Alfred Lang

University of Bern, Switzerland

Edited Book Chapter 1998

Das Semion als Baustein und Bindekraft --

Zeit aus semiosischen Strukturen und Prozessen1

 1998.01

@SemEcoPro @Time @GenSem @PhiSci

122 / 148KB + 4 figs.
Last revised 98.10.24

Pp. 73-116 in: Ernest W.B. Hess-Lüttich & Brigitte Schlieben-Lange (Hrsg., 1998) Signs & Time -- Zeit & Zeichen. Kodikas / Code Supplement 24. Tübingen, Narr.

© 1998 by Alfred Lang

info@langpapers.org

Scientific and educational use permitted

Home ||

Inhalt 

 

  • Einleitung
  • 1. Semiotische Ökologie
    • 1.1. Die Welt als evolutiver oder generativer Dialog
    • 1.2. Weder objektives noch subjektives Sein, sondern semiotives Werden
    • 1.3. "Büro 2b", ein Beispiel vom Wohnen
    • 1.4. Genesereihen: Existenz und Erscheinungswandel
    • 1.5. Bioevolution als Modell
    • 1.6. Individualgenese und Person-Kultur-Wandel
    • 1.7. Struktur und Prozess im ökologischen Funktionskreis
  • 2. Elementar-Semiotik
    • 2.1. Semiose als Produktion oder Strukturbildung
    • 2.2. Semiotischer Funktionskreis: ExtrO-, IntrO-, IntrA-Semiose
    • 2.3. Semiotischer Funktionskreis unter Einbezug der Kultur: ExtrA-Semiose
    • 2.4. Das Semion als Basis der logischen und strukturellen Ordnung der Semiose
  • 3. Semiosen als Zeitmacher
    • 3.1. Eigene und affine Zeit
    • 3.2. Die Multiple innere Uhr als semiotive Synthese
    • 3.3. Hörphänomene: dimensionale Vielfalt aus linearem Schwingen
    • 3.4. Eine semiotiv-ökologische Sicht der Zeit
  • Eine Art Zusammenfassung
  • A Kind of Summary


Hier soll eine besondere Form der Semiotik in Grundzügen dargestellt und auf Fragen der Zeitkonstitution und -analyse bezogen werden. Durch Betonung des generativen vor dem interpretativen Aspekt von Zeichenprozessen (Semiose) will sie das triadisch-semiotische Denken von Charles Peirce praktikabler machen. Durch Einbezug des konservierenden und generalisierenden Potentials von Zeichenstrukturen (Semionen) erstrebt sie eine allgemeine Konzeption von vermittelter Verursachung oder Bedingungs-Wirkungs-Zusammenhängen, welche allen Erscheinungen von Entwicklung gerecht werden kann. Diese Semiotik dient insbesondere der Beschreibung des Werdens, des Wandels und des Vergehens von:

* organischen oder organismischen Systemen in ihrem Werden im Austausch mit ihrer Umwelt (Phylogenese, Bioevolution).

* lernenden individuellen Organismen in ihrem erfahrungsbildenden Lebenslauf in ihrer Welt, beim Menschen also Personen in der Kultur (Ontogenese, Individualevolution)

* sozialen Systemen oder Gruppen aller Art in ihrem Werden zusammen mit ihrem Milieu, beim Menschen also von Kulturen und ihren Differenzierungen (Kulturwandel, Kulturevolution).

Entwicklung oder Evolution heisst hier allemal jene systematische, zugleich divergierende und konvergierende, dh geregelte und dennoch ungewisse Veränderung von Systemen in ihren Rahmensystemen, die sich in der Rückschau als historisch einmalig erweist und in die Zukunft offen ist. Evolution ist im Unterschied zur physikalischen Zeit genuin zeitlich; denn sie "kristallisiert" in jeder Gegenwart eine einzige von vielen möglichen Zukünften jedes konkreten Systems in nur eine, seine wirkliche Vergangenheit (vgl. Lang 1997). Auf den genannten drei Betrachtungsebenen lassen sich bei aller manifesten Verschiedenheit überraschende strukturelle Gemeinsamkeiten zeigen. Und wenn die Semiotik unter anderem ein allgemeines Verfahren zur vergleichenden Betrachtung von Wissenschaften sein soll, dann muss sie sich genau beim Unternehmen bewähren, Gemeinsamkeiten von Systemen in Entwicklung herauszuschürfen. In der Tat hoffe ich,

* einen allgemeinen Semiosebegriff in Prozess-Perspektive

* einen entsprechenden Strukturbegriff (das Semion) in Zustands-Perspektive aufzuzeigen

* und dann deutlich zu machen, dass in deren gemeinsamen Perspektive, der Verschränkung der Prozess- und der Struktursicht, die Konstitution von Evolution und von Zeit angelegt ist.

(I) Im ersten Teil werde ich die Grundzüge der semiotischen Ökologie vom Inhalt her darstellen. Der Leitgedanke ist der ökologische Funktionskreis, nämlich die semiosische2 Verkettung von konkreten Lebewesen und ähnlichen Systemen mit ihrer Umwelt in ihrem beidseitigen Wandel.

(II) Im zweiten Teil werde ich meine Konzeption der Elementar-Semiose, den Begriff des Semion und deren Verschränkung skizzieren. Dabei nehme ich auf Peirce bezug und gebe ihm eine, bei ihm zwar angelegte, aber im allgemeinen wenig geläufige Deutung, welche den generativen Charakter der Semiose betont.

(III) Im dritten Teil spezifiziere ich die gewonnenen Einsichten auf Fragen der Zeitkonstitution und -analyse und suche so anhand eines von vielen möglichen Beispielen die Fruchtbarkeit dieser generativ-semiotischen Denkweise im ökologischen Funktionskreis aufzuzeigen. Wir sagen gewöhnlich, Entwicklung finde in der Zeit statt, und müssen damit Zeit in einer bestimmten Weise voraussetzen. Die These, jede Entwicklung mache ihre eigene Zeit, findet jedoch zunehmend Unterstützung. Lässt sich diese Vorstellung semiotisch konkretisieren? Kann dies zu einem gründlicheren Verständnis von Zeit führen?

Der vorliegende Text zeigt eine etwas "grosszügige" Abduktion und dient der Einführung in eine neuartige Denkweise. Deduktive und induktive Momente kann ich nur fragmentarisch nachzeichnen, eher in illustrativer als in demonstrativer Absicht (vgl. auch Lang 1992b und 1993a, b und c).

Es ist unvermeidlich, im Folgenden verschiedentlich vertraute Unterscheidungen zu unterlaufen. Damit gehe ich nicht nur Risiken der Ablehnung ein, sondern werde möglicherweise sogar Empörung wecken. Ich möchte daher die Leser bitten, mindestens solange in einem Als-Ob auszuharren, bis die Konturen klarer werden. Die mutmassliche Tragweite meiner Abduktion möchte ich vorab durch einige Thesen andeuten, welche den Lesern vor einem zu engen Verständnis bewahren mögen. Es geht hier um:

[1] Ablösung von gewohnten metaphyischen Setzungen darüber, was ist oder sein soll, durch die Annahme, unser Universum sei durchgängig evolutiv.

[2] Auflösung aller abendländischen Dualismen, insbesondere der Stoff-Geist-Opposition, in einer umfassenden Kontinuitätsannahme. Auch die Prinzipen, welche den Gang wie die Ordnung der Welt bestimmen, und nicht nur diese Ordnung selbst, seien als evolutive Emergenzen zu verstehen.

[3] Ersatz der epistemologischen Antinomien, insbesondere der Subjekt-Objekt-Spaltung durch die Überzeugung, Menschen seien voll und ganz ein "normaler" Teil dieser Welt und "Erkennen" erschöpfe sich im Generieren von Strukturen in und zwischen Organismen, die auf andere Strukturen in und zwischen Organismen bezugnehmen. Das impliziert, dass es im Werden der Welt keine vor allen anderen ausgezeichnete Stellen gibt.

[4] Übergang von einer interpretativen zu einer generativen Semiotik von vermittelten Bedingungs-Wirkungs-Zusammenhängen. Obwohl schon Peirce postuliert hat, "kein Zeichen kann als solches wirken, ausser insofern es in ein anderes übersetzt wird" (1904, CP 8.225n10) hat sich die Semiotik bisher nicht mit der Produktion von Zeichen befasst.

 

Inhalt 

1. Semiotische Ökologie

Semiotik kann abstrakt als eine allgemeine Logik des Werdens von fast allem verstanden werden. Semiose beschreibt Denken oder Interaktion von Symbolen im engeren Sinn ebenso wie die Bildung von konkreten Strukturen wie grossen Molekülen, Lebewesen oder deren Produkte überhaupt. Abgelöst von Inhalten ist Semiose als eine triadische Relation freilich unterbestimmt. Zusammen mit Inhalten ist sie eine dynamische Theorie des Werdens und Wandels insbesondere von Strukturen, welche aus ihrem stofflich-energetischen Bestand allein nicht ausreichend bestimmt sind.

Zuerst möchte ich deshalb eine summarische inhaltliche Darstellung meines primären Entwicklungs- und Anwendungsfeldes dieser Semiotik geben. Es sind dies ökologische Systeme, dh Organismen, als Individuen, als deren Bestandteile oder als Gruppen, im Informationsaustausch mit ihrer jeweiligen Umwelt einschliesslich der kulturellen Umwelten bei Menschen.

 

1.1. Die Welt als evolutiver oder generativer Dialog

Ich halte es für sinnvoll, grosse Teile der Welt als etwas dialogisch Evoluierendes zu verstehen. Jedenfalls mindestens jene Teile, die wir mit Leben in Verbindung bringen, und jene, die darauf gründen wie die Kultur der Menschen. Evolution beruht auf dialogischer Generation: Neues wird unter teilweiser Auflösung von Altem aus Interaktionen zwischen Bestehendem.

