Alfred Lang | ||
Vorlesungsskript 1998 | ||
Semiotische Oekologie | 1998.00 @SemEcoSyst | |
14 / 25 B Last revised 2005.02.14 | ||
0. Inhaltsübersicht, Zusammenfassung | © 1998 by Alfred Lang | |
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Semiotische Ökologie, SS 1998
Freitag 14-16, Unitobler Hs 023
Inhalts überblick
1. Einstieg | << ...>> 27.3.98
2. Menschliche Kondition | << ...>> 3.4.98
3. Evolution(en) | << ...>> 17.4.98
4. Generative Semiotik | <<...>> 24.4.98
Kapitel 5 bis 11 sind noch nicht ausgearbeitet
5. Funktionskreis- oder Ökosemiotik | << ...>> 1.5.98
6. SemÖko Methodologie | << ...>> 8.5.98 ausnahmsweise 11:30-13:15
7. Kulturpychologie oder -ökologie | << ...>> 29.5.98
8. Einige Forschungsfelder | <<...>> 5.6.98
9. Autonomie-Integrations-Regulation | << ...>> 12.6.98
10. Ethik und Politik | << ...>> 19.6.98
Psychologie -- Wissenschaft des 21. Jahrhunderts? DI 23.6. 18:15, HG Hs. 31 ( Abschiedsvorlesung)
11. Rückblick und Aussicht | << ...>> 26.6.98
<<...>> Detailliertes Inhaltsverzeichnis
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Die Semiotische Ökologie ist ein Versuch, die menschliche Kondition -- als Bedingtes und als Bedingung -- als Ergebnis und Grundlage fortlaufender evolutiv-dialogischer Prozesse zwischen verschiedenen beobachtbaren und erschliessbaren Instanzen in der Welt zu begreifen. Alle Entitäten, welche wir direkt oder indirekt aussondern (discern) können, sind mehr oder weniger wechselseitig gerade durch diesen Prozess konstituiert und reguliert worden und müssen nicht voraus-gesetzt werden. Die Welt, jedenfalls die Welt dieses Planeten, lässt sich als fortwährende Strukturbildungen und -umbildungen verstehen, welche in untereinander durch gemeinsame Glieder verbunden offenen Evolutionen auf kosmischer, chemischer, mineralischer, biotischer, individual-organismischer und sozio-kultureller Ebenen zugänglich sind.
Wissenschaften als Forschung und Praxis sind in jeder Hinsicht Teil solcher Strukturbildungen; auch wenn diese zugleich ihren Gegenstandsbereich ausmachen. Denn spätestens mit Beginn des Lebens und erst recht in den Kulturen sind die meisten Strukturen semiotische Strukturen und ihre Interaktionen semiotische Prozesse. Im Alltag wie in den Wissenschaften interessieren nämlich in erster Linie deren "Bedeutungen". Semiotische Ökologie fundiert mithin nicht nur eine Theorie der Welt und der Menschen darin, sondern auch eine Theorie der Forschung.
Die semiotische Ökologie ist in erster Linie eine Begrifflichkeit (conceptuality, conceptual system) zur Darstellung und damit zum Verstehen von evolutiven Systemen im allgemeinen. Sie enthält generelle Erklärungsverfahren und bereitet die Präzisierung von Erklärungsmöglichkeiten oder Theorien in verschiedenen Bereichen der menschlichen Kondition vor, sowohl ihrere Bedingungen wie des durch sie möglicherweise Bedingten.
Als Ökologie bringt sie die asymmetrischen Systembildungen von Lebewesen (oder ähnlichen Gebilden) mit ihrer Umwelt auf Begriffe oder, genauer, sie konzeptualisiert die Herausbildung von Strukturen aus der Welt überhaupt und insbesondere von besonders dynamischen Strukturen wie Lebewesen in ihrer Umwelt als ihre nachhaltigsten Teile. Damit untrennbar verbunden begeift sie die Bezüge zwischen den Lebewesen und den für sie relevanten Umwelten. Die Einheit des Begreifens ist das konkrete Lebewesen-Umwelt-System bezogen auf ein Zielindividuum bzw. das Person-Kultur-System bezogen auf einen bestimmten Menschen in konkreten Lebenslagen. Untersucht werden die Gliederung und die Vorgänge in solchen Systemen sowie das Zusammenspielen solcher Systeme und einer ihnen gemeinsamen Welt.
