Alfred Lang

University of Bern, Switzerland

Book Chaper 1992

Kultur als "externe Seele":

eine semiotisch-ökologische Perspektive

1992.01 

CuPsy @SemEcoPro @Act @PhiSci

57 KB @  Last revised 98.10.25

Pp. 9-30 in: Christian Allesch; Elfriede Billmann-Mahecha & Alfred Lang (Eds.) Psychologische Aspekte des kulturellen Wandels. Wien, Verlag des Verbandes der wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs. [1]

© 1998 by Alfred Lang

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Inhalt

Inhalt 


"The presence of created, along with given, stimuli is in our view the distinguishing feature of human psychology."

Vygotsky, zit. nach Wertsch 1985:27.

 

Vorbemerkung: Der Vortrag wurde in Form von 15 Thesen und Erläuterungen gegeben. Aus Raumgründen können die Thesen hier nur verkürzt wiedergegeben, ihr Sinn nur aspekthaft und referierend vermittelt werden. Es dürfte das Verständnis erleichtern, wenn vorweg festgestellt wird, dass hier eine Konzeption des Psychologischen gesucht wird, die weder in der naturwissenschaftlich-nomothetischen noch in der geisteswissenschaftlich-reflektiven Tradition verortet werden sollte. Denn Kultur und Kulturwandel sind weder materiell noch geistig zu fassen. Anstrengungen, den Folgen des Cartesianismus zu entkommen, sind seit geraumer Zeit in manchen Disziplinen festzustellen. Auch wenn man meinen könnte, die Psychologie sei als Wissenschaft durch einen Leib-Seele-Dualismus überhaupt erst begründet, scheint mir seine Überwindung und Aufgabe in dieser Disziplin besonders wichtig. Denn im Menschen in seiner Kultur kommen Gegebenes und Geschaffenes, das wir traditionell als materiell oder geistig fassen, zusammen. Damit könnte die vornehmste Aufgabe dieser Wissenschaft die Übernahme einer Brückenfunktion sein, anstatt sich, wie sie das in anderthalb Jahrhunderten als empirische Wissenschaft getan hat, ebenfalls zweizuteilen.

Ich bitte um Verständnis dafür, dass es im verfügbaren Raum nicht möglich ist, meine Erwägungen in die Literatur zum Thema einzubinden, und damit die gewichtigen Anteile von bedeutenden Vordenkern von meinen eigenen bescheiden-kühnen Spekulationen gebührend zu abzuheben. Weiterführende Literaturangaben wurden bevorzugt.

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I. Zu einigen allgemeinen Voraussetzungen

(1) Kultur in der Psychologie: Psychologie ist auf Menschen in ihrer Umwelt, dh in Kultur und Natur, hin anzulegen.

Ich vermisse die Kultur als konstituierenden Bestandteil psychologischer Erkenntnis in fast der gesamten wissenschaftlich-psychologischen Literatur. Dass sie in der psychologischen Praxis eingeschmuggelt wird und in einigen wenig diskutierten Ansätzen vorkommt, macht die Sache nicht besser. Ich bedaure auch, wenn mit dem Ausdruck "Kulturpsychologie" vielleicht der Eindruck geweckt wird, die Fragen der kulturellen Einbettung des Menschen könnten in einer besonderen Teildisziplin behandelt werden. Eine ernst zu nehmende Psychologie muss die kulturelle Konstituiertheit des Menschen ebenso grundlegend verstehen wie die biologische. Alle Spezialisierungen sollten auf einem solchen Hintergrund erfolgen.

Mein hier skizziertes kulturpsychologisches Denken ist überwiegend konzeptueller Art, doch ebenso stark auf Empirie angelegt. Die derzeitige Priorität folgt aus der Einsicht, dass es wenig Sinn hätte, wollte der Kulturpsychologe die sammelnde, beschreibende, ordnende, deutende und übertragende Arbeit der Kulturwissenschaften von den Gesellschafts- bis zu den Kunst- und Ideenwissenschaften, zwar mit stärkerem Akzent auf den Menschen, aber möglicherweise dilettierender Kompetenz in den entsprechenden Feldern, wiederholen. Wichtiger ist für mich die Erarbeitung geeigneter Konzepte und Methoden für die Zusammenarbeit von Psychologen mit Kulturwissenschaftlern.

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(2)Perspektive von aussen her: Erkenntnis ist notwendig perspektivisch, dh eine Sicht auf die Welt. Es empfiehlt sich, Psychologie von aussen her zu betreiben, damit alles, was psychologisch existiert bzw. aufeinander einwirkt, in gleicher Weise begriffen werden kann.

Psychologische Erkenntnis ist bezüglich ihrer Perspektivität besonders heikel; denn ihr Erkenntnisbereich fällt mehr als in anderen Wissenschaften mit ihren Erkenntnismitteln zusammen. Überdies kann kein System seine eigene Umwelt selber beobachten, da es ja diese Umwelt mitkonstituiert und durch sie mitkonstituiert ist. Daher empfiehlt es sich, Psychologie von aussen her, dh von ausserhalb des interessierenden Individuums, zu betreiben. Nur so können in ihren Horizont der Mensch und seine Umwelt gleichberechtigt eintreten und in ihrem Verhältnis zueinander untersucht werden. Die zentrale Frage ist, zu beschreiben und zu verstehen, wie Teile der Welt -- durchaus in unserer Sicht -- aufeinander wirken, und nicht, wie sie auf uns wirken. Wir sollten uns endlich auch in der Psychologie von dem Vorurteil zu befreien versuchen, dass die durch unsere direkten Erkenntnismittel gestiftete Einteilung der Welt auch die für die Welt selbst relevante sei.

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(3) Ökologische Einheit oder M-U-System: Ökologisch heisse Psychologie, wenn sie eine begriffliche Rekonstruktion von Mensch-Umwelt-Systemen oder ökologischen Einheiten unternimmt, welche das handelnde Individuum, dessen Umwelt und deren wechselseitige Konstituierung (als Person und Kultur) und deren gemeinsame Entwicklung umfassen.

Lebewesen (oder analoge Entitäten wie Organe oder soziale Systeme) und ihre Umwelten sind nur relativ zueinander zu fassen. Da weder das eine noch das andere dieser Teilsysteme einfach gegeben ist, sondern beide sich wechselsetig prozesshaft konstituieren, muss man Mensch-Umwelt-Systeme (M-U-Systeme) stets auch in ihrem Wandel verfolgen. Die bedenklichste Folge der cartesianischen Subjekt-Objekt-Spaltung im abendländischen Denken liegt wohl darin, dass man meinte, zwischen Individuum und Welt eine feste Grenze voraussetzen zu können, obwohl eine solche Unterscheidung durch das epistemische Subjekt selber erst gestiftet wird.

Wenn ich vomhandelnden Individuum spreche, so unterstelle ich einen unspezifischen Handlungsbegriff, der von reflexartigen einfachen Akten der Orientierung und Behauptung bis zu langfristig angelegten Tätigkeiten reichen kann. Mit definitorischen Festlegungen wie derjenigen der neueren Handlungstheorien würden wir unser Bild der Welt voreilig fixieren. Ob so etwas wie Zielorientiertheit, und in welchen Fällen, vorkommt, muss Ergebnis, nicht Voraussetzung, der wissenschaftlichen Analyse sein. Handlung soll allgemeiner relational verstanden werden: auf Umwelt bezogen und Umgebung bzw. Welt verändernd.

Anderseits versuche ich Ausdrücke wie Welt, Umgebung und Umwelt so strikt wie möglich zu verwenden: Welt verweist auf das Insgesamt des Vorfindbaren, von dem der Findende stets auch ein Teil ist, nicht zuletzt in der Rolle desjenigen, der bestimmt, wie Welt "gedacht und gemacht" werden kann. Umgebung oder Weltoberfläche für jemanden meint das potentiell für ein Individuum oder Teilsystem wirklich Vorhandene; es ist wirklich, insofern es darauf einwirken, mit ihm wechselwirken kann. Umwelt meint etwas viel Spezielleres, nämlich das vom Individuum mit seinen Auffassungsmöglichkeiten tatsächlich Vorgefundene, das auf ihn gewirkt hat, wirkt und das er bewirkt, als Aktualität oder als Inbegriff. Alle drei Ausdrücke brauchen immer einen Index: wessen Weltkonstruktion, wessen Umgebung oder Umwelt?