Die Idee besagt einfach, dass alles was ist -- insofern und wie wir es bemerken können, natürlich -- geworden ist aufgrund von anderem was geworden ist. Und dass es seinerseits anderes hervorbringt in endlosen Ketten. Besser in endlosen Netzen. Denn es gibt bei diesen Hervorbringungen Verzweigungen und Rekursionen, verschiedenartig Neues und zugleich hohe Kohärenz und Systematik. Diese Idee ist zu präzisieren.

Ein dialogisch-evolutives Weltbild ist in den meisten asiatischen und vielen anderen Kulturen recht selbstverständlich. Im Abendland hat es einen schweren Stand, weil hier früh die Idee aufgekommen ist, man müsse einen Letztbeweger oder einen Letztgrund aller Dinge annehmen, der die Ordnung des Ganzen sichere. Abendländische Kulturgeschichte kann gelesen werden als gewaltsame und trickreiche Durchsetzung des quasi-linearen Determinationsdenkens gegen immer wieder auftretende Vorschläge zum offenen Evolutivdenken.

So haben hier Konzepte wie der eine Gott, das allgültige Naturgesetz, die absolute Vernunft, der Weltgeist, "das" Gute und "das" Schöne, das individuelle Subjekt und viele verwandte Ideen eine merkwürdige, alles überschwemmende Rolle bekommen und beherrschen unser Leben selbst dann noch, wenn wir ihre Problematik längst durchschauen. Mit ihrer Grundform: dieses ist oder tut jenes, spiegeln und tragen die indo-europäischen Sprachen das Determinations- und Festlegungsdenken.

Als Name für den Komplex verwende ich gewöhnlich den Ausdruck "Kartesianismus". (Das ihm damit angetane Stück Unrecht möge M le Chevalier des Cartes de Perron gegen die gewonnene Ehre aufrechnen; vgl. Davidenko 1988.) Die Dualismen von Subjekt und Objekt, von Geist und Materie, einschliesslich der Pseudo-Monismen des sog. Materialismus und des Idealismus, sind zentrale Manifestationen davon. Ich halte die triadische Semiotik im Ausgang von Peirce für die meistversprechende Perspektive zur allmählichen Ablösung dieser Mentalität.

Der Kern der Gegenidee wurde nach einigen tastenden Vorläufern wohl erstmals in erstaunlich umfassender und kohärenter Weise formuliert durch Johann Gottfried Herder. Um 1770 erstmals in aller Klarheit in der Schrift über den Ursprung der Sprache und dann in den verschiedenen Arbeiten zur Philosophie der Geschichte der Bildung der Menschheit. Herder empfiehlt, natürlich in der Sprache seiner Zeit, wir könnten ohne eine besondere Instanz auskommen, weder Divinität noch Natur, die uns die Sprache und andere kulturelle Errungenschaften gegeben habe. Die Menschen hätten solches in evolutiven Dialogen allmählich selber hervorgebracht und alles weitere würde stets darauf weiterbauen. "Schon als Thier hat der Mensch Sprache" lautet der revolutionär-enigmatische Anfangssatz der Sprachschrift. Damit ist insbesondere auch der Weg zu einer natürlichen Erklärung der Diversität der Kulturen und der Geschichte einer jeder von ihnen geöffnet. Herders eigenes Denken beruht natürlich evolutiv-dialogisch auf den Impulsen und Denkfehlern der Aufklärer und den tastenden Versuchen der Gegenaufklärer und scheint in hohem Masse durch das in den alttestamentlichen Schriften dargestellte evolutiv-dialogische Geschehen zwischen dem einen Gott und seinem Volk inspiriert worden zu sein. Denn im Werden dieser Schriften konstituieren einander sowohl Gott wie das Volk gegenseitig und gewinnen schrittweise ihren Charakter (vgl. auch Miles 1996).

Herders Zeit war aber offenbar nicht reif für eine so kühne Idee, jenes bis heute herrschende Weltbild abzulösen, das Plato im Timäus initiiert hat (Meier-Abich 1994). Man hat einen hartnäckigen Rivalenkampf zwischen Naturalismus und Historismus vorgezogen, der bis heute anhält und uns belastet. Naturalismus und Historismus erklären sich zunächst nur je für einen Teil der Welt zuständig, entweder die Natur oder die Gesellschaft der Menschen; doch versuchen die einen wie die andern, ihr Erklärungsmodell auszudehnen und propagieren den physikalistischen bzw.den geistigen oder linguistischen Reduktionismus. Beide vertreten im Prinzip das Vorherrschen von Gesetzmässigkeit in der Welt, müssen aber daran angesichts von unleugbaren Unregelmässigkeiten Abstriche machen. Die eingeführten Hilfskonstruktionen, im einen Fall der "Zufall", im andern der menschliche "Wille" können freilich weder einzeln noch in Kombination überzeugen; dennoch scheinen diese Konzepte weitherum zur Gewohnheit des Denkens geworden zu sein. Das Kantische transzendentale Subjekt mit seiner ewigen Vernunft-Ausstaffierung hat sich um 1800 -- mit oder trotz der revolutionär gewonnenen Freiheiten -- durchgesetzt und beherrscht in abgewandelten Formen das Leben des 19. und 20. Jh. in den subjektiv-individuellen oder den objektiv-allgemeinen Varianten des sogenannten Geistes und der "objektiven" Materie und ihrer mathematischen Darstellung.3

 

1.2. Weder objektives noch subjektives Sein, sondern semiotives Werden

Es scheint, dass die abendländische Zivilisation bis heute von diesen Geistern besessen ist. Wir gaukeln uns eine uns verfügbare Natur vor, obwohl wir von ihr ein fragiles Teil sind. Und wir versprechen uns wechselseitig, vermutlich je nach dem jeweiligen partikulären Nutzen, Handlungsfreiheit oder Gesetzesbestimmtheit, beides überformt mit ein bisschen Zufall oder Willkür.

Das wird uns früher oder später als Individuen und Gemeinschaften zerreissen. Aber wir halten den Widerspruch lange aus; er bietet eben auch Vorteile: mal ermächtigt uns unsere Subjektivität zu jeder Freizügigkeit für den oft schwer einforderbaren Preis von Verantwortlichkeit als Subjekte; mal entlassen uns die Sachzwänge aus jeder Verantwortlichkeit, weil wir den ewigen Gesetzen der objektiven Welt ja nicht entgehen können. Im Pendeln zwischen den beiden Haltungen, im Aufteilen ihrer Prinzipien auf verschiedene Fakultäten, im Verwedeln des Widerspruchs, sind wir Meister geworden. Und wir Abendländer "beglücken" damit den Erdkreis.

Ich halte es für wichtig, diesen Zusammenhang zwischen Weltbild und unserem Verständnis der menschlichen Kondition herzustellen, auch wenn ich meine Auffassung davon hier nur andeuten kann (vgl. auch Lang 1994 / im Druck). Auch die Trennung der menschlichen Belange in Sachzwänge einerseits und Normen und Freiheiten anderseits, maW der Versuch, die ethischen Prinzipien unabhängig von den Sachzusammenhängen zu bestimmen oder umgekehrt, muss als eine Folge der kartesianischen Dualismen gesehen werden.

Dem allem ist etwas entgegenzusetzen. Auch Charles Sanders Peirce hat dies seit 1866 getan und hat allerdings damit bis weit ins 20 Jh. hinein kaum Interesse gefunden. Er wurde nicht nur nicht verstanden sondern sogar am Lehren und Publizieren gehindert; auch noch gegen Ende des 20. Jh. wird er nicht selten nach dem alten Schema umgedeutet. Selbstverständlich verfügt niemand über die gültige Interpretation von Peirce. Das wäre eigentlich auch das letzte, was er hätte wünschen wollen. Was er aber zweifellos anzielte, ist die Ablösung der Einteilung der Welt in eine objektive und eine subjektive.

Eine seiner revolutionären Einsichten betrifft die Natur der Gedanken oder Repräsentationen. Thoughts, sagt er, sind nicht in uns; vielmehr sind wir in Gedanken (CP 5.289n=EP1:42). Für "Gedanken" kann man auch "Zeichen" setzen. Ja, Menschen sind aus Zeichen und in Zeichen, sind selber zeichenhaft. Gedanken sind in ihnen und zwischen ihnen, um sie herum. Wie können wir über die Gedanken in uns erfahren? Nur dadurch, dass wir sie in Gedanken ausser uns umsetzen. Anders sind sie nicht nur nicht zugänglich, sondern eigentlich auch nicht wirksam; sie können in uns leichter mit unseren anderen Gedanken zusammenwirken als ausser uns. So scharf und eindeutig abgegrenzt vom und entgegengesetzt zum Rest der Welt sind wir jedoch nicht, wie wir uns einreden.

Ersetzen wir also die sogenannten subjektiven Welten und die objektive Welt, ob materiell oder geistig, durch die semiotive Welt: die Welt, die in Zeichen existiert und durch Zeichenprozesse wird. Das ist auszuführen.

Vielleicht ist es gut, wenn ich an dieser Stelle anmerke, dass ich den Ausdruck "Zeichen" so weit wie möglich meide, dh nur alltagssprachlich und in Zitat oder Paraphrase einsetze. Wo ich den Bezug markieren möchte, weiche ich auf Ausdrücke wie Zeichenprozess, Zeichencharakter oder zeichenhaft aus. Sensibilisieren möchte ich auch für die ständig zu beobachtenden Objektivierungen einerseits der Zeichenträger, und warnen vor der merkwürdigen Subjektivierung dessen, was Zeichen bedeuten sollen. Zeichenhaft ist alles, was Wirkungen vermitteln kann. Der Zeichenprozess wird am besten als eine allgemeine Verursachungs- oder Bedingungs-Wirkungs-Konzeption verstanden.

Mit "Zeichencharakter" meine ich eher eine Suchvorstellung, eine Heuristik: wenn Du feststellst, dass A eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung von C ist, wenn die Wirkung C der Bedingung A inkommensurabel ist, dann suche doch eine vermittelnde Instanz B, welche mit A zusammen C herbeiführen kann. Die kannst Du dann "zeichenhaft" nennen, egal wo und in welchen Formen und wie vage immer Du sie findest.

