Alfred Lang | |
---|---|
University of Berne, Switzerland | |
Booklet Section 1991-89 | |
Handpostille für Studierende: Kapitel 3b
Titel / Inhalt | 1 Vom Studieren | 2 Angebot | 3a Eigentätigk. | 3b Schriftl.Arbeiten
3 . Studierformen: die Eigentätigkeit der Studierenden
[Zweiter Teil]3.2.1 Zum Sinn schriftlicher Arbeiten 453.2.2 Zur Form schriftlicher Arbeiten 47
3.2.3 Zur Beurteilung der schriftlichen Arbeiten 50
3.2.4 Empfehlung für die Themenwahl 50
3.2.6.1. Seminar- und Hausarbeiten
3.2 Schriftliche Arbeiten
Studieren heisst in zweiter Linie Schreiben und Schreiben und noch einmal Schreiben!
3.2.1. Zum Sinn von schriftlichen Arbeiten
Zu verschiedenen Malen sind im Lauf des Studiums Proben des bisherigen Könnens in Form von Texten abzuliefern. Die Schreibenden sollten sie meiner Meinung nach als Vollzugshandlungen verstehen, in denen sich ihr bisheriges Studieren in seiner Gesamtheit kondensiert. Für das Studium fast noch wichtiger als der resultierende Text ist der Prozess seiner Erarbeitung. Das Arbeiten auf einen Text hin, das wiederholte Überarbeiten der anfänglichen Entwürfe bis hin zum abgegebenen Produkt, ist zum einen eine vorzügliche äussere Motivations- und Strukturierungshilfe des Studieralltags. Überdies ist dieser Prozess auch eine halbprivate "innere Bühne", auf der die bisher vom Schreibenden erworbenen Begriffe und Methoden mit den sie charakterisierenden Inhalten, Voraussetzungen, Zwecken und Einschränkungen wie die Rollenträger eines Dramas oder die Personen einer Geschichte auftreten, untereinander in Beziehung treten und so ihrer jeweiligen Eigenart herausbilden und manifest machen können. Der resultierende Text bringt diesen Klärungsprozess auf seine Essenz und lässt den Leser nachvollziehen, wie und warum es zu dem vom Text getragenen Sinn gekommen ist. Eigene Texte sind also die allerwichtigsten Studiermittel (vgl. auch 3.1.3)..
Im Psychologischen Institut sind die schriftlichen Arbeiten gleichzeitig die wichtigsten Bewertungsmittel. Sie dokumentieren den Studienfortschritt jedes einzelnen Studierenden und in ihrer Gesamtheit die Tätigkeit einer Lehr- und Forschungsgruppe. Damit sind sie Anlass und doppelter Träger von Rückmeldung: (a) mit ihrer Hilfe zeigen die Studierenden den Lehrenden, was diese bewirkt haben, und (b) sie ermöglichen den Lehrenden, den Studierenden zu zeigen, in welcher Weise diese die Erwartungen erfüllen. Damit sind die Arbeiten zusammen mit ihrer Beurteilung durch die Lehrenden die wesentliche Grundlage der Selbstbewertung des Studienfortschritts durch die Studierenden. Wir halten sie für die beste aller akademischen Prüfungsformen.
Ich neige persönlich dazu, meine primär sachbezogenen, unvermeidlich aber auch positiv und negativ bewertenden Rückmeldungen anhand Ihrer Texte so deutlich wie nur möglich zu machen. Mit höflicher Offenheit, so denke ich, ist Ihnen besser gedient als mit Nichtssagendem oder Verschleierndem. Sollte Ihnen Inhalt und/oder Form meiner Bewertungen Mühe machen, so suchen Sie mich auf. Denn Sie haben ein Anrecht darauf, meine gründliche Meinung über Ihre gründliche Arbeit zu kennen. Dabei sollten Sie nie vergessen, dass dies erstens notwendig meine Meinung aus meiner Perspektive, also nicht ein Absoluturteil, ist. Und zweitens, dass es immer ein Urteil über Ihre Arbeit ist, nicht über Ihre Person. Ich weiss, dass man dies nicht immer leicht voneinander trennen kann. Intendiert sind meine kritischen (und lobenden) Äusserungen jedoch stets nur als eine unter anderen Informations-Grundlagen für Ihre eigenen Entscheidungen über Ihre Studienplanung: im kleinen darüber, wo Sie noch mehr Einsatz geben sollten, im grossen darüber, wohin Ihre Entwicklung zielen könnte oder ob Sie nach meinem Urteil in diesem Feld gute oder schlechte Chancen haben. Den Stellenwert meiner Bewertungen zu verstehen ist also wichtiger als sich in Einzelheiten dagegen zu verteidigen, obwohl natürlich Missverständnisse vorkommen können und dann Berichtigungen notwendig sind. In gravierenden Situationen sollten Sie darüber sprechen, mit einer Person Ihres Vertrauens, mit einem Mitglied unserer Gruppe, mit mir selbst.