Diese Ökologie ist semiotisch angelegt unter der Annahme, alle solchen komplexeren (stofflich und energetisch so extrem unwahrscheinlichen und dennoch so verbreiteten) Gebilde hätten Zeichencharakter und der Prozess ihres Werdens und Vergehens könnten als Semiose, ihre Zustände als Semionen ("Zeichen") begriffen werden. Das gilt für alle durch und mit Lebewesen hervorgebrachten Gebilde der Welt: die Sachen und Formen wie die Organismen und ihre Teile selbst, auch deren humorale und neuronale Subsysteme. Die hierfür entwickelte Semiotik versteht mithin Zeichenhaftes nicht bloss als Verbindungen von materiellen Strukturen (Signifikanten, materielle Zeichenträger) mit "Bedeutungen" (Signifikanden, geistige Gehalte) oder als stellvertretende Darstellungen von etwas für jemanden (wie zB Zuordnungen gemäss Kodes); vielmehr seien zeichenhafte Erscheinungen Verkörperungen der Geschichte von strukturellen Gebilden oder Potentialen derart, dass diese Gebilde Momente ihrer Geschichte bei neuen und geeigneten Gelegenheiten ähnlich oder innovativ zur Wirkung bringen können und mithin Entwicklung oder Evolution konstituieren. Diese Semiotik ist mithin eine generative Semiotik; sie folgt dem Grundsatz: "The whole purpose of a sign is that it shall be interpreted in another sign" (Peirce 1904 CP 9.191). Das führt zu einem Verständnis von "Bedeutung", welches den dualistischen Rahmen der Entgegensetzung von Stoff und Geist, von an sich bedeutungslosen Objekten, denen Bedeutung erst von Subjekten verliehen wird, sprengen. Infolge ihrer allgemeinen Anlage kann die semiotische Ökologie als perspektivische Theorie verschiedenartigster Erscheinungsformen von Evolution dienen und mithin Vergleiche zwischen solchen und Weisen ihrer Verschränkungen klären.
Als Metatheorie
(a) der biotischen (Bioevolution),(b) der individuellen (sog. ontogenetischen oder organismischen Entwicklungen oder Evolutionen jedes Individuums in seiner Umwelt) und
(c) der kulturellen Evolutionen (historischer Wandel und kulturelle Differenzierung der Lebensformen)
stellt sie ein nicht-dualistisches Verständnis insbesondere der menschlichen Kondition dar und begründet mithin Wissenschaften wie eine kulturbezogene Psychologie verstanden als eine allgemeine empirische Anthropologie oder kulturelle Ökologie, welche die Menschen als jene biotischen Wesen begreift und erforscht, die in ihren Gemeinschaften ihre eigenen Umwelt(en) generieren und damit auch kulturelle Wesen geworden sind. Weil die Herausbildung von Ökosystemen in Form von kulturellen Traditionen in Gemeinschaften wesentlich durch Akte von individuellen Personen bestimmt ist, erhalten psychologische Gesichtspunkte eine strategisch zentrale Bedeutung; die semiotische Ökologie ist mithin zur Grundlegung einer kulturbezogenen Psychologie in besonderem Masse geeignet.
Die Vorlesung soll das Ganze dieser evolutiven semiotischen Ökologie im Zusammenhang darstellen, anhand einiger Beispiele nachvollziehbar machen und ihr Potential für ein realistisches Menschenbild in ethischen, wissenschaftlichen und politischen Perspektiven aufweisen.
Detailliertes Inhaltsverzeichnis
1. Einstieg 27.3.98
1.1. Motivation1.2. Leitidee(n)
1. evolutiv2. ökologisch
3. semiotisch
4. kulturell
1.3. Ein paar Beispiele
1. Farbenökologie2. Musikökologie
3. Wohnpsychologie oder -ökologie
1.4. Einige Aspekte zum Markieren und Behalten
2. Menschliche Kondition 3.4.98
2.1. Empirische Anthropologie1. The proper study of mankind is man (Alexander Pope, 1732-34)2. Wissenschaften von der menschlichen Kondition
3. Neuorientierung: Ablösung der alten Ansätze mit den statisch-dualistischen metaphysischen Setzungen durch die evolutive Strukturenbildungs und -Auflösungsperspektive
4. Offen evolutive Welt vs. ideale, geplante, gezielte Welt
5. Menschen als normale Teile der Welt mit besonderen Möglichkeiten
2.2. "Wissenschaftstheorie"
1. Vorgehensmodelle anhand der logischen Schlussweisen2. Unser Ausssondern von Gebilden
3. Wirkungen von Gebilden aufeinander (vs. bzw. neben Wirkungen auf uns)
4. Vergleichen solcher Gebilde-Wirkungen-Zusammenhänge
5. Minimalisierung unseres Einflusses durch Vergleichsverfahren
2.3. "Erkenntnistheorie"
1. Keine menschliche Sonderstellung, doch besondere Potentiale der Darstellung (interne und externe Symbolisierungen als Teile der Welt)2. Erkenntnis als (antizipierte) Handlungswirkungen ("Pragmatismus" u. Verw.)