Wenn Du mit allen erdenklichen physiko-chemischen Zusammenhangskenntnissen Dir nicht zusammenreimen kannst, dass ein rotes Licht am Strassenrand fast alle Menschen dazu bringen kann ihre tonnenschweren Blechkabinen anzuhalten, dann suche nach einem vermittelnden Dritten. In diesem Fall wirst Du auf zeichenhafte Strukturen im Kopf der Menschen schliessen müssen. Denn der Wirkungszusammenhang funktioniert nicht, wenn so etwas nie dort hineingelangt ist oder wenn es dort durch andere Strukturen unwirksam gemacht, verdrängt oder ersetzt worden ist.

 

1.3. "Büro 2b", ein Beispiel vom Wohnen

Diese etwas allgemeinen Ausführungen waren nötig, um den Horizont abzustecken. Jetzt gehe ich aber ins konkrete semiotive Geschehen. Als Referenz diene ein Beispiel aus unserem Forschungsbereich: Menschen mit ihren Dingen in ihren Räumen. Gemeint ist die semiotive Tätigkeit des Wohnens.

In der Diplomarbeit von Stefan Markwalder (1993) haben wir den beiden Partnern zweier Lebensgemeinschaft je einen Pager und ein Diktiergerät gegeben. Der Pager gab zwei Wochen lang zu zufälligen Zeitpunkten im Durchschnitt nach 25 Minuten ein Zeichen, frühestens nach 10, spätestens nach 50 Minuten. Die Person sollte dann ins Diktiergerät sprechen, was sie gerade tat: wann und wo, mit wem, mit was, in welchem Zusammenhang. Unsere Informanten taten das eifrig und gewissenhaft. Natürlich konnten sie den Pager, zB bei Besuch, ausschalten, taten es aber praktisch nur in der Nacht und wenn sie ausser Haus waren.

Aus den konkreten Momentaufnahmen konnte, ergänzt durch Photoaufnahmen der Lokalitäten durch die handelnden Personen selbst und ein Gespräch mit ihnen zur Hintergrundsbildung und Vorgeschichtenklärung, eine überraschend reichhaltige Rekonstruktion weiter Teile des Wohngeschehens gebildet werden. (Für weitere Forschung in diesem Paradigma sind Forschungsberichte verfügbar und eine grössere Publikation in Vorbereitung.)

Ich greife ein Beispiel heraus. Hans und Silvia, Lokomotivführer und in Garten und Sozialhilfe engagierte Hausfrau, bewohnen nach dem Weggang der Kinder weiter ihr kleines Einfamilienhaus. Im engen Aufgang zum zweiten Stockwerk schimmelte es in einem Schrank. Hans reisst ihn heraus und bringt an seiner Stelle eine Arbeitsplatte an. Dort fängt er an schriftliche Arbeiten zu machen. Und es behagt ihm so gut dort, dass er bald Büchergestelle, Schubladen, Lampe etc. ergänzt und schliesslich in die Dachschräge ein Oberlicht-Fenster einbaut. Er verbringt nun viel Zeit dort. Silvia, die wie Hans ihre eigenen Winkel im Haus hat, ändert allmählich ebenfalls die raum-zeitliche Verteilung ihrer eigenen Aktivitäten. Sie sitzt dann gelegentlich auf der Treppe und der Ort wird ein beliebter Platz zB für Konfliktlösungsgespräche. Aber auch das Zusammen- und das Nebeneinandersein der beiden im Wohn- und im Esszimmer ändert im Gefolge des Umbaus Dauer und Charakter.

Das ist ein Beispiel einer kleinen generativ-dialogischen Evolution dieses Wohnsystems. Sie lässt sich in Grundzügen vielleicht so beschreiben. Ein Vorgang fremder Art (Schimmelpilz) veranlasst eine Handlung von Hans. Deren Ergebnis, die Arbeitsplatte, führt zu neuen und durchaus unvorgesehenen Handlungsgewohnheiten, die ihrerseits Handlungen zu Verbesserung der diesbezüglichen Handlungsbedingungen auslösen und natürlich auch ein ganzes Spektrum von begleitenden Stimmungen und Emotionen bei Hans bedingen. Gleichzeitig setzt aufgrund dieser allmählich erneuerten raum-zeitlichen Handlungsmuster in den neuen Handlungssituationen auch bei Silvia ein entsprechender Verhaltens- und Gewohnheitenwandel ein. Dessen Wirkung ist nicht nur in weiten Teile des Hauses beobachtbar, sondern beeinflusst auch die Art der Beziehungspflege zwischen den beiden und trägt mutmasslich ihrerseits ihr Teil zu weiteren Gewohnheitenänderungen bei Hans bei.

Die vielfältigen Weiterungen, welche die Einrichtung von Büro 2b noch haben wird (die Bezeichnung ist vom Paar selbst), sind in ihren Verästelungen nicht abzusehen. Doch kennen wir solches aus anderen Beispielen und wohl auch aus dem eigenen Leben, finden es jedoch kaum in den Theorien menschlichen Werdens.

 

1.4. Genesereihen: Existenz und Erscheinungswandel

Ich denke aber, wir sollten solche Vorgänge aus ihrer Bedingtheit heraus und im Zusammenhang ihrer möglichen Wirkungen darzustellen versuchen. Etwas im Rahmen seiner wirklichen Bedingungen und Wirkungsmöglichkeiten zu beschreiben, heisst eigentlich auch schon, es zu verstehen oder zu erklären. Die Psychologie hat dazu keine geeigneten Mittel herausgebildet, weil sie die Handlungs- oder Entwicklungsbedingungen langezeit entweder in abstrakten Dispositionen der einzelnen Personen, in kollektiven Normen oder in willkürlich ausgesuchten Stimuli der jeweiligen Situation bzw. in allgemeinen Stimulusklassen gesucht hat. Heute ist zwar weitherum anerkannt, dass solche verschiedenartigen Bedingungen ein System bilden, aber es sind bisher keine durchführbaren Vorstellungen darüber entwickelt worden, wie sie im konkreten Vorkommen zusammenwirken und wie jene genannten nominalen Instanzen reale Wirkungen hervorbringen können. Vermutlich deswegen, weil konkrete Systeme in ihrer Zusammensetzung stets einmalig sind, die Wissenschaftler aber einen allgemeinen Begiff von Systemen anstreben, die mithin eigentlich nur nominale (dh im Kopf und in den Begriffen der Betrachter residierende) Systeme sind. Das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen scheint nicht ausreichend geklärt zu sein.

Entwicklungs- oder allgemein evolutive Prozesse lassen sich in der Tat nicht allein durch allgemeine Gesetze von der Art der Naturgesetze abdecken, weil ja die Bedingungen jeder Phase erst in den vorausgehenden Phasen entstehen, eben auf der Basis dessen, was vorher geworden ist, und also nicht von Anfang an oder gar ausserzeitlich feststehen können. Die meisten antreffbaren Erscheinungen in dieser Welt sind rein stofflich-energetisch gesehen extrem unwahrscheinliche Verläufe und Hervorbringungen. Sie sind nicht nur einmalig und dennoch systematisch, sondern auch irreversibel und überdies nach vorne, in die Zukunft offen.

Es lassen sich denn auch in evolutiven Systemen in keiner konkreten Weise systemübergreifende oder -externe Ziele oder Sollzustände aufweisen, welche das Geschehen eindeutig bestimmen oder regulieren könnten; noch können es Willensakte oder andere biotische oder geistige Instanzen wirklich systematisch steuern, welche unabhängig vom Systemgeschehen selbst aufzuweisen sind. Andernfalls müssten wir das Grundverständnis von Evolution aufgeben, nämlich dass sie sich aus dem Zusammenwirken von unabhängigen Faktoren ergibt. Auch unser bewusstes Erleben dieser Dinge steht in einem weitgehend ungeklärten Verhältnis zum Geschehen selbst. Nicht nur ist es höchst selektiv bezüglich der gesamten unabdingbaren Momente eines Verlaufs; es ist auch höchst punktuell, während die Organisation eines Geschehens, ob Wahrnehmung oder Handlung, Vor- und Rückbezüge auf Früheres und auf Mögliches bzw. Unmögliches einschliesst. Manche Indizien weisen darauf hin, dass das Erleben, da viel langsamer als psychomotorische Prozesse, in manchen Fällen das Geschehen nicht steuern kann, weil es ihm nachfolgt, nachträglich reflektierend oder rechtfertigend (vgl. zB Nisbett & Wilson 1977).

Dennoch handelt es sich um bei allem in der Welt sich Orientieren oder Agieren -- hier also von Menschen mit ihren Dingen in ihren Räumen -- um ein gerichtetes Entwicklungsgeschehen in einem, besser, eines ökologischen Systems. Es würde nämlich schon die Beschreibung entstellen und das Verständnis des Prozesses verunmöglichen, wollte man es etwa auf drei Veränderungsreihen aufteilen, eine von Hans, eine von Silvia, eine (oder gar mehrere) des Hauses und seiner Bestandteile und Einrichtungen. Fokussiert man auf eine ausgewählte von ihnen, so muss man zwingend die andern mitdenken, wie das natürlich in guter psychologischer Praxis, leider aber nicht in der Theorie, geschieht.

Uns interessiert ja, das Geschehen wissenschaftlich auf Begriffe zu bringen und die Begriffe und ihr Zusammenspiel so anzulegen, dass ein Typus generativ-dialogischer Evolution abgedeckt und in concreto methodisch, begrifflich wie empirisch, durchführbar wird. Kurt Lewin hat den Begriff Genesereihen eingeführt für die Forderung, dass Erscheinungen, deren Sosein (Merkmalsmuster) im Wandel erklärt werden soll, auf einem Dasein (Existenz) beruhen müssen, welches sich unter dem Wandel der Erscheinung existentiell durchzieht. Nur aus ihrem Werden können Erscheinungen begriffen werden; darauf beruht in den Naturwissenschaften das ungeheure Potential von Verfahren wie zB von Differentialgleichungen oder Simulationsmodellen. Ein Wandel ohne zugrundeliegende durchgehende Existenz ist aber vielleicht kein Werden, keine Transformation, sondern bloss eine Reihung von Erscheinungen, möglicherweise bloss im Auge ihres Betrachters.