Es spräche in meinen Augen jedenfalls nicht für Ihre Mündigkeit, wenn Sie als erwachsener Mensch vorzögen, die Entscheidungen über Sie selbst einem einfach System von Rollenträgern, sprich Prüfern und Experten, oder gar einem halbautomatischen Administrativverfahren zu überantworten. (Jammern Sie bitte nicht über das dumme oder herrschsüchtige universitäre System, sondern helfen Sie mit, seinen grossen Spielraum zu nutzen. Helfen Sie mit, aus der Universität nicht auch noch nur eine Schule zu machen!)
2.3.2. Zur Form der schriftlichen Arbeiten
Wissenschaftlich orientierte Arbeit manifestiert sich überwiegend in Texten. In der mündlichen Form richtet man sich interaktiv an ein relativ bekanntes Publikum und fokussiert auf einen Gegenstand, der laufend gemeinsam redefiniert wird (vgl. unter 2.4.2). In der schriftlichen Form ist das Publikum unbestimmter, die Information fliesst unmittelbar nur vom Schreibenden zum Lesenden, die Themenstellung wird einmalig und fast ganz vom Autor gewählt. In beiden Fällen ist jedoch das Ziel des Autors, eine Erkenntnis an andere weiterzugeben, sei sie seine eigene oder eine von andern übernommene oder (im Regelfall) eine Mischung von beidem.
Dementsprechend hat ein guter schriftlicher Text einen ganz anderen Aufbau als ein Vortrag. Es muss dem Leser in Einleitung und Schluss die Fragestellung und die Zielsetzung des Autors und die Essenz seiner Mitteilung so deutlich wie nur möglich gemacht werden. Dazu gehört auch, dass der Leser an geeigneter Stelle über sämtliche, nicht wirklich sich von selbst verstehenden Voraussetzungen des Autors aufgeklärt wird; er kann ja nicht nachfragen. Durch Hilfsmittel wie Gliederungen, Hierarchie, grafische Schemata, Untertitel, Textauszeichnungen, Begriffsumschreibungen, Illustrationen etc. muss dem Leser ermöglicht werden, sich genau so weit auf die Erkenntnis des Autors einzulassen wie er es wünscht. Da der Autor idR möchte, dass der Leser sich möglichst umfassend auf seine im Text vermittelte Erkenntnis einlasse, muss er auch einiges vorkehren, um das Interesse des Lesers zu fördern.
In wissenschaftlichen (anders als traditionell in literarischen) Texten ist es heute vermutlich klüger, den Leser nicht zum linearen Lesen von Anfang bis Schluss zu nötigen. Die gängigen Textschemata wie zB der Untersuchungsbericht, das Übersichtsreferat, das Thesenpapier u.v.a.m. sind hier eine Hilfe. Aber das oberste Gebot ist eher, genau jene Textform zu (er)finden,welche den gegebenen Inhalt am angemessensten überträgt.
Diesem Gebot der Verhältnismässigkeit von Inhalt und Form folgt auch der Umfang eines Textes: je kürzer, desto besser; und gerade so lang, dass alles Nötige drinsteht. Gliedern Sie Ihren Text entsprechend der inneren Ordnung seiner Inhalte: ein Satz für einen Gedanken, ein Abschnitt für eine Gruppe von direkt zusammengehörenden Gedanken, ein Kapitel für einen weiteren Zusammenhang, Abschnitte welche besondere Zusammenhänge aufzeigen. usw. Eine gute Lesehilfe ist die Auszeichnung des zentralen Begriffes oder der Hauptaussage in jedem Abschnitt.