 

Abbildung 1

 

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(4) Funktionskreis in vier Schritten: In M-U-Systemen wirken ein personales oder internes und ein umweltliches oder externes Teilsystem wechselweise in der Zeit aufeinander ein. Dadurch erfahren relativ stabile interne und externe Strukturen systematische Veränderungen.

In erster Annäherung kann man den Austausch zwischen den Teilsystemen Person und Umwelt als einen Informationswechsel bestimmen. Die Psychologie situiert sich dergestalt analog zur Untersuchung des Stoff- und Energiewechsels durch die organismische Biologie. Jakob von Uexkülls Funktionskreis (1906) steht an der Wurzel dieser ökologischen Auffassung. Nur das kann Umwelt eines Lebewesens sein, was es bemerken und bewirken kann.

In Fortführung dieses Ansatzes lässt sich der Funktionskreise jedoch in vier Abschnitte unterteilen, die im Laufe der Existenz eines M-U-Systems unter Veränderung der zugrundeliegenden M- und U-Strukturen viele Male durchlaufen werden. Jeder der vier Schritte im einzelnen Kreis führt von einer momentan stabilen Struktur über eine prozesshafte Umstrukturierung zur relativ stabilen Struktur des nächsten Schrittes (vgl. Abbildung 1).

 

(1) Aus der Innenstruktur (oder psychischen Organisation im traditionellen Sinn) führt Handeln zu einer Veränderung der Aussenstruktur Umwelt bzw. Umgebung. (2) Als Welt unterliegt die Aussenstruktur ihren eigenen Veränderungsprozessen, sei es durch allgemeine Naturkräfte, durch Wirkungen anderer Lebewesen oder durch Handlungen von andern, insbesondere in einer Kultur. (3) Von diesen Aussenstrukturen führen Wahrnehmungsprozesse zu Veränderungen der Innenstruktur. (4) In der Innenstruktur selbst kommt es zu eigengesetzlichen Veränderungen, die wir mit kognitiven und motivationalen Prozessen, dem Gedächtniswandel und der Entwicklung der Person in Verbindung bringen.

Nun hat die Psychologie im allgemeinen darauf verzichtet -- von Ausnahmen in der Entwicklungs- und der Sozialpsychologie abgesehen -- den Funktionskreis als einen sich schliessenden, obgleich spiralig fortschreitenden, zu behandeln. Sie hat sich in der Regel in der systematisch-empirischen Arbeit auf drei seiner Glieder beschränkt: auf Reiz und Wahrnehmung, auf "Blackbox" oder eigentlich Psychisches, sowie auf Reaktion oder Handlung, letzteres ohne viel Beachtung von deren Wirkungen auf die Welt.

Die Kultur in die Psychologie einbringen heisst für mich, den Funktionskreis zu schliessen: alle seine vier Glieder zu berücksichtigen, oder zu verstehen versuchen, wie Innenstrukturen auf Aussenstrukturen wirken und umgekehrt.

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(5) Offene M-U-System-Entwicklung: Im M-U-System treffen und wirken teilautonome Gebilde (Person, Natur, Kultur) historisch aufeinander und bedingen somit in die Zukunft offene Entwicklungen des Gesamtsystems.

Die Einsicht setzt sich immer mehr durch, dass Determinismus-Annahmen nur für abgeschlossene Systeme gelten können. Das Aufeinandertreffen zweier solcher Systeme hat Folgen, die aus keinem der beiden allein und auch aus der Summe der beiden nicht vollständig bestimmt sind. Dies gilt erst recht für offene Systeme wie Individuum und Umwelt. Damit sind herkömmliche Kausalerklärungen ebenso wie Finalvorstellungen für aus teilautonomen Gebilden zusammengesetzte Systeme unzureichend. Denn Einwirkungen und Änderungen von Innen- wie von Externstrukturen sind durch stofflich-energetische Prozesse zwar notwendig, aber infolge des offenen Systemcharakters nicht hinreichend bestimmt. Und Zweckursachen, die dem M-Teilsystem zugeschrieben werden können, mögen zwar die Richtung des evolutiven Geschehens beschreiben können, vermögen aber der potentiellen Zufälligkeit der einzelnen M-U-Begegnungen nicht standzuhalten.

Denn jede Begegnung von konkreten M und U resultiert in einem prinzipiell neuen konkreten Dritten, nämlich einem gewandelten M oder U. Damit sind Begegnungen von M und U einmalig und begründen einen je einmaligen historischer Prozess, dessen Geschichte bis zur Gegenwart zwar angenähert beschrieben werden kann, über dessen künftigen Verlauf jedoch nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich sind (Lewin, vgl. Lang 1992).

Wie können wir dieses wechselseitig offene Einwirkungsgeschehen fassen? Gefragt ist eine Begrifflichkeit, die beiden Teilsystemen ihren Einfluss sichert, ohne doch einem der beiden einen Vorrang einzuräumen, weder einen (kausalen) von M nach U, noch einen (finalen) von U nach M.

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(6) Die Semiose als Dreifachrelation: Das Geschehen in jedem der vier Funktionskreis-Schritte kann semiotisch als logisch unteilbare Dreifachrelation dargestellt werden, welche eine Referenz oder Quelle, eine Interpretanz oder Vermittlung und eine Repräsentanz oder Darstellung der Dreifachrelation einschliesst. Ökologische Einheiten werden aufgefasst als komplexe Zeichenstrukturen, die bei vorherrschender Konstanz in ständigem Wandel des Auf- und Abbaus von transienten bis lebensüberdauernden Teilstrukturen begriffen sind.

Die Semiotik ist ein ähnlich heterogenes Bündel von untereinander wenig oder nicht kompatiblen Ansätzen wie die Psychologie. Ich versuche mit Beispielen eine für die Beschreibung des Informationswechsels und der Entwicklung in ökologischen Einheiten geeignete Semiotik einzuführen. Dabei greife ich hinter die weithin üblich gewordene kommunikationstheoretische Auffassung der Semiose (zB von Moris) auf die dreistellige Logik von Charles S. Peirce zurück (vgl. Peirce 1982, 1986; Lang 1991, i.V. a und b).

Dyadische Semiotik (Semiologie), in der ein Zeichen ein Objekt oder eine Idee darstellt, behält etwas vom allgemeinen epistemischen Subjekt bei. In einem Wörterbuch oder einer Enyklopädie verweisen die Wortzeichen auf ihre zugeordnete Bedeutungen und/oder Referenten. -- Man stelle sich aber den Benutzer mit dazu vor. Im allgemeinen Interesse darf man hoffen, dass er die Wörter "richtig" auffasst und entsprechend gebraucht. Man darf aber in des Benutzers eigenem Interesse auch hoffen und wünschen, dass er seineeigene Bedeutung der Wörter erwirbt; denn nur im Kontext seines schon gegebenen und weiterentwickelten Wissens kann ein Wort gebraucht werden und zu Wirkungen kommen.

Das erste exemplifiziert dyadischen Semiotik; sie hat einen normativen Beiklang und entspricht einem alten, heute relativierten Wissenschaftsideal. Das zweite verweist auf triadischeSemiotik, von der die dyadische einen Spezialfall darstellt. Hier verweist ein Zeichen auf die Relation zwischen einem Objekt und einer verarbeitenden Instanz; oder genauer: hier konstituieren sich ein Zeichen, ein Objekt bzw. Referent und eine Deutung wechselseitig. Vielleicht fördert ein Vergleich der Begriffe Signifikation und Kommunikation das Verständnis:

(a) Ein Zeichen bedeutet etwas, es hat eine Signifikation: dyadisch festgelegt, nützlich bis tödlich. Je fester die Verbindung des Zeichens zum Bezeichneten gedacht wird, desto eindeutiger wird jede Abweichung davon zum Missverständnis, dh zum Fehler.