Lewin (1922; vgl. Lang 1992a) hat in überzeugender Weise dargelegt, dass die physiko-chemischen Wissenschaften bezüglich der ihren Begriffen und Methoden zugrundeliegenden Genesereihen völlig andere Existenzannahmen machen als die Wissenschaften vom Leben. Zumindest die klassische Physik macht Aussagen ausschliesslich über abgeschlossene Systeme, aus denen heraus bzw. in die hinein, soweit die Gesetze gelten, nichts Stofflich-Energetisches verloren gehen und nichts dazu kommen kann. Natürlich lassen sich unter Realbedingungen natürliche Systeme aus ihrer Umgebung nicht sicher abgrenzen; so erklären die stofflich-energetischen Naturgesetze in der Wirklichkeit nur, was geschehen kann; was wirklich geschieht, jedoch nur insofern die Randbedingungen des Materiellen keine Rolle Spielen. Kosmologie, Mineralogie, Geologie u.v.a.m. sind natürlich historische Wissenschaften. Würden nun die Biologen gleiche Existenzannahmen wie die nomothetischen Physiker und Chemiker machen, so müssten sie von toten Organismen handeln, da lebende Systeme gerade durch den essentiellen Austausch von Stoff und Energie mit ihrer Umgebung charakterisiert sind, während sich etwas von strukturellem Charakter während der ganzen Lebenszeit von Organismen oder durch die Entwicklung der Arten hindurch als durchgehend existent erweist.

Diese durchgängige Existenz beim Wandel von Erscheinungen begriff Lewin als Genesereihen und stellte die Aufgabe, ihren unterschiedlichen Charakter in den verschiedenen Wissenschaften zu explizieren und zu vergleichen. Seine Leitfrage war: welchen Charakter haben die psychologischen Erklärungen zugrundeliegenden Genesereihen? Er konnte keine klare Antwort finden und musste sich auf die Genesereihen beschränken, welche die Physiker und die Biologen voraussetzen. So bleibt uns die Aufgabe, die Idee der Genesereihe zur Fundierung eines allgemeineren Erklärungsbegriff auszubauen und für andere als physische und biotische Systeme fruchtbar zu machen.

Der Begriff der Genesereihe verlangt nachdrücklich, Verursachungs- oder Bedingungskonzepte nicht bloss auf der Ebene nominaler Denkschemata zu suchen, welche wir über allgemeine Fälle in von uns klassifizierten Vorgängstypen stülpen. Es reicht nicht zu sagen, das Milieu spiele bei der Person- oder Intelligenzentwicklung eine Rolle; und die Verwendung von aggregatstatistischen Angaben täuscht nur darüber hinweg, welche Rolle denn nun welches Milieu bei welchen Personen auf welche Weise wirklich spiele.

Gefordert ist vielmehr eine Bedingungs-Wirkungs-Konzeption für evolutive Prozesse, welche in konkreten Situationen hier und jetzt reale Wirkungszusammenhänge aufzuklären vermag. Deren Natur kann jedoch, wenn es um evolutive und semiotive Gebilde geht, nicht sein: wenn A, dann B, wie bei den physiko-chemischen Existentialreihen. Auch nicht unter nachklassischer Anreicherung: wenn A, dann, unter Beachtung gewisser Zufallsfluktuationen, B. Denn solches kann wohl, wie die Chaos-Theorie demonstriert, allerhand geordnetes Verhalten von aus dem Gleichgewicht gebrachten selbstregulativen Systemen nachvollziehbar machen. Es kann aber nicht deren systematischen, akkumulativ-integrierenden Wandel klären, den wir Entwicklung oder Evolution im allgemeinen nennen und der darauf gründet, dass Veränderungen auch die Bedingungen von Wandel verändern können. Was sich entwickelt, sind eben gar nicht Stoff und Energie, sondern deren Formung: jene Gebilde oder Strukturen, welche die so unwahrscheinlichen Anordnungen von Stoff und Energie darstellen, wie sie in der Lebenswelt vorkommen und ihre im Lauf der Zeit immer neuen Funktionsweisen bedingen. Wissenschaften vom Leben und Kulturellen müssen von Strukturen und ihrem Wandel aus Interaktion handeln.

Um den Tatsachen evolutiven Wandels gerecht zu werden, braucht es in der Verursachungskonzeption ein reales und uns prinzipiell zugängliches Drittes, wie wohl als erster Charles Peirce in aller Klarheit gezeigt hat: wenn A und B, dann C. Und dabei müssen A und B einerseits bestimmte Bedingungen ihres Zueinanders, ihrer Interaktionsmöglichkeiten erfüllen, damit es zu einem wirklich neuen C kommen kann, wie die Idee der Entwicklung es prinzipiell verlangt. Sie müssen anderseits voneinander unabhängig existieren und zusammentreffen können. MaW, sie müssen unterschiedlich aber doch miteinander verwandt sein und sie müssen miteinander interagieren können. Überdies müssen A und B nicht nur konkrete Gebilde sein, sondern eines von ihnen muss einen allgemeinen Charakter haben, wenn es in wiederholten Interaktionen zu ähnlichen Cs kommen soll, welche einmal eingeleitete Genesereihen konsistent fortsetzen, wie es die Idee der Entwicklung verlangt.

 

1.5. Bioevolution als Modell

Das Zustandekommen von Bioevolution wird durch die beiden Prinzipien der Variation und Selektion im Wesentlichen geklärt. Man muss aber den Vorgang etwas detaillierter auslegen. Variation beruht zunächst auf "fehlerhafter" Replikation von Strukturen -- Stoff und Energie können nicht "fehlerhaft" interagieren! --, wobei der "Fehler" als nicht perfekte Replikation in der genetischen Reihung sich als Schöpfungskraft erweist. Die Bedingung des Fehlers, freilich, ist bereits ein minimales Moment jenes Dritten, welches die "lineare" Reihung von notwendigen Schritten in einen Baum von Verzweigungen verwandelt. Die Ausgangsstrukturen müssen in Interaktion mit einem Andern, einem Dritten treten.

Aber Variation als solche bringt nichts Beständiges hervor. Die so entstandenen neuen Strukturen ihrerseits immer weiter zu replizieren, müsste je nach Fehlerrate früher oder später zu unendlicher Vielheit generierter Strukturen führen. Damit jene physiko-chemisch so extrem unwahrscheinlichen und dennoch so erstaunlich metastabilen Strukturen wie Organismen und ihre Teile und Produkte mehr als unendliche Proliferation kausaler Linien sein können, ist wiederum ein Bezug oder Dialog mit etwas Drittem nötig: mit solchen Strukturen, welche die Variationsvielfalt dadurch begrenzen, dass sie einigen aus der Vielfalt grössere, anderen geringere Möglichkeiten weiterer Replikation einräumen: auch Selektion ist also triadischen Charakters.

Bei Varation wie bei Selektion braucht es jeweils zwei Strukturen im Wechelspiel in einem gemeinsamen Milieu, die einander wechselweise in Prozessen vom Typus: wenn A und B, dann C, hervorbringen, nämlich aus dem jeweiligen Milieu herausbilden bzw. darin erhalten. Gesetze vom Typus: wenn A, dann B, schaffen es nicht. Bei der Variation kennen wir mutative und rekombinative Veränderungen des Genoms. Im zweiten Fall treten die beiden haploiden Gensätze auf teils zufällige Weise zum neuen Genom zusammen; im ersten ist ein energetischer oder chemischer Zufallsfaktor eine minimale Zweitbedingung. Bei der Selektion wird der individuelle Organismus viele Male mit Umgebungsbedingungen von mancherlei Art zusammentreffen, woraus er gesichert oder gestärkt hervorgeht und wodurch seine Wahrscheinlichkeit, Nachkommen zu haben, gesteigert, diejenige anderer Varianten jedoch vermindert wird. Variation wie Selektion, sind entscheidend vom Ausmass der Passung mit der konkreten Umgebung bestimmt, in welcher Genom oder Organismus in ihren konkreten Ausformungen jeweils gebildet werden.

Einerseits müssen in beiden Fällen die beiden Ausgangsstrukturen in je unterschiedlichen Ausformungen im gemeinsamen Milieu existieren, weil nur so die ganz besonderen Wirkungen von Variation und Selektion zustandekommen können. Anderseits müssen die beiden Strukturen zueinander ein hochgradiges strukturelles Verwandtschaftsverhältnis aufweisen, wenn die spezifischen Wirkungen über den Effekt roher Kraft hinausreichen soll. (Dass im Grenzfall rohe Kraft sowohl bei der mutativen Variation wie bei der Selektion eine Rolle spielen kann, tut dem Grundsatz keinen Abbruch.)

Konkret: das Genom "weiss" alles Wesentliche über erfolgreiche Fortpflanzung der von ihm mitgebildeten Organismus-Art. Das heisst auch, es "weiss" alles Nötige über deren "normales" Milieu und beider Zusammenwirken. Weil all dies im Genom verkörpert ist und im Organismus eine eigene Ausformung erfährt, hat sich die Art ja gerade so herausgebildet.

Der Organismus enthält in den Keimzellen Genome, die in dem bekannten Milieu gleichartige Organismen mitbilden können. Er verkörpert (!) dieses "Wissen" und setzt es in einer unabhängigen Umgebung der Bewährung aus. Die Bewährung besteht der Organismus und mit ihm der Typus dieses Genoms freilich nur, wenn diese Umgebung dem im Genoms vorgesehenen Genesekontext strukturell einigermassen entspricht.

Dieses Kombinat von Entsprechung und Unterschiedlichkeit lässt sich am besten als Affinität bezeichnen. Strukturell affin sind einander, trotz der völlig unterschiedlichen Erscheinungsweisen, Genom und Organismus wie der Organismus und seine passende Umwelt.

Nun setzt aber das Zusammenspiel der beiden Strukturen ein zweites Moment voraus, wenn mehr als ein Hin und Her bedingt, wenn zum Dialog das evolutive Moment hinzutreten soll.