3. Aufgenommene Handlungswirkungen (profferences promoted)
4. Realien und Nominalien
2.4. Ökologisches Denken
1. Systemprimat, asymmetrische Systemdifferenzierung2. Voraus-gesetzte Teile zusammenfügen geht nicht
3. Der ökologische Prozess besteht in Strukturbildungen, Strukturumbildungen und Strukturengebrauch
4. Einzelstrukturen als solche sind "wesenlos"; erst ihr Zusammenwirken zeigt ihr Potential
5. Methodologische Konsequenzen: analytisch differenzieren und in übergeordneten Zusammenhang einbauen
6. Die Grundfrage: Wie können wir die konstitutiven und die regulativen Prozesse von Ökosystemen und ihren unterscheidbaren Teilen begreifen?
3. Evolution allgemein und spezielle Evolutionen
3.1. Genesereihen existentiell, als Voraussetzung realistischer Funktionsaussagen1. Lewins Aristotelische vs. Gailei'sche Wissenschaft2. Die Phänomenklassifikationsbasis in der Psychologie und ihre Folgen
3. Substanz- und Funktionsdenken
4. Funktionen des Wandels setzten existentielle Identität, in evolutiven Systemen also Genidentität voraus
5. Die konstruktive Methode vs. nominalistische Verfahren
3.2. Problem der (In)kommensurabilität von Ursache und Wirkung
1. transitive forces,2. forces with side-effects
3. simple discharge
4. notwendiger Zusammenhang
5. Zufall
6. affines Zusammenwirken
7. Selektive Kontingenz des Zusammenwirkens
8. Triadische Vorstellung von Verursachung oder Bedingungs-Wirkungs-Zusammenhängen
9. Dyadische Bedingtheit als Spezialfall der triadischen
3.3. Verständnis aller Gebilde als hervorgegangen aus der Wechselwirkung von vorhergehenden Gebilden
3.4. triadische Genesebezüge, Genesenetze
1. Kontingenz der Begegnung2. triadisch erklärte Evolution
3. Anaformation
4. Verzweigung für Variation (Wandel, Divergenz)
5. Verschmelzung für Selektion, Bewertung (Ordnung, Konvergenz)
3.5. Die drei evolutiven Bereiche
1. [kosmische Evolution; mineralische Evolution]2. Bioevolution (Phylogenese)
3. Individualevolution (Ontogenese; Erfahrungsbildung)
4. Kulturevolution (Traditionsbildung)
3.6. Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten der 3 Evolutionsbereiche 10.4.98
1. bio: Var: chromosomal, teils umweltlich, teils Eigendynamik; Sel: OrganismusÐUmwelt2. ind: Var: perz, emot(-kogn), überwiegend von aussen her; Sel: Lernen, Effekt, Erfolge, Gedächtnis, Gestalt, Passungen
3. kult: Var: individual profference, contingent encounters; Sel: Aufnahme, Spread, Multiplication, Bewährung, Gefallen, Gewohnheit, Vorbild, tenacity
3.7. Zeitverständnis
1. Vergangenheit als fixierte Geschichte, symbolisierbar2. Gegenwart als einzige Stelle der Interaktion unter relativer Kontingenz
3. Zukunft nur symbolisiert
3.8. Strukturen (Gedächtnis und Verbreitug in Raum und Zeit) -- Prozesse (Interaktion und Strukturbildung, -dissipation)
1. relative (nominale) Distinktion2. notwendige (reale) Differenz
3. Rolle der Gedächtnisformen in den 3 Evolutionen
3.9. Raum-zeitliche Kontingenzen
3.10. Affinitätsgrade
4.1. Genesenetze als Strukturenbildung und -auflösung4.2. Strukturen als Semionen
4.3. Prozesse als Semiosen
4.4. Symbole als Spezialfall von Semionen
4.5. Symbole und Semionen als types und tokens