(b) Ein Zeichen erlaubt jemandem, der über geeignete Auffassungsmöglichkeiten verfügt, seinen Verweis auf eine Quelle aufzunehmen und weiterzuführen; damit "kommuniziert" es oder vermittelt und schafft und stellt Bedeutung zur Weiterverarbeitung dar. Dabei bestimmt das Zeichen sein Objekt und seine Deutung ebensosehr wie das Objekt das Zeichen und die Deutung oder die Deutung das Objekt und das Zeichen bestimmen. Die Übereinstimmung des vom Hersteller des Zeichens Gemeinten mit dem vom Empfänger Übernommenen ist eine Sache des Grades und sogar der Art. Missverständnis ist möglich, aber ob ein bestimmtes Aufnehmen fehlerhaft ist oder ein kreativer Akt, erweist erst die Zukunft.

Was ein Zeichen vermag, ist eine Sache weder seines Objekts noch seines Subjekts, die damit verbundene Erkenntnis also weder objektiv noch subjektiv, sondern sozusagen keines von beidem und beides zugleich. Denn jedes Zeichen verkörpert logisch eine unteilbare Dreifachrelation: Referenz oder Quelle, Interpretanz oder Vermittlung, Repräsentanz oder Darstellung. Prozesshaft verkörpert es in einem Dritten (REP) die Begegnung von zwei Entitäten, einer Verfügbar-Abgebenden (REF) und einer Aufnehmend-Verarbeitenden (INT). Die zweistellige Zeichenrelation ist ein Sonderfall der dreistelligen; man abstrahiert von der Variabilität der Interpretanz, setzt eine bestimmte Interpretanz absolut. Man lasse sich durch das berühmte "semiotische Dreieck" von Ogden & Richards und seine Vorläufer und Nachfahren nicht täuschen, da es faktisch nur die Addition von zwei Dyaden darstellt (vgl. Eco 1987).

Als ein weiteres Beispiel das Handheben: ein physikalisch-chemisch-topographisch beschreibbarer Vorgang, vielleicht als Ursache-Wirkungs-Zusammenhang von neuronalen Vorgängen der Signalübermittlung und der energetisch-chemischen der Muskelfaser-Kontraktion "aufklärbar". Seine Bedeutung als Winken, Aufmerksammachen, Stopzeichen oder Gruss etc. bekommt es aber erst in Kontexten, zu denen jeweils gerade drei Korrelate unterscheidbar und unverzichtbar sind: ein Anlass zum Winken etc. (Ref), ein moto-neuronisches Steuerungsprogramm zur Hand (Int), der physische Vorgang des Hebens (Rep); oder der physische Vorgang des Hebens (Ref), jemand, der das Winken perzeptiv aufnehmen (Int) und als Winken etc. verstehen kann (Rep). Im ersten Fall haben wir es mit einem externalisierenden Handlungsvorgang, im zweiten mit einem internalisierenden Wahrnehmungsprozess zu tun.

Peirce bezeichnete solche triadische Zeichenprozesse als Semiose. Damit ist ein allgemeines Verursachungsprinzip für Vorgänge zwischen Systemen und Systemteilen beschrieben, dem strengen Kausalitätsbegriff der Naturwissenschaften komplementär und ein aussichtsreiches Konstituens von psychologischen Genesereihen (Lewin, vgl. Lang 1992, i.V a und b).

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(7) Semiotische Heuristik: Ökologische Einheiten sind nicht in Funktion ihrer Wirkungen auf den Betrachter, sondern als semiotische Wirkungszusammenhänge innerhalb der ökologischen Einheit selbst zu erfassen.

Semiotiker verfallen leicht der Neigung, Zeichen als Gegenstände ihrer Beobachtung auch als Objekte im beobachteten System zu verstehen. Sinnvoller scheint es, die triadische Zeichenrelation als eine Heuristik einzusetzen, um im Gegenstandsbereich gerade jene beobachtbaren Gebilde aufzusuchen, welche Konstituenten der Zeichenrelation bzw. des Zeichenprozesses ausmachen. Gewiss sind Referenzen, Interpretanzen und Repräsentanzen notwendig stets auch physische Gebilde oder Strukturen, prinzipiell als solche aufzeigbar; durch ihre semiotische Verbindung haben sie aber gerade keine Bedeutung als selbständige Gebilde, sondern immer nur in semiotischen Bezügen. Insofern sie Bedeutungen darstellen, Deutungen durchführen und entsprechende Wirkungen hervorrufen, haben sie auch den Charakter dessen, was man traditionell "geistig" nennt. Man verfehlt sie aber gründlich, wenn man sie entweder materiell oder geistig auffasst; sie sind eben semiotische Gebilde. Ob sie in den Individuen oder in deren Umwelt anzutreffen sind oder beides überspannen, ist nur methodisch, nicht aber begrifflich bedeutsam.

Gewisse Wahrnehmungstheoretiker behaupten, die perzeptive Einheitenbildung folge den natürlichen Einheiten. Aber sie führen ihre Experimente mit kultürlichen Gebilden durch. Kein Wunder dass Reize und Reaktionen Einheiten in re sind, denen die Einheiten in perceptio und in reactione folgen, weil sie von mit dem Figur-Prinzip getränkten Psychologen hergestellt bzw. arrangiert worden sind. Hier rächt es sich, die Kultur für Natur zu halten und damit wohl beide zu verleugnen. Aber die Zirkularität dieser gepriesenen oder verdammten Psychonomie ist deshalb nicht geringer als die der Introspektion und der verbal-reflektierenden Betrachtung.

Die semiotische Betrachtung stiftet also Suchbilder für die Semiose-Konstituenten. Jede Gegenstandsbeschreibung in der Psychologie sollte triadisch-semiotisch gemeint sein und triadisch-semiotisch durchgeführt werden. Denn die zusammen wirkenden Teilgebilde sind erst durch ihre Wirkungen untereinander zu bestimmen. Da wir wissen, dass unsere perzeptiv-kognitiven Systeme Gegenstandseinheiten auf ihre eigene Weise ausscheiden, müssen wir uns genau davon frei machen, indem wir uns für jene Einheiten sensibilisieren, welche die Semiosen selber bestimmen. Das wird dadurch nicht behindert, dass wir es sind, die Betrachter, welche solche Suchbilder aus ihren Wirkungen auf uns identifizieren, solange wir solche Wirkungen und Strukturen in ihrem Wechselspiel untereinander mit kontrollierten und durchgängigen, dh in allen Teilbereichen gleichartigen, Erfassungsmitteln angehen. Das gilt für die Begrifflichkeit wie für die empirische Methodik.

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II. Zum semiotischen Funktionskreis Mensch-Umwelt

(8) IntrO-Semiose oder Wahrnehmung (A): Das wahrnehmende Zusammentreffen eines Individuums mit seiner Umgebung zu einer bestimmten Zeit hinterlässt in aller Regel im Lebewesen eine kürzer oder länger andauernde Formation oder Struktur (wir nehmen an: überwiegend im ZNS), welche Aspekte der aktuellen Quelle oder Referenz der Wahrnehmung zusammen mit Aspekten der aktuell wahrnehmenden Systeme oder ihrer Interpretanz zeichenhaft darstellt.

Im Prozess der Wahrnehmung wirkt ein Weltteil auf mich, den Wahrnehmenden. Aber offenbar nicht ein-eindeutig; denn ich wirke mit. Von der Quelle sind Wirkungen ausgegangen, aber die Wirkung ist weder eine Abbildung der Quelle noch eine solipsistisch-monomane Eigenfiktion, sondern etwas Neues, Drittes, die Repräsentanz des Zusammentreffens von Quelle und Perzeption. Das Ergebnis jedes Wahrnehmungsprozesses, von aussen her betrachtet, verweist nicht nur auf das Wahrgenommene, sondern zugleich und nicht wirklich trennbar auf den Wahrnehmenden.