Bitte setzen Sie sich für klare und einfache Sprache ein. Ich bin nicht der Meinung, dass die sprachliche Korrektheit, die Orthografie und Grammatik oder die äussere Darstellungsform als Bewertungsgrundlage für die Persönlichkeit des Autors dienen sollten. Aber wer ein schwer lesbares Papier übergibt, zeigt vielleicht, dass ihm am Gelesenwerden nicht viel liegt. Und wer unverständlich schreibt, hat wohl seinen Gegenstand noch nicht ausreichend durchdacht. Sprache ist gewiss zur Hauptsache ein Kommunikationsmittel; es ist aber auch ein Instrument zur Klärung des Denkens im Dialog des Schreibenden mit sich selbst. Die wenigsten Menschen schreiben einen guten Text auf Anhieb; mehrfache Überarbeitung, in der Gliederung des Ganzen wie in der Aussage jedes einzelnen Satzes, ist unabdinglich für hohe Qualität. Gute Texte zu machen wird durch Textbearbeitungsmaschinen sehr erleichtert.
Sprache ist ein so wichtiges Mittel des Gewinnens von gemeinsamem Verständnis, dass man sie allen Moden entziehen sollte. Journalistischer ("Spiegel-")Stil ist für mich ebenso unsinnig wie angeblich gelehrte Schachtelsätze um ihrer selbst willen. Fremdwörter sind nicht als solche verwerflich, sondern dann fehl am Platz, wenn es einen treffenden deutschen Ausdruck für das Gemeinte gibt. Fachausdrücke, einschliesslich der Eindeutschungen aus dem Englischen und der Abkürzungen, sollen immer dann und nur dann ausdrücklich eingesetzt werden, wenn Fachbegriffe gemeint sind und vom fachgebildeten Leser klar als solche erkannt werden können.
Grossen Wert sollen Sie auch auf geeignete andere Kommunikationsmittel setzen. Ein gutgewähltes Bild kann tausend Worte ersetzen. Grafik, Tabellen, Schemata, Diagramme, Karikaturen, Fotografien von Wirklichkeit oder Modellen u.v.a.. sind unentbehrliche Hilfen. In manchen Fällen kann eine Ton- oder Videokassette nützlich sein. Neue Möglichkeiten bieten auch die Mikrocomputer und ihre Speichermedien und Bearbeitungsmittel. Text zwingt den Leser, die Gedanken des Verfassers linear nachzuvollziehen; Bilder sind vielschichtiger, mehrdeutiger. Wenden Sie also viel Aufmerksamkeit auf ihre gezielte Auswahl und Gestaltung und führen Sie den Empfänger mithilfe von Legenden und Erläuterungen im Text. Überlegen Sie gut: Was will ich mit diesem Hilfsmittel erreichen? Kann ich das leichter verbal oder grafisch?
Die vorstehenden Überlegungen gelten für alle wissenschaftlichen und alle allgemeiner orientierten wissenschaftlich begründeten Texte, unabhängig davon ob sie veröffentlicht werden oder nicht. Auch Seminar-, Vordiplom-, Diplom- und Doktorarbeiten sind solche Texte; Betreuer oder Begutachter möchten solche Texte nicht nur aus Pflichtgefühl gründlich lesen, sondern weil sie ihnen etwas bieten.
Übrigens, zu jeder schriftlichen Arbeit gehört ein Titelblatt mit Name(n) und Adresse(n) von Autor(en), Titel und Untertitel, Kontext (Veranstaltung, Betreuer, Datum), in dem die Arbeit verfasst wurde, und eine Zusammenfassung des Inhalts (ca. 100 Wörter). Ein ebenda für das Datum der Annahme und die Unterschrift des Betreuers vorgesehener Platz ("Vom Betreuer angenommen am ...") macht klar, welchen Status die Arbeit hat. In Verzeichnis(sen) oder Fussnoten werden sämtliche Hilfsmittel (verwendete und zitierte Literatur, Auskünfte, Berater und Helfer aller Art usw.) angegeben, damit den Helfern und dem Autor und allen andern Urhebern Gerechtigkeit widerfahren kann. In Normalfall hält man ein zweites Exemplar bereit, das beim Betreuer verbleiben kann.