Wenigstens eine der beiden Strukturen muss dafür so angelegt sein, dass sie die im Dialog errungenen Neuerungen aufbewahren und in der Fortsetzung des Dialogs zur Geltung bringen kann. Bei der Bioevolution ist das ganz klar das Genom, in welchem alle jene Variationen, welche die Selektion überstehen, direkt zum Bestandteil des Genoms in einer Phylogenesereihe werden und es auch bleiben. Dass die Aufbewahrung nicht eine simpel additive ist, sondern mit zunehmender Komplexität auch die Intensität von Querbezügen zwischen älteren und neueren Errungenschaften ansteigt und Wirkungen höherer Ordnung zustandekommen, kompliziert die Sache beträchtlich; dies verleiht ihr sowohl mehr Vielfalt wie auch grössere Kohärenz, macht sie aber wohl nicht grundsätzlich anders.

Auf die Essenz gebracht: das Geheimnis oder die Möglichkeit dialogischer Evolution liegt im Zusammenspiel zweier affiner Strukturen in einem Milieu, von denen wenigstens eine das Ergebnis des Zusammenspiel akkumulativ-integrierend aufbewahren und im weiteren Zusammenspiel zur Wirkung bringen kann. Dass es durch ihr gemeinsames Werden in einem Milieu, durch Ko-Evolution der beiden Strukturen von selbst zur besprochenen Affinität kommt, dürfte einsichtig sein.

Ich habe jetzt das biotische Entwicklungsgeschehen auf der Ebene von Vorgangstypen beschrieben; dergestalt freilich, dass es sich um konkrete Vorgänge in der Zeit handeln muss. Lassen Sie mich noch anmerken, dass mir zwei gängige und bloss allgemeine Redeweisen über diesen Vorgang gleicherweise beschränkt erscheinen: nämlich (a) die Organismen bedienten sich der Gene für ihr Überleben als Art; und (b) die Gene bedienten sich der Organismen als ihre Überlebensmaschinen (Dawkins). Das ist magischer Kartesianismus. In gängigen Redeweisen kann anscheinend alles und jedes ein Subjekt sein. Wenn es nur metaphorisch gemeint sein sollte, dann ist es eine irreführende Metapher. Denn man muss doch sehen, dass die beiden Strukturen einander wechselweise bedingen. Keine hat Primat. Sie tragen einfach unterschiedliche Funktionen ein- und desselben Entwicklungsvorgangs. Auch wenn uns die Entwicklung der Organismen eindrücklicher erscheint, ist in Wirklichkeit die komplementäre Entwicklung des gesamten Milieus auf der Planetenoberfläche, zu der alle Arten beitragen, viel nachhaltiger und tiefgreifender.

Und zweitens wäre es völlig irreführend, wenn man das evolutive Werden einer Species als isolierten Vorgang auffassen würde. Alles geschieht in einem unglaublich vielfältig facettierten Gesamtsystem von symbiontischen und antagonistischen Untersystemen, das wir sehr unzureichend das Milieu oder das Biotop nennen und das eher durch Differenzen von Erscheinungen als durch Charaktere von Substanzen zu charakterisieren ist. Für die Bioevolution stellt das Milieu zur Hauptsache Stoffe und Energie zur Synthese der Strukturen bereit. Was die Selektionsfunktion betrifft, werden freilich auch die spezifischen Formungen der Stoffe und Energien des Milieus relevant; denn es müssen Artgenossen, Beute und Feinde erkannt, Symbionten spezifisch versorgt und günstige und ungünstige Konstellationen des Milieus gesucht oder gemieden werden.

Die Bedeutung des Gesamtsystems von dialogisierenden Strukturen in ihrem Milieu durch die Zeit will ich Ihnen durch den Gedanken nahebringen, dass die Oberfläche unseres Planeten sehr anders aussähe ohne diesen evolutiven "Multilog", den wir Natur nennen und immer noch meistens für gewissermassen gegeben halten. Er ist geworden und ist weiter im Werden. Es hätte an unendlich vielen Stellen alles auch ganz anders laufen können. Beispielsweise ist der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre ein gemeinsames Produkt des Zusammenspiels von assimilierenden und produzierenden Tieren und Pflanzen.

 

1.6. Individualgenese und Person-Kultur-Wandel

Das Modell der Bioevolution lässt sich nun als Denkhilfe einsetzen, um die Ko-Evolution von lernenden Individuen in ihrer Umwelt und, insbesondere, um die Ko-Evolution von Personen in der Kultur zu verstehen. Beachten Sie meine Ausdrücke: als Individuen entwickeln sich ontogenetisch alle etwas komplexeren Tiere; sie werten eigene Erfahrungen in ihrem um- und mitweltlichen Milieu für ihr Fortbestehen und Fortpflanzen aus. Als Personen entwickeln sich Lebewesen, zur Hauptsache Menschen, welche eigene Erfahrungen nicht nur selber verwerten, sondern an andere Individuen im Sozialsystem in einem vermittelnden Verfahren weitergeben, in einer Kultur einander zugänglich machen können, indem sie ihre Umgebung systematisch verändern. Doch ist das nicht als scharfe Opposition zu verstehen, sondern eher als Fortsetzung von umweltgestützten Bindeverfahren im Sozialsystem mit andern Mitteln. Denn systematische Umgebungsveränderungen zur Bestimmung der andern kommen schon auf Stoffwechselebene und besonders durch Instinkte zustande; man denke an Körperformen, Nahrungskulturen, Pheromone, Lautäusserungen, Höhlen- und Nestbau u.a.m.

Wohlverstanden, da gibt es grundlegende Unterschiede zur Bioevolution. Der entscheidende liegt darin, dass jede individuelle Genese wie jeder Person-Kultur-Wandel ein bestimmtes biologisches Gebilde voraussetzt, das wir gewöhnlich vereinfachend als Typus einer Species erfassen. Dessen genaue Beschreibung müsste allerdings seine affine Umwelt miteinbeziehen; denn ohne solche kann es gar nicht existieren, geschweige denn individuell oder kulturell evoluieren. Man denke dabei nicht nur an den Stoff- und Energiewechsel, sondern auch an die auf viele relevante Eigenschaften der normalen Umgebung bestens ausgerichteten Sinnes- und Verhaltenssysteme: an die Korrespondenz zwischen der eigenen raum-zeitlichen Organisation mit den umweltlichen Verhältnissen; an das Umgehenkönnen mit Schwerkraft, mit Mechanik, mit Stoff- und Formvarietäten bei der Nahrungs- und Partnerwahl, mit Vibration beim Hören und Lautäussern im sozialen Verband; an das "sonnenhafte Auge", das in Licht getauchte Umwelt in Farben und Formen und Bewegung darstellt.

Individueller und kultureller Wandel gründen also auf solchen Organismen und ihrer affinen Umwelt. Unter veränderten Verhältnissen werden die evolutiven Prozesse anderen Bedingungen folgen. Aber können wir nicht erwarten, dass bei der Individualgenese und beim Person-Kultur-Wandel jene grundlegenden Prinzipien des strukturgenerativen Dialogs affiner Strukturen und der Aufbewahrung und Nutzung von bewährten Errungenschaften erneut zum Tragen kommen? Auch wenn sich anstelle von Genom und Organismus eine ganz neue strukturelle Basis ihrer Prozesse und ihrer Bildung herausgebildet hat. Dass der kulturelle Wandel den Charakter offener Evolution hat, wird niemand bestreiten wollen. Individualgenetische Entwicklung endet zwar mit dem Tod des Individuums; doch auch sie hat weder ein erfüllbares Ziel noch einen vorhersehbaren Weg.

Suchen wir nach Gebilden in den beiden Bereichen, welche die entsprechenden variativen und selektiven Leistungen erbringen können. Wieder beschreibe ich den evolutiven Dialog auf der allgemeinen Ebene des Typus. Und ich nehme nun jedoch direkter Bezug auf ihr Werden.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass in komplexern Organismen die Herausbildung von Zentralvervensystemen eine entscheidende Voraussetzung für individuelle Entwicklung sein muss. Wie das Genom die Erfahrung der Vorfahren akkumuliert und integriert das ZNS die individuumseigenen "Erfahrungen" als dynamisches "Wissen" und "Können", das später zur Geltung kommen kann, freilich auf eine ebenfalls andere, viel direktere Weise.

Die kleinen Kätzchen lernen z.B. früh im Leben ihre Mutter von andern Katzen unterscheiden; im Spiel erwerben sie das Umgehen mit Mäusen u.v.a.m. Anders könnten sie nicht ohne menschliche Hilfe überleben. Die Instinkte, deren Bedingungen im Genom aufgebaut worden sind, bestimmen und sichern zwar dieses Interaktionsgeschehen und differenzieren damit die Affinität zwischen Kätzchen, Katzenmutter und Umwelt. Aber zusätzlich kommt es nun zu neuartigen Strukturbildungen im ZNS jedes Individuums: das individuelle Gedächtnis als Basis von Können, Wissen, Verstehen, Erwarten usf. Die Affinität zwischen Individuum und Umwelt bleibt erhalten, aber die Lebewesen zeigen zunehmend vielfältigere Variationen zugleich mit Konsolidierungen, je länger sie leben. Sie erwerben, infolge der Interaktion mit der im Fliessen konstanten Umwelt, zunehmende Individualität.

Nicht übersehen sollten wir dabei die vielen kleinen Umweltveränderungen, die das interaktive Geschehen selbst hinterlässt, wie das Trampeln von Pfaden, das Setzen von Duftmarken, der Nestbau u.v.a.m. Der Vorgang ist dennoch zur Hauptsache ein asymmetrischer: die Strukturen der Umwelt bleiben weitgehend konstant bzw. variabel in sich selbst wie im Tages- oder Jahresverlauf; vor allem werden durch den Umgang mit Umwelt die Strukturen im ZNS differenziert und angereichert, analog denjenigen des Genoms, wenngleich in einem ganz anderen Strukturbildungsvorgang. Soweit zur Entwicklung innerhalb individueller Lebensläufe.