Mit Referenz wird auf die äussere Quelle der Wahrnehmung verwiesen. Verkürzt spricht man vom "Reiz"; nämlich unter Missachtung der Tatsache, dass ein Reiz stets als Teil einer umfassenderen Situation oder Weltoberfläche auf ein Sinnesorgan einwirkt und mithin genau schon seine Ausscheidung als "Reiz" eine aktuelle Wahrnehmungsleistung voraussetzt. Der Wahrnehmungspsychologe darf nicht seine eigene Wahrnehmung in die Versuchsanordnung einbringen, ohne diesen Bestandteil des Experiments präzis zu thematisieren.

Interpretanz heisse das diese seine Weltoberfläche in Ausschnitten interpretierende wahrnehmende System. Das reicht vom Medium (Licht, Schall, Druck, Geruchsstoff, etc.) über das Sinnesorgan (Auge, Ohr, Haut etc.) bis zu den neuronal-humoralen Teilen des Zentral-Nervensystems, welche in einem solchen Prozess aktiv werden. Operational ist das nur approximierbar, nicht abgrenzbar. Die involvierten ZNS-Teile schliessen nicht nur die laufenden Einstellungen der Sinnesorgane ein, sondern auch alle angeborenen und erworbenen Möglichkeiten, wie sich dieses zentrale Organ überhaupt verhalten kann. Natürlich ist diese ZNS-Aktivität physikalisch-elektrochemisch approximativ beschreibbar (das ist ein Euphemismus!); aber das gilt ja auch für den Reiz. Und die Wahrnehmung betrifft weder das eine, noch das andere, noch die Summe von beiden zusammen, wenn wir uns an die alte Regel halten, das Ganze sei etwas anderes als die Summe seiner Teile.

In diesem Ganzen wäre mithin ein Drittes logisch unterscheidbar, genannt die Repräsentanz oder das Zeichen im engeren Sinn. Semiotisch-prozesshaft verstanden ist Repräsentanz das, was aus dem Zusammenwirken von Referenz und Interpretanz resultiert: das Perzept. Semiotisch-logisch gesehen stellt es die "Bedeutung" des Zusammenwirkens dar, repräsentiert sie für neue Verfügbarkeit, und ist insofern ein Zeichen im engeren Sinn, das die Bedeutung "vertreten" kann. Aber man sollte besser sagen: die Bedeutung ist die Dreifachrelation oder das Zeichen im weiten Sinn, und durch dessen Repräsentanz ist sie verfügbar, kann sie weiterwirken.

In vertrauter Terminologie, doch semiotisch gewendet: Information steckt, triadisch gesehen, nicht in den Gebilden, weder im Bezeichneten noch im Bezeichnenden. Man muss sie vielmehr herausholen. Je nach dem, wie man sie herausholt, wird sie verschieden sein. Geometrisch, chemisch, botanisch durch die Biene oder mit Liebe beschrieben wird die Blume je ganz andere Information erzeugen. Information ist zwischen den Gebilden; ein Gebilde (in-)formiert oder strukturiert ein anderes.

Halten wir fest: ich beschreibe Wahrnehmung als (IntrO-)Semiose. Sie hinterlässt im Wahrnehmenden in aller Regel eine kürzer oder länger andauernde Struktur, welche die aktuelle Quelle der Wahrnehmung zusammen mit den aktuell wahrnehmenden Systemen zeichenhaft darstellt. In der Folge können wir mit Peirce die psychische Organisation in Teilen und insgesamt als ein komplexes Zeichen rekonstruieren

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(9) IntrA-Semiose oder dynamisches Gedächtnis oder (interne) psychologische Organisation (B):Auf der Grundlage der genetischen Ausstattung wird im Laufe vieler perzeptiven Vorgänge eine organisierte Struktur aufgebaut, die das Potential hat, sich laufend und systematisch zu verändern.

Alle Psychologie kreist um Bildung und Wirkung eines solchen "Zeichensystems" in den Individuen, das Wirkungen aus der Umwelt ausgesetzt ist und solche in die Umwelt setzt. Diese interne Struktur ist denn auch die Bedingungsgrundlage aller Handlungen der so konstituierten psychologischen Person. Auch konstituiert sie gemäss der triadischen Semiose-Konzeption alle weitere Wahrnehmung mit. Schliesslich gibt es gute Gründe zu Annahme, dass auch innerhalb dieser Stuktur selbst "spontane", dh nicht aus Wahrnehmungen resultierende, Veränderungen vor sich gehen: das sind die psychologischen Prozesse im engeren Sinn, von denen uns Aspekte als Psychisches, zB als Fühlen, Denken, Bewerten, Planen u.a.m. erlebnisgegenwärtig sind und phänomenologisch beschrieben werden können.

Merkwürdig ist, dass die Psychologie für dieses ihr zentrales Konstrukt keine allgemeingebräuliche (theoriefreie) Bezeichnung kennt. Alle Behelfsnamen betonen Sonderaspekte: "Gedächtnis" wirkt zu statisch, ebenso "Erkenntnisstruktur". "Schema", "semantisches Netz" oder " Skript" sind zu speziell, "Person" zu allgemein und zu speziell. Kurt Lewin hat die Bezeichnungen "Lebensraum" oder "psychologisches Feld" vorgeschlagen, was aber die Marke einer bestimmten Theorie trägt. Freuds Gebrauch des Ausdrucks "psychische Organisation" kommt der Sache fast am nächsten, unterscheidet aber nicht ausreichend zwischen Phänomen und Konstrukt, so dass ich auf der Konstruktebene den Ausdruck (interne) "psychologische Organisation" verwende.

Dieses kognitiv-motivationale Binnensystem repräsentiert nicht die Umgebung, sondern stellt nur in gewisser Hinsicht die Umwelt des Individuums dar, genauer, die psychologische Organisation nimmt auf eine der Art und dem Individuum eigene Weise auf die Welt bezug. Dabei darf dieses Darstellen oder Repräsentieren nicht dyadisch verkürzt werden. Die psychologische Organisation begründet gestalthaft (als ein sich selbst organisierendes System) die relative Einheitlichkeit, die relative Konstanz und die relative Eigenständigkeit (relative Weltunabhängigkeit) der Person. IntrO- und IntrA-Semiosen konstituieren mithin in der Ontogenese ein Superzeichen, welches dem cartesianischen Subjekt korrespondiert, aber im Unterschied zu diesem nicht a priori gesetzt wird.

Denn was ich unter IntrO-Semiose oder hineinwirkenden Formierungen beschrieben habe, ist die Logik der ontogenetischen Erfahrungsbildung, welche auf die zu jeder Zeit wirksamen Möglichkeiten des Innensystem aufbauen. Die jeweiligen Referenzen kommen als Bedingungen aus der Umgebung zur Wirkung, die jeweiligen Interpretanzen und Repräsentanzen sind als Subsysteme im Lebewesen zu denken und zwar derart, dass Komponenten einer Repräsentanz in späteren Semiosen zum Bestandteil von deren Interpretanzen werden können, seien dies IntrO- oder IntrA- oder ExtrA-Semiosen. Damit haben wir ein selbst-organisierendes und selbst-referentielles System semiotisch rekonstruiert, aber auch ein in seine Umgebung offenes, seine Umgebung mitbestimmendes und mithin auch sich selbst wie seine Umwelt entwickelndes System beschrieben.

Mit geringer Anpassung ist diese Konzeption übrigens auch auf die phylogenetische Gedächtnisbildung, also die Formierung von Strukturen wie Organismen und Genom mitsamt ihrem Verhaltenspotential, anwendbar (vgl. auch Lang 1988). Die Betrachtungsweise ist somit gültig für Biogenese wie für Ontogenese; ich komme auf ihre Bedeutung für das psycho-soziale Gedächtnis und den kulturellen Wandel zurück.