3.2.3. Zur Beurteilung der schriftlichen Arbeiten
Wir bemühen uns, die abgegebenen Arbeiten innert nützlicher Frist mit Kommentaren versehen zurückzugeben. Die Kommentare beziehen sich aufs Ganze und auf Einzelheiten und sind als konstruktive Kritik intendiert; besonders gelungen erscheinende Stellen werden als solche gekennzeichnet. Eine notenmässige Bewertung erfolgt nicht; doch dürfte den Kommentaren idR zu entnehmen sein, was für einen Eindruck der Bewerter bei welchen Teilen der Arbeit und vom Ganzen hatte. Ungenügende Arbeiten werden zurückgewiesen; in Grenzfällen können gezielte Überarbeitungen verlangt werden. Bei grösseren Arbeiten oder auf Wunsch eines der Beteiligten erfolgt eine Besprechung zwischen dem Schreibenden und dem Bewertenden.
3.2.4. Empfehlung für die Themenwahl
Ich möchte nachdrücklich empfehlen, für die grösseren schriftlichen Arbeiten Themen zu wählen, die im engeren Kompetenz- und Arbeitsbereich der Betreuergruppe liegen. Die Synergien, die aus untereinander verbundenen Arbeiten entstehen, führen idR zu ebenso verstärkter und meist länger andauernden Motivation wie das selbstgewählte Thema. Es liegt mir aber daran, die Themen nicht fertig vorzuformulieren, sondern in gemeinsamer Arbeit von Studierenden und Betreuer herauszubilden. Ich gehe von der Erfahrung aus, dass das Interesse an einem Thema mit wachsenden Kenntnissen fast immer steigt. Denken Sie auch daran, dass jene studentische Forschung, deren Ertrag Eingang in Publikationen der Betreuenden findet, idR am ehesten Wirkungen über die Universität hinaus zeitigt.
Gehen Sie zum Beispiel von den Forschungsprojekten der Gruppe oder von früherenArbeiten aus der Gruppe aus. In fast jeder guten Seminardiskussion werden ein oder mehrere Themen skizziert, welche weitere Bearbeitung verdienen, und oft werden dort Ideen geäussert, wie man vorgehen könnte. Oder orientieren Sie sich am Themenkatalog im Anhang dieser Handpostille.
Viele Themen eignen sich für die Bearbeitung in kleinen Gruppen. Da die Teamarbeit heute in vielen Aufgabenbereichen unentbehrlich ist, stellen Gruppenarbeiten auf allen Niveaus eine wichtige Erfahrung dar. Anderseits erwerben Sie Ihr Studiendiplom als Individuum, so dass Sie immer auch individuell erarbeitete und verantwortete Leistungen vorlegen müssen. In der Regel versuchen wir bei Gruppenarbeiten, einen gemeinsamen Kern herauszubilden und für jeden Beteiligten auch ein Teilthema, einen eigenen Aspekt zu konkretisieren. Nachteile aus der Abhängigkeit von der Gruppe und Gewinn durch die Gemeinschaft sind sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Die bei den einzelnen Arbeitentypen angeführten Aufwandrichtlinien gelten auch für jedes Gruppenmitglied; hingegen reduzieren sich die Umfangserwartungen für gemeinsame Arbeiten mit zunehmender Gruppengrösse um jeweils etwa ein Drittel pro zusätzliche Person (konkret also in der Grössenordnung von 170 statt 200% für Zweierteams, 230 statt 300% für drei, 300 statt 400% bei vier Personen).