Betrachten wir jetzt die noch interessantere kulturell getragene Entwicklung. Zwischen derart individualisierten Lebewesen kann es, wenn sie untereinander in einem gemeinsamen Milieu interagieren, zu Problemen kommen. Je mehr sie über die Instinktbasis hinaus sich individualisieren, je mehr jedes seine eigene Art des Umgangs mit der Umwelt herausbildet, desto mehr werden sie Nachteile beim Zusammenleben dafür einhandeln. Trotz des gemeinsamen umweltlichen Milieus werden deshalb die Affinitäten zueinander tendenziell abnehmen. Solche Risiken bedürfen wohl der Kompensation.

Schlagwortartig sage ich, es kam irgendwann die Stunde in der Menschwerdung, vor ein paar hunderttausend Jahren vielleicht, und immer wieder danach bis heute, wo Sozialisierung der Jungen wie bei den Katzen nicht mehr ausreichte, sondern durch Enkulturation ergänzt werden muss. Was meine ich mit meiner eigenwilligen Opposition der beiden Begriffe, die meist eher parallel gesehen werden?

Sozialisierende Instanzen konzentrieren ihre Bemühungen, den Grad der Affinität der Strukturen im Sozialsystem zu erhöhen, also aus allen anderen Mitgliedern des Sozialsystems hochaffine Partner zu machen, auf jedes einzelne real oder potentiell abweichende Individuum. Dessen ZNS (entschuldigen Sie den Jargon, ich meine einfach diese organismus-internen erfahrungsgebildeten Strukturen welche alles Handeln und weitere Strukturbilden mitbestimmen; das sei ohne Präjudiz über die brauchbaren Erfassungsweisen solcher Strukturen noch gar über deren ontologischen Charakter; bevorzugt spreche ich vom Brain-Mind oder, synonym vom Mind-Brain, weil das seine mentalen und materialen Aspekte zusammenbringt), das Brain-Mind jedes Einzelnen soll so affin wie möglich, die Abweichung für die Sozietät so unschädlich wie möglich gemacht werden.

Enkulturation oder Kultivation geht jedoch einen ganz anderen Weg. Sie baut auf die bedeutende Rolle des gemeinsamen Milieus. Sie induziert Veränderungen in erster Linie der gemeinsamen Umwelt. Natürlich erzeugt sie, in affiner Weise, Umweltstrukturen, die mit Innenstrukturen korrespondieren. Und überantwortet dann die individuelle Entwicklung bis zu einem gewissen Grad den Auseinandersetzungen der Enkulturanden mit dieser kulturellen Umwelt. Das bringt ein unerhörtes Potential an Rückkoppelungen, weil ja die Entwicklung der individuellen Innenstrukturen der Mitglieder einer Gruppe durch diese neuen Aussenstrukturen ungemein angeregt werden. Damit wird leichter so etwas wie komplementäre Ko-evolution von aussen und innen erreicht. In der Tat wirkt ja die eigene Erfahrung beispielsweise einer riskanten Grenzsituation nachhaltiger als hundert Warnungen vor Gefahr.

Sozialisation und Kultivation, die einander im konkreten Prozess durchaus komplementieren, aber auch konfligieren können, sind mithin zwei Strategien zur Sicherung und Erhöhung der Affinität in sozialen Systemen. Natürlich treten sie im Alltag kombiniert auf; aber in unterschiedlicher Gewichtung. Sozialisierung scheint zweier Subjekte zu bedürfen, eines in der Rolle eines Objekts; ist also eher kartesianisch; frustriert sich, wenn sie scheitert, reagiert dann vielleicht mit Wut und Macht. Hat ja oft auch eher traurige Ziele: die Gleichmacherei. Sozialisation sucht gezielten und direkten Einfluss auf die Binnenstrukturen von Sozietätsmitgliedern; Enkulturation tut dasselbe indirekt über die gemeinsame Umwelt.

Kultivation ist leiser und effizienter. Nicht weniger mächtig mit den vielen Dingen, Ködern und Sachzwängen, die sie auslegt. Aber sie hat kein einzelnes Subjekt noch ein bestimmtes Ziel-Subjekt-Objekt. Ein Enkulturierter muss nicht wie ein Sozialisand in Ohnmacht resignieren, nachgeben oder re-agieren, sondern kann "gegen-enkulturieren". Kann seinerseits Dinge in die Welt setzen, welche die andern mitbestimmen. Enkulturation ist wesentlich symmetrischer. Der "Preis" dafür ist das Risiko wachsender Diversität und zunehmender Ab- und Ausgrenzungen. Das kann man wünschen oder zu verhindern suchen, beides mit guten Gründen. Freilich sollte man den Vorgang besser zu verstehen suchen, bevor man mit Gesetz oder Gewalt das eine oder andere durchzusetzen versucht.

Und Enkulturation ist nachhaltiger, zeitlich und räumlich. Viele von den Dingen und Raumstrukturen, die wir durch Gestalten, Bauen, Anordnen in die Welt setzen, überdauern die individuellen Lebensläufe. Und sie wirken jederzeit und langezeit auf viele Personen. Wer Dinge irgendwelcher Art, mit welchen andere interagieren, in die Welt setzen kann und wer deren Vervielfältigung beherrscht, gewinnt Macht in einem Ausmass, wovon sozialisierende Herrschaft nur träumen kann. Wer Kirchen und Städte, Häuser und Strassen, Kleider und Fernsehen macht, bestimmt unseren Tag und unsere Zeit wie kein Imperator mit dem grössten Heer von Soldaten und Pädagogen nicht.

 

1.7. Struktur und Prozess im ökologischen Funktionskreis

Jakob von Uexkülls Funktionskreis-Begriff dürfte unter Semiotikern wenigstens dem Namen nach bekannt sein. Er betrifft das Prinzip, dass jede Species durch die sie charakterisierende Eigenstruktur und deren Funktionieren auf ihre je eigene Art auf ihre eigene Umwelt bezugnimmt und so erst indirekt auf die reale Umgebung oder Welt. Das betrifft sowohl ihre orientierenden (Merkwelt) wie ihre umweltverändernde Bezugnahme (Wirkwelt). Wie es von Uexküll schon angedeutet hat, lässt sich das Prinzip auf die Ontogenese der Person und auf den Wandel in der Kultur ausweiten. Und erweist sich als äusserst fruchtbar.

Nehmen Sie an, dass grundsätzlich jeder Merk- oder Wahrnehmungsvorgang im aufnehmenden System etwas hinterlässt, worauf sofort oder später weitere Prozesse gründen können. Es macht keinen prinzipiellen Unterschied, ob solche Wirkungen eher flüchtig oder andauernd, fixiert oder variabel sind; alle haben sie das Potential, im System jetzt oder später eine weitere Veränderung zu bewirken. Die überdauernden Erfahrungswirkungen, Gedächtnisbildungen sind freilich wohl die entwicklungsbestimmenden.

Das gilt in ähnlicher Weise für die Wirk- oder Handlungsvollzüge. Jeder Akt bewirkt eine kleine "Weltveränderung". Ich meine nicht "Verhalten des Organismus", sondern analog dem Wahrnehmen eine "intentionale" oder bezogene, nämlich handelnde, potentiell auf seine Weise etwas bewirkende Bezugnahme des lebenden System auf die umgebende Welt. Sie kann flüchtig sein wie Lautäusserungen oder Gesten; sie kann andauernder wirken wie Ortsveränderungen des Lebewesens selbst oder von Dingen oder wie Verformung von Dingen in Werken, seien dies Gebrauchsgegenstände, Kunstwerke oder Raumstrukturen. Mit Geräten lassen sich die Wirkungen verstärken bis zum Berge versetzen.

Es geht um Strukturbildungen, die in der Welt etwas hinterlassen, was in neuerliche Wahrnehmungsprozesse, der Handelnden selbst wie von anderen, eingehen kann. Voraussetzung dazu ist, dass diese hergestellten Aussenstrukturen den Innenstrukteren der andern im Sozialsystem ausreichend affin sind. So entsteht die gemeinsame Welt einer Kultur. Ich betone noch einmal die Affinitätsfrage: Aussenstrukturen können nur enkulturierende Wirkungen auf andere haben, insoweit sie Gemeinsames zeigen. Die Kultur ist weder innen noch aussen, sondern überspannt Individuen und ihre gemeinsame, selbstgeschaffene Umwelt.

 

Abbildung 1. Funktionskreisspirale

 

Lassen Sie mich zwei praktische Begriffe einführen (vgl. Abbildung 1):

IntrO für die in Personen oder Teilsysteme hineinwirkenden Prozesse zu internen Strukturbildungen.

ExtrO für die aus Personen oder analogen Teilsystemen hinauswirkenden Prozesse zur externalen Umweltveränderung.

ExtrO-Vorgänge verkörpern Innenstrukturen nach aussen und machen sie damit auch andern zugänglich. IntrO-Vorgänge verkörpern (ebenfalls!) Aussenstrukturen, nämlich in einem individuellen Brain-Mind. Dies freilich auf eine nicht recht bekannte Weise in einer Welt für sich. Diese können wir in gewissen ihrer Erscheinungsweisen biochemisch-neuronal grob beschreiben, in ihrer Wirkungsweise aber nur generell verstehen. Denn entscheidend ist nicht, obgleich unentbehrlich, wie sie biochemisch-neuronal funktionieren; sondern dass sie dort, aktuell oder später, erneut zu Wirkungen ungeahnter Tragweite gebracht werden können. Denn innerhalb des Brain-Mind haben fast alle Strukturen als neuronale Prozesse zum vornherein untereinander einen hohen Affinitätsgrad zumindest in formaler Hinsicht. Diese Binnenstrukturen sind fast vergleichbar einem Haus oder einem Stück Geld oder einer Sprache, denen wir ja auch nicht ansehen können, was sie alles bewirken können.