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(10) ExtrO-Semiose oder externe Strukturbildung oder Handlung (C): Auch Handlung lässt sich semiotisch als die Dreifachrelation einer aktuellen Binnenstruktur als Referenz (phänomenologisch: Orientiertheit, Vorstellung, Absicht etc.), einer aktionalen Vollzugsstruktur als Interpretanz (phänomenologisch: Plan, Motorik, Sprache, raumzeitliche Situiertheit und Verhaltensmöglichkeiten) und einer externen Struktur als Spur des Aktes oder Repräsentanz beschreiben.

Denn ähnlich wie Wahrnehmung hinterlässt auch das aktionale Zusammentreffen eines Lebewesens mit seiner Umgebung jeweils eine Spur: diesmalin der Welt selber, auch sie flüchtig oder andauernd. Einige dieser Akte haben, wie die Orientierungsakte, eher eine instrumentelle Funktion für die Eingangsseite oder formieren unmittelbar das raumzeitliche Verhältnis zwischen M und U. Andere erzeugen in der Welt Strukturen, die wiederum mit anderen Strukturen dort, selbst- oder fremderzeugten, in Zusammenhang stehen und dergestalt also Teil eines mehr oder weniger kohärenten U-System bilden. Funktionell sind diese externen Strukturen der internen psychologischen Organisation analog. Ich nenne darum die Kultur provozierend die "externe Seele". Moritz Lazaraus sprach in Anschluss und Abhebung von Hegel -- aber cartesianisch gefangen -- vom "objektivierten Geist".

Ich fordere also dazu auf, die Welt des Menschen betrachtend die gewohnte Figurbildung -- hier Organismus und Subjekt Mensch, dort Umgebung oder Objekt "Kultur": beide völlig verschiedenen Wesens -- aufzugeben und einmal durchzudenken, was für Folgeeinsichten entstehen, wenn man interne und externe Strukturen -- bei allen sonstigen Unterschieden -- in gleicher Weise analysiert und so das Feld von Mensch und Umgebung sich neu strukturieren lässt. Entwickeln wir eine psychologische Konstruktion, welche M und U insgesamt als gegliedertes System betrachtet und nicht präjudiziert, was da Wirkungen bedingt und was dort Wirkungen empfängt. Schauen wir in dieses System hinein, natürlich zwingend mit unseren Analysemitteln, aber ohne deren Vorurteile.

Akte (als Einheiten von Verhalten, Handeln, Tätigkeiten) von Menschen oder Lebewesen erzeugen in deren Umgebung Strukturen, die später ihrerseits -- natürlich auf Wegen über die Wahrnehmung -- wiederum deren Handeln bestimmen, das eigene und überdies dasjenige anderer. Jetzt könnte sich die semiotische Auffassung auszahlen. Sie erlaubt nämlich im Unterschied zu allen psychologischen Denkgewohnheiten, Wahrnehmung und Handlung in die gleiche Begrifflichkeit zu fassen. Die Semiotik im Anschluss an Peirce bietet genau die erforderlichen Voraussetzungen.

Akte haben ihre unmittelbare Quelle zweifellos in aktualisierten Innenstrukturen. Diese können ihrerseits stark aussenaktualisiert sein wie etwa beim Reflex, der mit reduzierten Innenstrukturen in peripheren Sektoren des ZNS auskommt; aber auch da bekommen sie ihren Charakter aus der Innenstruktur. Sie können, das ist von der Wirkung her gesehen bedeutsamer, kombiniert aussenaktualisiert und innenbestimmt sein wie beim Instinkt (Auslöser und Vollzugsprogramm) oder bei allen Orientierungsakten (visuell Fixieren, Hinhorchen, Betasten, sich zu einer interessanten Weltstelle hin oder von ihr weg Bewegen etc.). Oder sie können, und das ist für die Entwicklung noch wichtiger, ohne erkennbar-eindeutigen äusseren Auslöser nahezu oder ganz von Innenstrukturen her bewirkt sein; aber auch dann sind sie in ihrem Verlauf von Aussenstrukturen her mitbestimmt. Die unmittelbare Bedingung aller Akte ist jedoch stets eine früher aufgebaute Innenstruktur, welche Weltwissen impliziert und Motivationslage verkörpert.

Semiotisch-prozesshaft verstehen wir diese Quelle eines Aktes als seine Referenz. Die Möglichkeit seines Vollzugs ist seine Interpretanz. Der Niederschlag des Vollzugs in der Welt ist seine Repräsentanz, weil die aus jedem Akt resultierende Struktur in triadischer Relation zu ihrer Quelle und ihrem Vollzug steht. Die Interpretanz oder der Vollzug eines Aktes ist nicht immer leicht zu umschreiben, während es für die Repräsentanz verhältnismässig einfacher ist. Der Aspekt der Referenz von ExtrO-Semiosen fordert mich auf, die interne Quelle eines Aktes so vollständig wie möglich und nötig zu spezifizieren. Verbale Beschwörungsformeln (wie Trieb, Bedürfnis, Ziel, Absicht) genügen da so wenig wie der Aufweis von aktiven Trägerprozessen (wie EEG-Desynchronisation oder erhöhter Umsatz im Stirnhirn), obwohl beides Einblickfensterchen zum Gesuchten sein mögen.

Man stosse sich nicht daran, dass einige Akte nur eine sehr flüchtige Spur erzeugen, die gleich vorüber ist. Auch Schall zB ist eine kleine Weltveränderung, vorübergehend, aber zeitlich nicht kürzer in der Ewigkeit als ein Hausbau räumlich im All. Wie die Physiker Ruhe als Grenzfall von Bewegung sollten wir flüchtige Repräsentanzen als Grenzfälle von Strukturbildungen auffassen, also konzeptuell gleich damit umgehen. Wir wissen bei den inneren Strukturbildungen ja nicht, ob alle oder nur einige Vorgänge etwas Überdauerndes hinterlassen.

Jene aus Reihen von Akten von Menschen resultierenden Repräsentanzen -- also das aussen Ausgelesene und Plazierte, Veränderte, Hergestellte, Gestaltete, Gebaute, Gemachte --, vertreten Verbindungen von Referenzen mit Interpretanzen -- also von etwas Innerem mit etwas, das sich von innen nach aussen erstrecken muss. Die Repräsentanzen ihrerseits sind etwas Äusseres, Teil der wirklichen, dh wirken könnenden Welt. Sie bilden die Grundlage der Kultur, indem sie als Träger von Rückverweisen auf Menschen von den Menschen wieder aufgenommen werden können, von den zeichenproduzierenden selber wie von anderen.

Auch manche Tiere bauen oder verändern aktiv ihre Umgebung im Zusammenhang mit Vital- und Sozialfunktionen; aber im wesentlichen sind die Bauprogramme instinkthaft festgelegt, wenngleich situativ angepasst. Auch bei Lebewesen, welche wir nicht als kulturbildende verstehen, finden sich also äussere Repräsentanzen ihrer aktiven Begegnung mit der Welt. Obwohl die unmittelbaren Bedingungen von Instinkten über den Umweg von Variation und Selektion ins Genom eingangen sind, ist es unmöglich, Instinkte ohne ihre externe Komponenten zu verstehen. Dass auch der Körperbau selbst solche Funktionen tragen kann -- man denke etwa an die funktionelle Verwandtschaft von Ei, Uterus, Brutbeutel, Vogelnest, Kinderbett und -stube u.dgl. -- zeigt im übrigen die Relativität der Scheidung von aussen und innen.

Ich habe hier einen umfassenden Kulturbegriff unterstellt; manchmal ist es sinnvoller, von Kultur spezifischer erst dann zu sprechen, wenn die Externalisierungen sich von ihren inneren Entstehungsbedingungen ablösen und gewissermassen eine eigene Entwicklung zeigen, dh wenn bei aller Abhängigkeit von, doch unter relativer Auswechselbarkeit der handelnden Personen, die innere Verwandtschaft von Gruppen von Repräsentanzen darauf zurückzuführen ist, dass spätere von früheren bestimmt sind. Im einen wie im anderen Fall können wir mit Peirce auch die Welt, zumindest in der von Menschen kulturell überformten Aspekten, in Teilen und insgesamt als ein komplexes Zeichen auffassen.