Gerne möchte ich Gruppen (mit)betreuen, die sich multidisziplinär zusammensetzen; die organisatorischen Probleme sind zwar sicher noch grösser als bei intradisziplinären Gruppen, der Gewinn aber auch. Den ökologisch orientierten Fragestellungen wäre das besonders angemessen. Wir haben in der Universität mehr Spielraum als wir oft nutzen, und es gibt auch andere Professoren, die am Gras jenseits der Zäune Spass haben.
3.2.6.1. Seminar- und Hausarbeiten
Diese kleineren schriftlichen Arbeiten sind das Rückgrat des Studiums. Ein Semester ohne eine (in den mittleren Semestern zwei oder drei) solche Arbeit(en) ist ein "verlorenes" Semester. Ich halte es für optimal, wenn solche Arbeiten im Kontext von Diskussionsveranstaltungen erarbeitet werden. Am sinnvollsten ist es, eine vorläufige Fassung als Grundlage für eine Seminarreferat zu verwenden. Dazu gehören auch Gliederungen, Definitionen, Schemata, Illustrationen. Im Anschluss an Referat und Diskussion lohnt sich eine Nachbearbeitung -- man lernt hier vielleicht am allermeisten im Verhältnis zur eingesetzten Zeit! -- zu einer abgabefähigen Seminararbeit. Selbständige, vom Seminarbetrieb losgelöste Hausarbeiten möchte ich nur unter besonderen Umständen vergeben und annehmen, etwa dann, wenn ein Thema aus spezifischen, wichtigen aktuellen und persönlichen Gründen bearbeitet werden soll und kein Seminar dazu veranstaltet wird.
In vielen Fällen empfiehlt sich eine (ev. mehrere) Zwischenbesprechung(en) mit einem Betreuer. Sie dient vor allem dazu, eine dem Thema angemessene Zielsetzung (Abgrenzung) und Kontext-Einbettung (Einordnung) zu gewinnen. Ferner geben Sie Hilfen zum Ausfindigmachen einschlägiger Literatur oder zum Finden und Kontaktieren von zusätzlichen Beratern innerhalb und ausserhalb des Instituts. Zwischenbesprechungen sollten von Seiten des Autors stets mit einfachen Unterlagen vorbereitet werden und in die Festlegung eines Zeitplanes münden.
3.2.6.1.1. "kleine" Seminar- und Proseminararbeit
Die kleine Seminararbeit entspricht im Anspruch dem kleinen Seminarreferat. Sie beschränkt sich in den meisten Fällen auf die adäquate Wiedergabe ("Referat" im engeren Sinn) einer schon in Textform vefügbaren Erkenntnis. In der Regel handelt es sich hierbei um eine Originaluntersuchung oder andere Arbeit (selten mehrere), deren zentrale Gedanken vom Schreibenden in neuer Form wiedergegeben und aufgrund seiner allgemeinen Kenntnisse und von Information aus Sekundärliteratur (Lehrbücher, Handbücher, Wörterbücher etc.) situiert und gegebenenfalls beurteilt und kritisiert wird.
Massgeblich für die Bewertung dieser Seminararbeiten ist die Adäquatheit, Klarheit und Verständlichkeit der Wiedergabe des Gegenstandes. Besonders wichtig finde ich die Herausarbeitung der zentralen Gedanken und deren Unterscheidung von theoretischen oder methodischen Voraussetzungen, Zutaten, Seitengedanken, Einschränkungen u.dgl., sei dies in Bezug auf den Originaltext als solchen oder im Hinblick auf die Verwendung seines Inhalts in einem besonderen Zusammenhang. Durch Gliederung und Gewichtung der Teile soll dies in der Seminararbeit klar erkenntlich werden.
Der Umfang von kleinen Seminar- oder Hausarbeiten soll zwischen 4 und 10 Seiten betragen (à 40 Zeilen mit je 60-70 Zeichen oder etwa 10 Wörtern, Illustrationen eingeschlossen). Aufwandmässig stelle ich mir vor, dass je nach Kompetenz des Verfassers und Schwierigkeit der Vorlage zwischen 10 und 30 Arbeitsstunden aufgewendet werden müssen. Zwischen der Entscheidung für das Thema und Abgabe des Textes sollten keinesfalls mehr als 4 Monate liegen; dh solche Arbeiten sollten idR während des Semesters verfasst werden. Wir nehmen Arbeiten spätestens einen Monat nach dem Abschluss des betreffenden Seminars an.