ExtrOs, also Handlungen und ihre Wirkungen, bieten etwas an, einem selbst und anderen. IntrOs können Angebote aufnehmen und weiterführen, sofort oder später. Das Angebotene kann freilich auch liegenbleiben. Vielleicht irgendwann später "ausgegraben" werden, aber auch völlig verloren gehen wie die Abermillionen von ausselektionierten bioevolutiven Species der vergangenen gut 3 Milliarden Jahre auf der Erde.

Nun bilden aber IntrOs und ExtrOs in Folge Genesereihen, bei instinktgetragenem Verhalten wie erst recht bei Angeboten und Aufnahmen in einer Kultur. Im Wechsel von Struktur und Prozess überspannen sie Zeit. Im allmählichen Wandel der Intern- und Extern-Strukturen bei beider grundsätzlichen Konstanz bedingen sie Entwicklung. Der akkumulierend-integrierende Charakter sowohl der persönlichen Innen- wie der sozio-kulturellen Aussen- oder Gemeinsamstrukturen führt in ihrem Dialogisieren zu einem spiraligen Geschehen, also zu gemeinsamer Evolution.

 

Inhalt 

2. Elementar-Semiotik

Damit komme ich endlich zur Semiotik. Für das bisher gezeichnete inhaltliche Bild vom evolutiven Dialog suche ich eine allgemeine Form. Denn er ist so grundlegend für die Konstitution unserer Welt, dass wir damit nicht nur sprachlich umgehen sollten. Wir bedürfen allgemeiner Darstellungsverfahren, welch kontrollierten und kontrollierbaren wissenschaftlichen und praktischen Umgang mit dessen Inhalten ermöglichen. Wie beschreiben wir diesen Genesedialog, dessen entscheidende Charakteristika wir auf bisher drei Entwicklungsstufen lebender Systeme als gleichartig, obgleich mit unterschiedlichen Trägern realisiert, aufgezeigt haben?

Bei dieser Aufgabe ist mir Charles Peirce die entscheidende Hilfe geworden (für das Wesentliche empfehle ich Peirce 1992). Aber ich werde ihn aufnehmen und zugleich möglicherweise die "Schule" sprengen, wenn es denn so etwas geben sollte. Peirce's Angebote seiner Konzeption der Semeiose sind zu kompliziert und zu vieldeutig, wie revolutionär, raffiniert und fruchtbar sie auch sind. Man kann sie offenbar nicht so verwenden wie sie formuliert sind oder gedeutet werden, wenn sich nicht einmal die Experten darüber einig werden können (Short 1986). Peirce hat im Lauf von über 40 Jahren an die einhundert Varianten seines Zeichenbegriffs aufgeschrieben. Hat er keine ihn befriedigende gefunden? Ein so grundlegender Begriff wie der der Semiose muss im Grundgehalt von der Frau auf der Strasse kapiert, angeeignet und irgendwie verwendet werden können, wenn er die kartesianischen Dualismen und ablösen und die zweiwertige Logik und die notwendige Verursachung zum Spezialfall relativieren können soll.

Peirce ist dennoch einmalig innovativ in seinen konstruktiv-kritischen Neudeutungen der abendländischen Wissenschafts- und Kulturgeschichte und er bietet bis heute von den differenziertesten und meistversprechenden Schritten zu einer Theorie der evolutiv-generativen Dialogik an.

Eine von Peirces anstössigen Ideen war, wie schon angedeutet, die Behauptung gegen den kantischen Kartesianismus, dass Gedanken sowohl innerhalb wie ausserhalb von Mind-Brains seien und daher ein Begriff wie "Mind" einen viel allgemeineren Sinn erhalten solle (vgl. mehrere Arbeiten von 1867 an in Perice 1992). Dass wir über unsere Gedanken "innerhalb" direkt nichts Vernünftiges ausmachen könnten, sondern nur die äusseren uns zugänglich seien. Dass also die externalen uns die einzigen Möglichkeiten böten, auch mit den inneren umzugehen. Dass aber letztlich kein wesentlicher Unterschied bestünde, da beide als zeichenhaft verstanden werden könnten. Und wohl auch, dass sie zusammenspielen müssten in einer allgemeinen Kontinuität. Dass es daher wohl klüger wäre zu sagen, wir, als Personen, seien in Gedanken, als zu glauben, die Gedanken seien in uns. Und dass, wenn Personen, als einzelne oder als "Corporate Persons", z.B. soziale Systeme, aus zeichenhaften Gedanken konstituiert seien, wir als Menschen, wie andere Lebewesen und ihre Verbände auch, natürlich Zeichen oder zeichenhaft seien. Halt so etwas wie örtlich stärker verdichtete Zeichenkondensationen, vergleichbar den Galaxien oder Sternhaufen im Kosmos. Aber kaum klar abzugrenzen untereinander, und uns nur je nach unserer Betrachtungsweise einheitlich oder verteilt erscheinend. Und unsere Umwelt, insbesondere die kulturelle, sei natürlich ebenso eine zeichenhafte.

Und diese so gesehene Sachlage erlaube mit Selbstverständlichkeit zu begreifen, dass so etwas wie das, was wir in der abendländischen Kultur als erkennende und agierende "Subjekte" erlebten, natürlich eine soziale Konstruktion sei (hier erlaube ich mir der Kürze halber, Peirce's klare Einsicht in einen modernen Ausdruck zu fassen). Gewissermassen ein Unglücksfall oder ein Holzweg des evolutiven Dialogs, so etwas a priori zu setzen und seine Eigenschaften in Tafeln zu fixieren, anstatt es als Ergebnis von evolutiven Dialogen zu verstehen und es empirisch zu untersuchen. Die Aufgabe sei, so präzise und realistisch wie nur möglich, mit logisch kontrollierter Wissenschaft, aufzuzeigen, worin solche Phänomene, die wir "Subjekt" oder "Geist" nennen, möglicherweise bestehen, was ihre Voraussetzungen seien und ihre Wirkungsweisen sein könnten.

Ich hoffe, Sie können mir auf diesem Hintergrund folgen, wenn ich nun mitten in die Semiotik springe und zu zeigen versuche, wie ich Semiose auffasse, und ein bisschen andeute, wie man damit umgehen kann.

 

2.1. Semiose als Produktion oder Strukturbildung

Nehmen wir den am besten beobachtbaren ExtrO-Vorgang aus dem Funktionskreis als Modell für alles weitere. Semiose als Prozess ist für mich Strukturbildung oder -aktualisierung im aktuellen Vollzug einer Dreifachrelation. Ich meine das als eine sehr allgemeine These, die sich auf einen weiten Bereich von Erscheinungen bezieht, von molekularen Vorgängen bis zu Aspekten des sog. Weltgeschehens. Möglicherweise reicht diese These im Ursprung auf Vorbiotisches zurück; sicher betrifft sie in gewisser Hinsicht auch Nachbiotisches wie Computer. Aber bleiben wir bei unserem exemplarischen Fall im Funktionskreis von Lebewesen.

Man darf sinnvollerweise annehmen, ein umweltverändernder Akt eines Lebewesens beruhe auf einem bestimmten aktualisierten Zustand gewisser Teile des Innensystems. Natürlich muss man sich das Brain-Mind stets in einem aus einer sehr infiniten Menge solcher Zustände denken. Man stellt sich metaphorisch vor, dass viele potentielle solche Zustände um Dominanz "ringen" und einer jeweils herausragt und das Geschehen bestimmt. Wir "schauen" jetzt per Inferenz gerade dann in das System, wo ein solcher Zustand ausgezeichnet ist und damit zum Ausgangszustand für Weiteres wird. Ein solcher Zustand kann dazu führen, dass gewisse andere Teile des Systems, nennen wir sie das Exekutiv(sub)system, in der ihnen eigenen Weise diesen internen Zustand als ihren Referenzzustand in eine externe Weltveränderung umsetzen. Das beschreiben wir als einen ExtrO-Prozess oder als Handeln im weiten Sinn.

Wir haben damit drei Komponenten eines analytisch differenzierbaren, aber als Triade einheitlichen Vorgangs evoziert. Als Prozess ist er ein gerichteter Vorgang, darstellbar als der semiosische Pfeil (Abbildung 2). Er vereint untrennbar drei Relata:

 

 

Abbildung 2 Der semiosische Pfeil

 

[1] eine Quelle oder Ursprung. Ich spreche im konkreten Fall am liebsten vom Referenten, allgemein von der Referenz; es gibt Querbezüge zum Peirce'schen Objekt, aber darauf einzugehen würde jetzt nur verwirren.

[2] eine Vermittlung oder Umsetzung, vergleichbar etwa einer Sprache, in die und durch die übersetzt wird. Sie nimmt ein Merkmal vom Referenten auf und muss die Umsetzung in neuer und eigener Weise darstellen. Ich nenne diese Komponente oder Kraft deshalb den Interpretanten (als Token) oder allgemein (als Type) die Interpretanz, weil genau das geleistet wird: eine Umsetzung einer Sache in eine andere. (Vielleicht unterdrücken Sie für eine Weile Ihren eigenen Zeichenbegriff!) Dies dergestalt, dass weder die umgesetzte noch die umsetzende Instanz je allein das Ergebnis bestimmt, sondern beide zusammen untrennbar vermengt sind, wie bei Kants ursprünglicher Einsicht, dass Erkennendes und Erkanntes nicht voneinander zu lösen seien.

Der Interpretant ist mithin weder aktiv noch passiv, allenfalls beides, oder lieber keines von beiden. Die Endsilbe -ant oder -ent (bei Referent) scheint diese Ambivalenz auszudrücken. Wenn sich die Konnotation von Agens und Erleidendem vermeiden liesse, könnte man auch von Umformung oder Transformation sprechen. Unter gewissen Gesichtspunkten bewährt sich der Begriff der Anaformation, insofern das vielsinnige Präfix "ana-" sämtliche analog oder konträr ikonischen, kausal oder kontingent indexikalischen und arbiträr symbolischen Bezugsweisen markieren kann.