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(11) ExtrA-Semiose oder das Geschenen in der externen"Seele" oder Kultur (C):Funktionell gesehen ist es einerlei, ob eine Person ihre künftige Handlungsgrundlage in Strukturen im oder am Organismus oder ausserhalb inkorporiert. Diese verschiedenartigen "Gedächtnisse" zeigen je spezifische Vorzüge und Nachteile. Externe Strukturen sind für personale Systeme bedeutsam und für soziale Systeme unverzichtbar.

Aussenstrukturen steuern das Handeln im Prinzip ebenso differenziert, effizient, freilich indirekt über Wahrnehmung und die interne psychologische Organisation. Nun erfahren solche Zeichen unabhängig von dem sie produzierenden Individuum ihrerseits Veränderungen. Für ihre spätere Wirkung ist es unerheblich, ob dies durch rein physische Bedingungen erfolgt oder ob andere Angehörige eines sozialen Systems daran beteiligt sind. Das zweite ist allerdings unerlässlich für die Bildung eines gemeinsamen Externsystems, das wir mit Kulturen verbinden. Den Urhebern der Zeichen sowie allen anderen Teilnehmern sind diese Zeichen prinzipiell verfügbar, indem sie daran ihre neuen, eigenen Funktionskreise knüpfen können. Durch ihre Wahrnehmung lassen sie nicht nur den jeweiligen Zeichenträger, sondern mit ihm zugleich ein Bedeutungssystem wirken. Hinter und mit den kulturellen Gegebenheiten stehen und wirken viele Generationen von personalen und objektalen Begründern des externen Zeichensystems, dessen Existenz so fortwährend sich verändernd weiterwirkt.

Man kann also prinzipiell auch externe Vorgänge, die vom interessierenden Individuum unabhängig draussen in der Welt selber geschehen, semiotisch auffassen, jedenfalls immer dann wenn andere Lebewesen, insbesondere Artgenossen, an der Veränderung der Dinge beteiligt sind, sei es direkt durch Handeln oder indirekt durch Programmierung in eigentätigen Zeichensystemen. Damit beschäftigen sich im wesentlichen die Kulturwissenschaften, insofern sie Ordnungen und Entwicklungen der Kultur herausarbeiten. Inwieweit sie dabei auch psychologisch denken sollten oder müssten, ist eine Frage, der hier nicht nachgegangen werden kann.

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(12) Einheit von Person und Kultur: Die ökologische Einheit wird zum Person-Kultur-System, insofern die internen wie die externen Strukturen Kohärenz oder Systemcharakter aufweisen und notwendig aufeinander bezogen sind. Weder Person noch Kultur existieren oder wirken separat.

Es besteht kein Grund die internen und die externen Strukturen einer ökopsychologischen M-U-Konstruktion prinzipiell verschieden zu behandeln, wie wir es gewohnt sind. Zumindest funktionell sind sie trotz ihrer strukturalen Verschiedenheit weitgehend analog. Entscheidend ist jedoch, dass eine Person nur denkbar ist, insofern Inhalte ihrer psychischen Organisation auf externe Gegebenheiten verweisen, dh Wahrnehmungen und Handlungen mit Aussicht auf Passung anleiten können. Auch Kultur bedarf der Personen, denn wo keine Person die Angebote der Objekte und Räume aufnimmt, dh sie zu Dingen und Orten macht, bleiben sie bedeutungslos, wenngleich nicht wirkungslos (vgl. Lang 1991, i.D. 1992).

Das impliziert jedoch nicht, dass man die Innenwelt als eine direkte (symbolische) Repräsentation der Aussenwelt betrachten muss, so wenig wie wir sinnvollerweise das umgekehrte annehmen können. Es sollte vielmehr deutlich geworden sein, dass ich mir das (interne) dynamische Gedächtnis als eine Struktur eigenen Charakters in jedem Individuum vorstelle, ähnlich wie Lewin den Lebensraum konzipierte. Da diese aber unter Einfluss der umgebenden Welt gebildet worden ist und als Grundlage für die Auseinandersetzung des Individuums mit der realen Umgebung dient und mithin fortwährenden Korrekturen unterliegt, ist sie nicht ohne Weltbezug.

Umgekehrt dürften auch die Aussenstrukturen, als unter Mitwirkung der Innenstrukturen hergestellte Kultur, wesentliche Züge von diesen aufnehmen. Es mag Kulturdinge geben, deren Bedeutung sich durch ihre physischen, insbesondere topographischen Eigenschaften sozusagen von selbst geltend macht. Der Zaun, die Mauer, die Maueröffnung, das Laufgitter sind Beispiele dafür. Aber in ihrer faktischen Realisierung sind sie stets kulturell überarbeitet. Schon das Fenster oder die Tür in der Öffnung sind Kulturdinge, welche in den mit ihnen umgehenden Personen ein spezifisches Wissen voraussetzen. So muss von den meisten Kulturdingen oder Zeichen gelernt werden, wozu sie gut sind.

Kurz, es besteht nicht nur Austausch zwischen aussen und innen, sondern eine starke verbundeneParallelisierung. Sie führt dazu, dass Kulturdinge ihr Bedeutungspotential nur dann zur Geltung bringen können, wenn sie von einer Interpretanz aufgenommen werden, welche wesentliche Züge mit jener Interpretanz gemeinsam hat, die ursprünglich das Kulturding erzeugt hat. Und umgekehrt sind Inhalte der psychologischen Organisation kaum denkbar ohne Verweis auf Aussendinge. In Phantasien, Träumen, Halluzinationen u.dgl. mögen die Inhalte mit einer gewissen Beliebigkeit neu kombiniert werden, aber ohne ständigen Rückbezug auf die reale Welt ist keine Person möglich. Im Konzept des Behavior Setting bzw. Behavior Object hat Roger Barker diese doppelte Bestimmtheit der Kulturdinge eingefangen. Der Drugstore oder das kulturpsychologische Symposium sind Situationen, die sowohl von den physischen Gegegenheiten wie von Teilnehmer-Kompetenzen her beschrieben werden müssen. Für Menschen ohne Sozialisation in Sachen Ökonomie oder Wissenschaftsbetrieb sind diese Situationen sinnleer.

Eigentlich gibt es nur methodische Gründe, die konzeptelle Einheit von Person-Kultur-Systemen in interne und externe Strukturen aufzuteilen. Meine Betonung der externen Strukturen könnte wie ein Feldzug gegen die Beschäftigung mit den internen Strukturen erscheinen. Das ist, abgesehen von Hinweisen auf die Schwierigkeiten, mit den internen Strukturen umzugehen, nicht mein Ziel. Es ist jedoch methodisch viel naheliegender und leichter, die Aufmerksamkeit auf die beiden vermittelnden Semiosen Wahrnehmung und Handlung zu richten und auch die Semiosen innerhalb der Kultur selbst nicht zu vernachlässigen. Die Binnenstruktur ist als eine psychologische Konstruktion durchzuführen: gerade so viel Teile wie nötig und so wenige und so einfache wie möglich.

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III. Zu einigen Nutzanwendungen der semiotischen Ökologie

(13) M-U-Wandel: zeitliche Dialektik zwischen internen und externen Strukturen

Mit dem semiotisch-ökologischen Funktionskreis ist ein viergliedriger "Aufbau-Werkzeug-Baustein" konstituiert, der sich für jedes Individuum und seine Umwelt als Geschehensdifferential spiralig wiederholt und dabei nicht nur einen für jede Person einmaligen Weg durchläuft und in Person und Welt einmalige Strukturen hinterlässt, sondern dennoch für Personengruppen aller Grösse und Art eine je gemeinsame Kultur hervorbringt. Der Funktionskreis ist zugleich Instrument und Produkt seiner Geschichte. Insofern seine Hervorbringungen in sein weiteres Produzieren eingehen können, ist er ein selbstreferentielles System. Jedes seiner vier Glieder kann semiotisch in gleicher Weise begriffen werden. Denn jede Semiose schafft in ihrem Milieu (Interpretanz) aus bestehenden Zeichen (Referenz) neue Zeichen (Repräsentanz), in und als Person wie in und aus der Kultur.