3.2.6.1.2. "grosse" oder eigentliche Seminararbeit
Die grosse Seminararbeit ist im wesentlichen eine integrative Leistung des Schreibenden. Die Vorgabe ist dementsprechend ein Thema und die vom Betreuer angegebene Literatur ist als Einstiegsliteratur zu verstehen; es wird erwartet, dass sich der Autor selber in der Literatur zurechtfinden bzw. Hinweisen selbständig nachgehen kann. Grosser Wert wird auf die Erarbeitung einer klaren Fragestellung gelegt. Eine Zwischenbesprechung mit dem Betreuer in oder spätestens am Ende dieser Phase ist unabdinglich. Im übrigen gilt das für die kleine Seminararbeit Gesagte; doch wird bei der Bewertung grösseres Gewicht auf die Eigenleistung des Schreibenden gelegt, beispielsweise das kritische Vergleichen verschiedener Positionen, das Sehen und Begründen von Zusammenhängen oder Widersprüchen, die begründete Erarbeitung einer allfällig eigenen Position u.dgl.
Der Umfang von grossen Seminar- oder Hausarbeiten soll zwischen 5 und 25 Seiten betragen. Aufwandmässig stelle ich mir vor, dass je nach Kompetenz des Verfassers und Schwierigkeit des Themas zwischen 25 und 100 Arbeitsstunden aufgewendet werden müssen. Zwischen Entscheidung für das Thema und Abgabe des Textes sollten nicht mehr als 6 Monate liegen; dh solche Arbeiten sollen idR während des Semesters weitgehend durchgeführt und nötigenfalls in der anschliessenden vorlesungsfreien Zeit fertiggemacht werden. Wir nehmen Arbeiten spätestens zu Beginn des auf das betreffende Seminar folgenden Semesters an.
Die Vorarbeit ist die wichtigste Leistung des Grundstudiums. Sie ist nach dem Modell der Lizentiatsarbeit konzipiert, aber im verkleinerten Massstab. Sie hat grundsätzlich empirischen Charakter (schliesst also Planung, Durchführung, Auswertung und Berichterstattung einer Untersuchung ein). Der Aufwand soll rund 200 Arbeitsstunden betragen, der Bericht soll 20 bis höchstens 50 Seiten umfassen (dazu ggfls. Anhänge mit Daten, Protokollen etc.).
Sie wird, individuell oder in kleinen Gruppen, unter direkter Betreuung eines Assistenten (in Ausnahmefällen des Dozenten) durchgeführt. Bei Gruppenarbeiten können Teile gemeinsam verfasst werden, jedes Gruppenmitglied muss aber zusätzlich einen identifizierbaren Teil individuell verantworten. Hilfsassistenten und weitere Institutsmitglieder oder Externe als Spezialisten für besondere Teilfragen werden beratend beigezogen. Ein prüfungsberechtigter Dozent wird in abgesprochenen Abständen über den Fortgang der Arbeit informiert; er nimmt die Arbeit ab. (Wir weichen hier und im nachstehenden Punkt von der Wegleitung zu den Studienplänen der psychologischen Fächer ab; denn die Betreuung und Beratung ist für die Mitarbeiter ebenfalls ein Lernfeld, in welchem sie Betreuung durch Dozenten erfahren sollen.)
Die Vorarbeit wird typisch nach Abschluss des zweiten Studiensemester begonnen und vor Beginn des 5. Studiensemesters abgegeben. Wenn die Arbeit nicht vor Ende des 6. Studiensemesters abgeschlossen und angenommen wird, soll der Studierende die Beratung des die Betreuung überwachenden Dozenten suchen. Liegen besondere Gründe für die Verzögerung vor, so wird ein neuer Zeitplan in Berücksichtigung der individuellen Lage aufgestellt. Der überwachende Dozent kann im Einvernehmen mit dem betreuenden Assistenten einen Zeitpunkt festlegen, nach welchem er eine Vorarbeit nicht mehr anzunehmen gewillt ist. Verstehen Sie das Scheitern der Vorarbeit (jedenfalls eines zweiten Versuches mit anderen Betreuern) als Misserfolg dieses Studiums; analog etwa dem Durchfallen in den propädeutischen Prüfungen anderer Fächer.