1. Konzeptionen des Allgemeinen und des Singulären2. Die Rolle des realen Allgemeinen
3. Zusammenspiel des Allgemeinen mit dem Singulären
4.6. Die 3 Bezugsweisen
1. indexisch oder Singularitätsverweis2. ikonisch oder Strukturähnlichkeit
3. symbolisch oder arbiträrer Verweise
4.7. Interpretations vs. Produktionssemiose
4.8. Triadische Relative
4.9. Semiosen und Semionen
4.10. Bedingungs-Wirkungszusammenhang (evolutive Verursachung)
4.11. Semiotive Welt (statt subjektive und objektive)
5. Funktionskreis- oder Ökosemiotik
5.1. von Uexkülls, Herders, artspezifische Umwelt5.2. konkreter Funktionskreis
5.3. Funktionsspirale
5.4. Bewegtwerden Ð Reorganisieren Ñ Bewegen
5.5. Der semiosische Pfeil
5.6. Die semionische Struktur
5.7. Das zeitliche Wechselspiel zum evolutiven Prozess
5.8. IntrO-Semiose, entsprechend Rezeption, Perzeption
5.9. IntrA-Semiose, entsprechend den intrapsychischen Grundprozessen
5.10. ExtrO-Semiose, entsprechend dem Handeln
5.11. ExtrA-Semiose, entsprechend dem kulturellen Prozess ausserhalb der Person
5.12. Der semiotische Funktionskreis
6.1. Methodologie, Methodik und Methoden6.2. Konstruktives Verfahren (vs. Insuläres Verfahren)
6.3. Was tun die Forscher semiotisch gesehen?
6.4. Semiotik als Sachverhaltsbeschreibung und als Erkenntnisverständnis
6.5. Einblicke in die Sachverhalts-Semiosen
6.6. Forscher-Semiosen ExtrO und IntrO
6.7. Transformations-Semiosen
6.8. Forschung in evolutiven Systemen als Darstellung der Optionen und ihrer Bedingungen
7. Kulturpychologie oder -ökologie
7.1. Kommunikation, semiotisch eine Doppelsemiose ExtrOÐIntrO7.2. Das Ineinandergreifen verschiedener Funktionskreise in Gemeinschaften
7.3. Konstitution von Person und Kultur
7.4. Freiheit und Sekundärsysteme
7.5. Indexikalität oder Aktualisierung im Erleben
7.6. Ikonizität oder Vorstellungen
7.7. Symbolizität oder Sprache
7.8. Konsistenz und Kohärenz oder Identität und Selbst
7.9. Vierfache Transaktionalität
1. Zur Geschichte des Problems2. Objektivierung dort draussen des Subjektiven da drinnen: Bewegen oder Werk (ExtrO)
3. Objektivierung da drinnen des Subjektiven dort draussen: Ordnen oder Kognition (IntrA)
4. Subjektivierung dort draussen des Objektiven da drinnen: Wählen oder Wert (ExtrA)
5. Subjektivierung da drinnen des Objektiven da drinnen: Bewegtwerden oder Emotion (IntrO)
7.10. "Verteilte Seele"
8.1. zB Farbenökologie8.2. zB Musikpsychologie
8.3. zB Wohnpsychologie
8.4. zB Kulturpsychologische kooperative Forschung
9. Autonomie-Integrations-Regulation
9.1. Bedingungen der Erhaltung von Ökosystemen9.2. Konstitutiver, modulativer und regulativer Wandel
9.3. Evolutiv-reale vs. zweckhaft-nominale Funktionalität
9.4. Aktivation oder Grade der Chaotisierung
9.5. Interaktion oder Behauptung im und Festigung des Verbands
9.6. Kultivation
10.1. Sachverhalte und Sachverhaltsverhältnise10.2. Perspektivität der Sachverhaltsverhältnisse
10.3. Idee der Demokratie
10.4. Vom Möglichkeitssinn
10.5. Verantwortungsethik
Psychologie Ñ Wissenschaft des 21. Jahrhunderts? (Abschiedsvorlesung) DI 23.6. 18:15, HG Hs. 31
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