Obwohl die semiotisch-ökologische Konstruktion die Separierung der Person von der Kultur funktionell aufhebt, bestehen natürlich strukturell bedeutsame Unterschiede zwischen den internen und den externen Strukturen. Sie zeigen nicht nur unterschiedliche räumliche Verteilungsmerkmale, sie reproduzieren sich unterschiedlich, weisen im Durchschnitt unterschiedliche Kohärenzgrade auf u.a.m. Ich habe die Unterschiede bisher nicht hervorgehoben, weil mir das Anliegen, Kultur und Psyche aufeinander zu beziehen, vordringlicher scheint als ihre Separierung.

Als besonders wichtig erweist sich die unterschiedliche Zeitlichkeit. Zeitlichkeit von Gebilden äussert sich in der Leichtigkeit ihres Wandels. Psychologische Organisation des hohen Differenziertheitsgrades, den wir bei Menschen antreffen, ist sehr leicht wandelbar, wenn wir sie ins Verhältnis setzen mit physischen Gebilden wie Körperbau, Gebirge, Werkzeuge, Häuser und Städte. Aus der Dialektik unterschiedlicher Zeitlichkeiten begründet sich Entwicklungsdynamik, die dem Kulturwesen Mensch über die inhärenten Reifungsprozesse hinaus eine lebenslange und bloss im Rahmen der sozialen Zugehörigkeit eingeschränkte Entwicklungsfähigkeit verleiht (vgl. auch Lang 1988, i.D.1992).

M-U-Systeme, in der Zeit betrachtet, stellen sich in dieser Perspektive als genetische Reihen von Geschehensdifferentialen dar, den kleinstmöglichen Einheiten sinnvoller psychologischer Betrachtung (vgl. Lang 1992). Der Entwicklungsgesichtspunkt ist aus dieser Konzeption gar nicht wegzudenken. Wahrnehmung und Handlung vermitteln in triadischer Relation fortlaufend zwischen internalen und externalen Strukturen; kulturelle und psychologische Prozesse im engeren Sinn tragen ihrerseits zur Spezifizierung der Richtung des Entwicklungsgeschehens bei.

Ohne die relative Selbständigkeit der beiden Teilsysteme Person und Kultur, mithin der relativen Widerständigkeit des einen gegen die Veränderungsimpulse aus dem andern, gäbe es keine Entwicklung. Man versteht vielleicht diesen Gedanken aus der Analogie zur Darwinschen Theorie der Bioevolution: dass die Variations- und die Selektionsfunktion an zwei verschiedenen Gebilden ansetzen, dem Genom und dem Organismus, die obwohl aufeinander bezogen, ihre je eigene Existenz haben, ist der Schlüssel zum systematischen Wandel (vgl. zB Mayr 1988). Der semiotische Funktionskreis impliziert in jeder seiner vier Phasen die Herstellung von Strukturen (Variation, dh neue Repräsentanzen-Referenzen), die in der Folge aufgenommen und in weiteren Semiosen fortgeführt werden können oder nicht (Selektion durch Interpretanzen).

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(14) Psychosoziale Regulation: Eigenheit und Zugehörigkeit

Der semiotisch-ökologische Funktionskreis beschreibt die Möglichkeit der Einflussnahme von Individuen aufeinander (einschliesslich auf sich selbst) auf dem Wege über externe Strukturen. Der Vollzug solcher Einflussnahme kann als psychosoziale Regulation verstanden werden. Infolge der relativen Eigenständigkeit der beteiligten Strukturen wird konzeptuelle Zirkularität vermieden, die allen Erklärungsversuchen droht, welche die Bedingungen von psychischen oder sozialen Zuständen oder Prozessen allein in den individuellen oder sozialen Systemen selbst suchen. Gleichzeitig wird aber in einer solchen Perspektive auch vermieden, dass psychische und soziale Systeme als reine Anpassungen an ihre Aussenbedingungen verstanden werden. Auch in der Evolutionstheorie wird ja zunehmend deutlich gesehen, dass das Anpassungsaxiom durch so etwas wie ein Eingeständigkeitsaxiom des Lebewesens komplementiert werden muss. Solche Konzeptionen sind möglich, ohne dass man dem Vitalismus verfällt (vgl. Mayr 1988).

Die semiotisch-ökologische Perspektive ist damit geeignet, die traditionelle Subjekt-Objekt-Opposition zu relativieren und zur Überwindung der Folgen des Cartesianismus beizutragen. Sie nimmt ein gleichgewichtiges Verhältnis der Teilstrukturen von Lebewesen und Umwelt oder Person und Kultur in den ökologischen Einheiten an. Personen wie Lebewesen überhaupt kommt eine primäre Eigenständigkeit zu, die sie durch lebenslange Kultivation ihrer internen und externen Strukturen sowohl verwirklichen wie durch zu grosse oder zu geringe Anpassung an die Umgebung, dh durch minimale oder übersteigerte Betonung der Eigenständigkeit, aufs Spiel setzen können. Zugleich sind Lebewesen Teile von umfassenden Systemen, welche als Natur und für Menschen auch als Kultur ein gewisses Ausmass an Integration einfordern und dennoch die Autonomie der Lebewesen fördern, durch welche ein einmaliges evolutionäres Abenteuer an Vielfalt geworden ist.

Eine im semiotischen Funktionskreis begründete Konzeption der Regulation von Autonomie und Integration, von Eigenheit und Zugehörigkeit hat sich bei der Untersuchung des Verhältnisses zwischen Menschen und Dingen (Dingpsychologie), der Tätigkeit des Wohnens (Wohnpsychologie) und des städtisch-öffentlichen Lebens (Urbanpsychologie) als fruchtbar erwiesen (vgl. Lang et al. 1987; Lang 1988; Fuhrer 1990; Slongo 1991 und in diesem Band). Eine illustrierende Zusammenfassung dieses Ansatzes könnte etwas lauten: Wenn ich mir eine Wohnung oder ein Haus einrichte, versammle ich eine ganze Menge von Dingen und ordne sie in unserer (gem eint ist ein Satz von Traditionen) und in meiner Weise dergestalt an, dass sie auf längere Frist eine Chance haben, auf mich selbst und meine Wohnpartner und eine weitere Umgebung einzuwirken und unsere gemeinsame Entwicklung zu bestimmen. Natürlich bin ich auch entsprechenden Einflüssen von andern her ausgesetzt.

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(15) Kommunikation: von der Handlung zur Wahrnehmung

Eine solche Konzeption der Regulation von psychosozialen Systemen kann zunächst rein funktionell angelegt sein. Fragt man nach den die Regulation ermöglichenden Prozessen und Strukturen, so erweist sich der semiotisch-ökologische Funktionskreis mit seiner Betonung der personexternen Phase als besonders ergiebig (vgl. Slongo 1991). Der innere Teil des Funktionskreises -- Wahrnehmung, Binnenstrukturdynamik und Handlung umfassend -- stellt, mit unterschiedlicher Intensität erforscht, das herkömmliche Arbeitsfeld der Psychologie dar. Der äussere Teilkreis -- von Handlung über Natur/Kultur zur Wahrnehmung reichend -- ist aber ein auch psychologisch nicht minder gewichtiges Feld. Das erste sollte so wenig allein den weltvergessenen Psychologen wie das zweite allein den menschvergessenen Natur- oder Kulturwissenschaftlern überantwortet werden.

