, und die den Fachwörtern zugrundeliegenden Fachbegriffe unterscheiden können,
* auf den Schatz psychologischer Erkenntnis der Fachliteratur sinnvoll und kritisch zurückgreifen können,
* für die meisten psychischen und sozialen Erscheinungen mehrere mögliche Erklärungen sehen und Kriterien (über Ihr Gefühl und Ihre persönliche Wertung hinaus) bereit haben, diese gegeneinander abwägen zu können,
* für einige verbreiteten und plausibel erscheinenden Pseudoerklärungen theoretische und/oder empirische Widerlegungsargumente anführen können,
* einen Sinn für Gültigkeit und Generalisierungsfähigkeit psychologischer Erkenntnis entwickelt haben,
* psychologische Methodik grundsätzlich verstehen und bewerten und (als Hauptfächler) mit einigen Methoden analytisch und produktiv umgehen können.
2.7.2.2.1. Schriftliches Examen
Das schriftliche Examen ist eine vierstündige Klausur. Sie können sich keiner Hilfsmittel ausser der Schreibwerkzeuge bedienen. Derzeit stelle ich die Aufgabe in zwei Teilen (vgl.auch Anhang 4)
a) Eine Gruppe von Kurzfragen über grundlegende Begriffe der Psychologie (Rahmenstudium): im wesentlichen sollen Definitionen gegeben und Bezüge, Hintergründe und Möglichkeiten, aufgezeigt werden. Diese Begriffe sollten Sie nicht in einer Prüfungsvorbereitung auswendig lernen; die Liste ist vielmehr dazu gedacht, dass Sie im ganzen Verlauf Ihres Studiums sich daran orientieren können, ob Sie mit solchen Grundbegriffen umgehen können.b) Eine Problemfrage (ausgewählt aus drei Fragen, die ich unter Bezugnahme auf Ihre Schwerpunkte stelle): dabei sollen Sie in einem kleinen Aufsatz zeigen, dass Sie ein psychologisches Problem komplexerer Art in knapper Zeit unter Bezugnahme auf psychologische Erkenntnis verstehen, gliedern, in einen übergeordneten Zusammenhang einbringen, kurz, einem begründbaren Verständnis näher bringen können.
2.7.2.2.2. Mündliches Examen
Die mündliche Prüfung, egal ob sie 1/4 (Hf, Zweitprüfender), 1/2 (Hf, Erstprüfender), 3/4 (Nf), oder eine ganze Stunde dauert (Doktorprüfung), möchte ich nicht als ein Frage- und Antwortspiel führen, bei dem ich herausfinde, ob Sie auch wissen, was ich weiss. Vielmehr wollen wir zusammen über zwei bis fünf Themen diskutieren, die ich anhand Ihrer Schwerpunktliste auslese. Sie geben über diese Themen typischerweise zuerst eine globale Auslegeordnung, machen vielleicht auf ein paar Probleme, Lücken, Widersprüche, etc. aufmerksam, und anschliessend können wir, geführt durch meine Fragen, einigen ausgewählten Aspekten vertiefend nachgehen.
Wenn Sie vor Prüfungen Angst haben, können Sie drei "Miniatur-Referätlein" (max. je 3 min.) vorbereiten, und deren Titel am Schluss auf das Prüfungsblatt des schriftlichen Examens schreiben oder mir rechtzeitig schicken. Ich werde für den Prüfungseinstieg eines davon auswählen, so dass Sie vorbereitet anfangen können.
2.7.2.3. Doktorexamen (vgl. auch Dr.-Reglement)
Das Doktorexamen kann gemäss Fakultätsreglement in einer von zwei Formen abgelegt werden:
a) Kolloquiumim Anschluss an die Dissertation. Bei dieser Form verstehen Sie sich als Experte über das Thema Ihrer Dissertation, dessen Hintergrund und die sich aus Ihrer oder verwandter Forschung ergebenden Konsequenzen. Entsprechend sollten Sie mit der aktuellen Literatur zum Thema vertraut sein. Im Gutachten über die Doktorarbeit zuhanden der Fakultät, das ich Ihnen idR ca. einen Monat vor der Prüfungssession zur Verfügung stelle, finden Sie meistens Hinweise auf mögliche Diskussionspunkte; weitere Fragen zum Thema und seinem Umfeld sind aber nicht ausgeschlossen.
b) Thesengespräch. Sie reichen Ihr Thesenblatt rechtzeitig vor Beginn der Prüfungssession beim Doktorvater ein; dieser muss es der Fakultät vorlegen. Darauf haben Sie etwa 3 bis 6 untereinander locker oder enger zusammenhängende psychologisch bedeutsame Sätze nach Ihrer freien Wahl zusammengestellt. Jedem der knapp formulierten Kernsätze folgen jeweils 2 bis 3 weitere Sätze, welche eine Begründung (oder Widerlegung) der These andeuten. Im Thesengespräch argumentieren Sie eingehender über Ihre Thesen und stellen sich den Gegenargumenten der Prüfenden.
Wenn Sie eine den Anforderungen des Doktorats genügende Diplomarbeit abgeben, bin ich gerne bereit, Sie mit dem kleinstmöglichen Aufwand zum Doktorat zu begleiten. Das Reglement der Fakultät sieht derzeit obligatorisch das Lizentiat mit Gesamtnote mindestens "gut" als Voraussetzung zur Doktorprüfung vor. Sie können also frühestens in der auf das Lizentiat folgenden Prüfungssession ins Doktorexamen gehen. Allfällige Anpassungen der Diplomarbeit (über das Titelblatt hinaus) gemäss Absprache.
Fussnote 1. Derzeit hat sich unter den Studierenden die irrige Interpretation des Studienplans verbreitet, wonach an der Lizentiatsprüfung ausschliesslich Rechenschaft über solche Inhalte abgelegt werden soll, die während des Studiums nicht belegt worden sind. Dies ist zwar möglich, aber weder zwingend noch erwünscht.
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