Natürlich ist es schön, wenn die Vorarbeit wissenschaftlich wertvolle Ergebnisse bringt. Sie darf aber in wissenschaftlicher Hinsicht misslingen oder ohne substantielles Ergebnis bleiben, ohne ihren primär didaktischen Zweck zu verpassen und ihren Wert als Erfahrung und als Anzeiger Ihrer Studienfähigkeit zu verlieren. Sie soll in erster Linie ein Feld sein, wo Sie aus Ihren Fehlern lernen können.
3.2.6.3. Diplomarbeit (Lizentiatsarbeit) (vgl. auch Liz.-Reglement)
Die Diplomarbeit ist die wichtigste Leistung des gesamten Studiums. Sie verlangt grundsätzlich die theoretische Situierung, Planung, Durchführung, Auswertung und Berichterstattung einer Untersuchung, hat also empirischen Charakter. Art und Gewicht der eingesetzten Methodik richtet sich nach dem Inhalt der Fragestellung; in Ausnahmefällen kann Theoretisches dominieren. Im Sinne eines Richtwertes soll sie etwa 1000 Arbeitsstunden, höchstens aber ein Arbeitsjahr (2000 Arbeitsstunden) beanspruchen. Der Bericht soll 50 bis 150 Seiten umfassen (dazu ggfls. Anhänge mit Daten, Protokollen etc.).
Sie wird, individuell oder in kleinen Gruppen, unter Betreuung eines prüfungsberechtigten Dozenten durchgeführt. Bei Gruppenarbeiten können Teile gemeinsam verfasst werden, jedes Gruppenmitglied muss aber einen substantiellen und identifizierbaren Teil individuell verantworten. Der Betreuer kann seine Aufgabe oder Teile davon an Assistenten oder externe Fachleute delegieren, muss aber regelmässig über den Verlauf der Arbeit informiert werden. Er ist nicht verpflichtet, eine Arbeit anzunehmen, auf deren Fortgang er nicht angemessenen Einfluss nehmen konnte. Hilfsassistenten und weitere Institutsmitglieder oder Externe als Spezialisten für besondere Teilfragen werden beratend beigezogen. Der verantwortliche Betreuer begutachtet die fertige Arbeit im Auftrag der Fakultät; er kann für die abzugebende Reinschrift Revisionen verlangen.
Die Diplomarbeit kann nach Abschluss des Grundstudiums begonnen werden. Antizipieren Sie den gesamten Verlauf der Arbeit analog einem Bauprojekt in verschiedenen Phasen und erstellen Sie realistische Zeitpläne; vergegenwärtigen Sie sich und revidieren Sie nötigenfalls zusammen mit dem Betreuer wiederholt den Gesamtplan. Zu Beginn ist es in vielen Fällen sinnvoll, eine Gruppe von möglichen Fragestellungen eine Zeitlang "mit sich herumzutragen", dies und das zu lesen und zu überlegen, bis sich das dann systematisch bearbeitete Thema klarer herausbildet und sich in diesem Prozess auch auf bewältigbare Ausmasse reduziert. Fast alle Themenvorschläge, von Seiten der Betreuer oder der Studierenden, sind zu Beginn viel zu umfangreich; das ist richtig zum Gewinn von Übersicht über ein breiteres Feld, in dem dann eine spezifischere Zielsetzung lokalisiert und ausgewählt wird.