Ohne hier auf Einzelheiten eingehen zu können, sei vermerkt, dass uns der semiotische Funktionskreis zu einem neuen Verständnis kommunikativer Prozesse im allgemeinen geführt hat. Wir betrachten Vorgänge, die üblicherweise als kommunikativ beschrieben werden, als spezielle Fälle von Semiosen. Während weite Teile der gegenwärtigen Semiotik (vgl. zB Posner et al. i.D.) die semiotischen Grundbegriffe aus einem kommunikationstheoretischen Modell zu begründen versuchen, scheint es uns fruchtbarer, Prozesse des zwischenmenschlichen Informationswechsels aus semiotischen Konzepten im Rahmen des Funktionskreises zu entwickeln. Der Grundprozess der Übermittlung stellt sich dann alsSequenz oder Kette von zwei Semiosen, verteilt auf zwei Personen und vermittelnde kulturelle Entitäten,dar. Das gesprochene Wort oder das plazierte Ding einer ExtrO-Semiose beispielsweise wird als Repräsentanz der ersten, der Sender-Handlung, von der zweiten, der Rezipienten-Wahrnehmung, zur Referenz einer IntrO-Semiose genommen, welche zu neuen Internalstrukturen im Rezipienten führt.

Im Unterschied zur herkömmlichen Auffassung lässt unser Konzept der Doppelsemiose offen, ob ein kommunikativer Verband zwischen Sender und Empfänger tatsächlich geschlossen wird; ein solcher wird so wenig vorausgesetzt wie ein fixierter Kode. Kode und Intention, um nur die wichtigsten Problembereiche der Kommunikationstheorien zu nennen, werden mithin nicht als Essentialien, sondern als Akzidentien dieser Vorgänge bzw. allenfalls als Essentialien bestimmter Spezialformen von Kommunikation verstanden (vgl. Slongo in diesem Band). Jede Handlung, was immer ihr an Motiven unterstellt wird, ist wesentlich ein Angebot, an andere und einem selbst, eine Genesereihe in bestimmter Richtung weiterzuführen.

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Schluss

Die Natur, einschliesslich der Mensch, und die Kultur, einschliesslich der Mensch, sind wirklich tief ineinander verbunden. Ernst Boesch (1991) hat diese Einsicht in ein eindrückliches Lebenswerk verarbeitet. Ich verdanke ihm im Grundsätzlichen sehr viel, obwohl ich ihm im Verfahren nicht folgen kann. Doch sollte seine Kurzformelvon der Objektivierung des Subjektiven und der Subjektivierung des Objektiven auch innerhalb cartesianischen Denkens als Wegweiser ernster genommen werden.

Ein Satz von Peirce, mit Lewin und Boesch ihrem drittem Hauptmentor, möge der Rezeption der hier skizzierten Perspektive ein Motto sein: "A philosophical distinction emerges gradually into consciousness; there is no moment in history before which it is altogether unrecognized, and after which it is perfectly luminious" (Peirce 1982, 2:71). Neben erkenntnistheoretischen und wissenschaftsimmanenten Argumenten hat mich freilich auch die Einsicht geführt, dass die Menschen sich mit der Untertanmachung der Erde in eine schwierige Lage gebracht haben. Blauäugig, wie ich bin, möchte ich mit dem ökologischen Denken die Hoffnung verbinden, dass man mit der Umwelt fast von selbst etwas vorsichtiger umginge, würde man in einer Haltung leben, die berücksichtigt, wie viel von unserer Seele eigentlich dort drin steckt.

 

Schriftliche Version des Hauptvortrags am 2. Symposium der Gesellschaft für Kulturpsychologie, Mittersill, 9.-12.5.91 <<<Top of Page

 

Literaturangaben

Boesch, Ernst E. (1991) Symbolic action theory and cultural psychology. Berlin, Springer.

Eco, Umberto (1987) Semiotik: Entwurf einer Theorie der Zeichen. München, Fink.

Fuhrer, Urs (1990) Ortsbindung und die Bedeutung des Zwischenraums (Antrittsvorlesung). Berichte aus dem Psychologischen Institut der Universität Bern, 1990-1.

Lang, Alfred; Bühlmann, Kilian & Oberli, Eric (1987) Gemeinschaft und Vereinsamung im strukturierten Raum: psychologische Architekturkritik am Beispiel Altersheim. Schweizerische Zeitschrift für Psychologie 46(3/4) 277-289.

Lang, Alfred (1988) Die kopernikanische Wende steht in der Psychologie noch aus! - Hinweise auf eine ökologische Entwicklungspsychologie. Schweizerische Zeitschrift für Psychologie 47(2/3) 93-108.

Lang, Alfred (1991) On the knowledge in things and places. (Proceedings of the 1st congress of the Swiss Society of Psychology, Bern, September 1989.) Pp. 76-83 in: Cranach, Doise & Mugny. (Eds.) Social representations and the social basis of knowledge. Bern, Huber.

Lang, Alfred (1992) Die Frage nach den psychologischen Genesereihen -- Kurt Lewins grosse Herausforderung. Pp. 39-68 in: Schönpflug, Wolfgang (Ed.) Kurt Lewin -- Person, Werk, Umfeld: Historische Rekonstruktion und Interpretation aus Anlass seines hundersten Geburtstages. Frankfurt a.M., Lang.

Lang, Alfred (i.D. 1992) The "concrete mind" heuristic -- human identity and social compound from things and buildings. (Symposium Umwelt - Gesellschaft - Person, in Appenberg, 24.-26.5.1989, Geography Dptm. ETH-Z.) Chapter in: Jaeger, Nauser & Steiner (Eds.) Human ecology: an integrative approach to environmental problems. London, Routledge.

Lang, Alfred (i.V. a) Zeichen nach innen, Zeichen nach aussen -- eine semiotisch-ökologische Psychologie als Kulturwissenschaft. (Referate einer Vorlesungsreihe des Collegium Generale im SS 1992.) Kapitel in: Svilar, Maja (Ed.) Welt der Zeichen -- Welt der Wirklichkeit. Berner Universitätsschriften. Bern, Paul Haupt.

Lang, Alfred (i.V. b) Eine Semiotik für die Psychologie -- eine Psychologie für die Semiotik. Positionsreferat, 38. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Trier, September 1992. Kongressbericht. Göttingen, Hogrefe.

Mayr, Ernst (1991) Eine neue Philosophie der Biologie. München, Piper.

Peirce, Charles S. (1982ff.) Writings of Charles S. Peirce: a chronological edition. (30 Volumes) Fisch, Max H.; Kloesel, Christian J.W. et al. (Eds.). Bloomington, Ind., Indiana University Press.

Peirce, Charles S. (1986ff.) Semiotische Schriften. (3 Bände) Kloesel & Pape (Eds.) Frankfurt a.M., Suhrkamp.

Posner, Roland; Robering, K. & Sebeok, T.A. (Eds.) (i.D. 1992) Semiotik: ein Handbuch zu den Zeichentheoretischen Grundlagen von Natur und Kultur. 2 Vols. Berlin, DeGruyter.

Slongo, Daniel (1991) Zeige mir, wie du wohnst, ... -- eine Begrifflichkeit über externe psychologische Strukturen anhand von Gesprächen über Dinge im Wohnbereich. Diplomarbeit, Januar 1991, Bern, Psychologisches Institut der Universität.

Uexküll, Jakob von (1906) Umwelt und Innenwelt der Tiere. Berlin, Springer (2. Aufl. 1921).

Wertsch, James V. (1985) Vygotsky and the social formation of mind. Cambridge Mass., Harvard Univ. Press.

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Summary

Culture as "external mind": a semiotic-ecological perspective. Psychology should consider the basic cultural constitution of man as well as the biological one. A conception of relationship between people and culture is described in 15 theses ranging from philosophy of science to applications. This perspective proposes to study with the same conceptual tools both individuals and their environments as subsystems of one ecological unit and constituting each other as persons and culture in a continuous and open exchange process. This ecological process is conceived as a four-phased function circle elaborated on Jakob von Uexküll's ideas. Each of the four phases is considered to function as a semiosis along conceptions proposed by Charles S. Peirce. Triadic semiosis means structure formation from the encounter of two previous structures. Perceptual and actional as well as mental and cultural processes are then described in the same semiotic construction. Mind and culture prove to be functionally equivalent in their role of saving important information for later use in controlling action and development.

A few consequences of this conception are briefly elaborated, viz. the temporal dialectics between internal and external psychological structures resulting in development; psycho-social regulation, i.e. the attainment of autonomy and integration of individuals and groups; and communication conceived as double semiosis.

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