Die Planungsphase der Untersuchung ist die entscheidende Phase. Das heisst, dass die theoretische Arbeit vor der Untersuchungsplanung gründlich und relativ weit getrieben werden soll. Anderseits konkretisieren sich theoretische Vorstellungen häufig erst anhand von Empirie. Ein oft empfehlenswerter Weg aus diesem Dilemma ist die Durchführung von Pilotuntersuchungen, gefolgt von einer weiteren theoretischen Phase, bevor die Hauptuntersuchung in Angriff genommen wird. Schreiben Sie wenn immer möglich alle wesentlichen vorbereitenden Teile ihres Textes (Fragestellung, Literaturübersicht, Theoriekapitel, Methodendarstellung), bevor Sie die eigentliche Untersuchung durchführen. Es ist nachher weit schwieriger; und nur was man klar schreiben kann, hat man sicher begriffen. Der Aufwand zur Fertigstellung des Textes wird oft stark unterschätzt.
Mit der Diplomarbeit sollen Sie belegen, dass Sie in der Lage sind, ein dafür geeignetes Problem, sei sein Ursprung praktisch oder wissenschaftlich, mit den Mitteln Ihrer Wissenschaft so zu bearbeiten, dass der Rezipient Ihres Ergebnisses mit der gleichen oder einer ähnlichen Problemlage jetzt anders, sicherer oder jedenfalls umsichtiger umgeht als vorher. Es gehört also zur Diplomarbeit, dass sie einen (wie immer bescheidenen) wissenschaftlichen Ertrag abwirft. Anders als bei der Vorarbeit muss deshalb ein eingeschlagener Holzweg rechtzeitig aufgegeben werden. Die Diplomarbeit ist ein "öffentliches" Dokument in dem Sinne, dass sie in Bibliotheken zugänglich ist und damit die Leistung des Diplomierten repräsentiert.
3.6.2.4. Doktorarbeit (vgl. auch Dr.-Reglement)
Eine Doktorarbeit ist des Ergebnis und der hauptsächliche öffentliche Beleg für ein wissenschaftsorientiertes Weiterstudium nach dem Lizentiat. Eine Doktorarbeit muss die gleichen Kriterien wie eine Diplomarbeit erfüllen und darüberhinaus originell sein, dh in der Problemformulierung, in der Methodik, im Ergebnis, in der Begründung oder in sonstiger Hinsicht etwas Neues bringen.
Gewöhnlich zeichnet sich im Lauf der Erarbeitung der Diplomarbeit ab, ob bei Thema und Studierendem die Voraussetzungen und Kompetenzen für eine Doktordissertation gegeben sind. Der Betreuer wird entsprechende Ermunterungen aussprechen und mit Rat und ev. Vermittlung finanzieller Beihilfe den Prozess einleiten helfen. An der Berner Fakultät sind heute viele Diplomarbeiten, was früher beim direkten Doktorat die Dissertationen gewesen sind. Ich werde deshalb mein Möglichstes tun, die Studierenden bei entsprechenden Voraussetzungen möglichst rasch zum Doktorat zu führen (vgl.auch 2.7.2.3). Manchmal ist es sinnvoll, einen Teil einer geplanten Dissertation vorab für den Lizentiatsabschluss einzureichen; manchmal erweist es sich als einfacher, die Arbeit als Dissertation zu schreiben und die Liz.- und Dr.-Prüfungen in zwei aufeinanderfolgenden Sessionen abzulegen. Natürlich gibt es auch den Themenwechsel.
Da nicht selten Dissertationen neben einer praktischen Tätigkeit (Teilzeitarbeit, befristete Beurlaubung) bearbeitet werden, versuchen wir mit einem jährlich dreimal organisierten Doktorandentag den Kontakt zu fördern. Die Planung und Durchführung erfolgt aber auf weitgehend individueller Basis in Absprache mit dem Betreuer oder im Rahmen von Forschungsprojekten oder der Institutsanstellungen. Es gibt Möglichkeiten zur Finanzierung der Forschung bzw. des Lebensunterhalts, allerdings keine Garantien.
Ein Doktorat ist eine nötige Voraus- setzung zu einer wissenschaftlichenLaufbahn. In vielen praktischenBerufen ist der Doktortitel und die ihn voraussetzende Qualifikation eine nicht unwichtige Hilfe beim Zugang zu qualifizierten Tätigkeiten und/oder leitenden Stellungen. Die Universität erteilt Lehraufträge in der Regel nur an Promovierte, seien sie wissenschaftlich oder praktisch tätig.