Auch hier besteht ein Querbezug zu Peirce's Interpretant, insofern es sich bei meiner Interpretanz um ein vermittelndes, mediating Third handelt. Es gibt manche Peirce-Stelle, die den Interpretanten prozessbezogen in dieser vermittelnden Funktion darstellt; üblicher geworden ist allerdings, bei ihm selbst und dann bei seinen Interpreten fast ausschliesslich, die in logischer Hinsicht angezeigte Vorstellung vom Interpretanten als einem resulting Third, nämlich der (Reihe von) Interpretation(en), die ein Zeichen in einem "Mind" gewinnen kann.

Im Anschluss daran entstand wohl die meines Erachtens völlig irreführende, vielleicht aus traditioneller Semiotik und Saussureanisch induzierte Deutung vom Interpretanten als der Bedeutung eines Zeichens. Das kann leicht zum Rückfall nicht nur in dyadische Zeichenlehre, sondern auch in kartesianischen Dualismus werden, ist es zumindest der Ausdrucksweise nach. Das so unübersichtliche Feld der Semiotik ordnet sich in meinen Augen beträchtlich, wenn man signifikative und denotative Zeichen-Bedeutungs-Zuordnungen als degenerierte Triaden (mit implizierter Interpretanz) versteht. Nicht-dualistisch meint Bedeutung eine vermittelte Wirkung und dann ein Wirkungspotential. In gewissen Sinn steht meine Auffassung der Semiose mit dem vermittelnden Dritten der Peirce'schen Kategorie der Drittheit näher als seinem Zeichenbegriff.

[3] ein Resultierendes oder eine Darstellung des Zusammenspiels von Referenz und Interpretanz. Das Umgesetzte wird mit seiner Umsetzung als neue oder aktualisierte Instanz dargestellt. Es präsentiert die Begegnung von Referent und Interpretant für spätere Aufnahme (oder zum Verlorengehen). Ich bezeichne es deshalb als Präsentant im Prozess oder allgemein als Präsentanz. Das ist semiotisch ausgedrückt, was ich im Funktionskreis als Angebot des Handelns bezeichnet habe. Präsentanten machen Semiosen strukturell verfügbar, jetzt oder später. Sie präsentieren ihre Bezugnahme auf ihre Referenzen und Interpretanzen in neuer Darstellung.

Die mehrschichtige Beziehung zur Peirce's Repräsentamen oder Zeichen im engeren Sinn kann ebenfalls hier nicht erläutert werden. Verwechseln Sie aber Präsentanz keinesfalls mit der (symbolischen) Repräsentation der kognitiven Wissenschaften. Peirce hat diese Unterscheidung klar gemacht. Die anfänglich von mir verwendete Vorsilbe (Re-)präsentanz ist unnötig und leicht irreführend.

Im Gegensatz zu fast der gesamten semiotischen Praxis bemühe ich mich, mit Bestimmtheit zur Diskussion zu stellen, dass wir Peirce's These ernstnehmen sollten, ein Zeichen sei, was in ein neues Zeichen umgesetzt werden könne. Oder die Bedeutung eines Zeichens sei sein Gebrauch im Leben, um Wittgenstein zu paraphrasieren, der das angemessen, aber vielleicht etwas zu sehr vom Sprachlichen her gesehen hat.

Die Kernthese dieses Vorschlags fordert, Semiose sei nicht so sehr als Interpretation sondern vielmehr als Produktion von Zeichen zu verstehen oder, anders gesagt, wir sollten die Interpretation von Zeichen als die Produktion von neuen Zeichen interpretieren und dies konzeptuell und praktisch auch durchführen. Zeichencharaktere haben aussschliesslich reale Strukturen; also beschreibt Semiose die Bildung oder die Aktualisierung von realen zeichenhaften Strukturen.

Auch durchführen sollten wir die produktive Sicht der Semiose, sage ich, weil ich mich des Eindrucks schwer erwehren kann, dass etliche Semiotiker sich zwar die Redeweise von der infiniten Zeichenproduktion zu eigen gemacht haben, faktisch aber bei der Interpretation von Zeichen im Sinne des Explizierens von Bedeutung bleiben. Ich brauche hier keine Namen zu nennen; es wären ihrer zu viele.

Einer der seltenen Semiotiker, der die Zeichengeneration in den Mittelpunkt seines Denkens zu stellen begonnen hatte, war Gerold Ungeheuer (1987, posthum), in voller Kraft leider erst kurz vor seinem vorzeitigen Tod, und damit weitgehend bloss programmatisch. Ich verdanke diesen Hinweis Ernest Hess-Lüttich. In gewisser Weise tut dies auch Gerhard Schönrich (1990) mit seiner Deutung der Semeiose als Zeichenhandeln. Er bindet dies an den vorkritischen Kant an und es wird zu untersuchen sein, inwiefern hier neben der Semiotik von Lambert die Herder'sche Denkweise eine ihrer Wurzeln hat. Freilich bleibt er wie die meiste moderne Handlungstheorie vorwiegend im Geistigen und betrachtet ebenfalls kaum die realen Wirkungen von Handlungen.

Was heisst Semiose als Strukturbildung? Ich kann hier nur die Linie skizzieren, entlang der ich Wege suche, dies zu explizieren, und werde sie später noch etwas auszeichnen. Eine, wie mir scheint, eingängige und versprechende Formel besagt, dass zwei strukturelle Gebilde, sofern sie geeignete Affinitäten zueinander aufweisen und dennoch unabhängig voneinander existieren, in ihrer Begegnung ein drittes Gebilde erzeugen können, welches aus keinem der beiden Gebilde allein prädizierbar ist und dennoch wieder Affinität zu beiden aufweist.

Sie können gerne, und wiederum zunächst biotisch, als Modell die geschlechtliche Zeugung nehmen. Mann und Frau erzeugen ein Kind. Die aktuelle Zeugung, das Zusammentreffen bestimmter Gameten, ist sehr zufällig, obwohl die beiden Rahmenstrukturen für solche Akte vorbereitet sind und oft einiges unternehmen, um zusammenzukommen. Das ist nichts als Affinität, bin ich versucht zu sagen. Sie können auch einen Ideenkomplex als Referent und eine Sprache als Interpretant nehmen, die zusammen so etwas wie ein Buch erzeugen oder präsentieren. Oder, um auf unser Wohnbeispiel zurückzugreifen, bei Hans etwa die Feststellung eines leeren Treppenabsatzes, die zusammen mit einigen Erfahrungen über Wohnen die Idee einer Arbeitsplatte hervorbringt, der dann die Ausführung folgt. Aber ich greife vor.

 

2.2. Semiotischer Funktionskreis: ExtrO-, IntrO-, IntrA-Semiose

Zunächst will ich diese Semiosekonzeption auf die personnahen Phasen des spiralenden Funktionskreises anwenden.

Im konkret-aktuellen Prozess erzeugt also eine ExtrO-Semiose ein externes Zeichen, nehmen wir zB die frisch montierte Tischplatte in dem was später Büro 2b bei Hans wird. Natürlich folgen darauf, wenn Hans einen Stuhl hinträgt und sich an die Platte setzt eine ganze Reihe von perzeptiven und kognitiv-emotiven Verarbeitungsprozessen, in denen Hans diese "neue Weltlage" zur Kenntnis nimmt und seine Kenntnis über diese Weltlage, also seine Innenstrukturen, sein Handlungssteuerungssystem, sein Heimgefühl, etc. etc., auf die neue Lage "ausrichtet". Ich sage weder "anpasst", noch "angleicht", weil es etwas Eigenes bleibt.

Man kann sich hier unendlich viele IntrO-Semiosen kleinerer und grösserer Reichweite und von unterschiedlichem Zeithorizont vorstellen, alles reale Ereignisse im System Hans-Wohnung, ineinander verschachtelt und mit den ExtrO-Semiosen des Orientierungsverhaltens verwoben. Es ist aber unsere, der Beobachter oder Forscher, Sache, auf welchem Horizont oder welchen Horizonten wir unsere Darstellung von Semiosen empirisch durchführen, als Mikroprozesse vielleicht in physiologischen wenn nicht gar in molekularbiologischen Darstellungsformen, als Meso- oder Makroprozesse auf der Basis von Beobachtungen und Inferenzen über perzeptive und kognitive und aktionale Darstellungen oder gar auf der Basis der gemeinsamen Lebengeschichte von Hans und Silvia und ihrem Haus.

Bemerkenswert ist, dass Hans mit ExtrO- und IntrO-Sequenzen den Funktionskreis mehrfach auf dem Weg über seine Umwelt schliesst und stets gleich wieder zu neuen evolutiven Folgesequenzen aufnimmt; denn die Lage innen und aussen ist vorher nicht so gewesen, wie sie durch jedes IntrO- oder ExtrO-Schrittchen wird. Hans wird vielleicht Schubladen, Gestelle, gutes Licht und was weiss ich vermissen und sich das in Ketten von weiteren IntrO- und ExtrO-Prozessen real und kognitiv, aussen und innen in affinen Strukturen, aufbauen.

 

Abbildung 3 Semiotischer Funktionskreis

 

Damit muss ich einen bisher ausgeblendeten Teil des Funktionskreises aufnehmen, der bei von Uexküll durchaus schon mitgedacht wird: Denn zwischen der IntrO- und der ExtrO-Phase kann weiteres passieren, wie ich schon mit Begriffen wie kognitiv und emotiv angedeutet habe (vgl.Abbildung 3). Ich spreche von IntrA-Prozessen und behaupte, sie hätten intern den gleichen produktiv-semiotischen Charakter wie die Handlungen extern. IntrA-Semiotik würde verweisen auf zu inferierende Referenzen aus Wahrnehmung und Gedächtnis; auf Interpretanzen aus weiteren Innenstrukturteilen, die wir mit Erinnern, Fühlen, Denken, Bewerten, Wollen u.a.m. in Verbindung bringen können; und auf darauf gründend generierte weitere Innenstrukturen, nämlich interne Präsentanzen, die dann ihrerseits früher oder später zu Referenten oder zu Interpretanten von weiteren IntrA- und natürlich auch von ExtrO-Semiosen werden können. Nur von aussen her, über externe Referenzen und Präsentanzen, sind uns interne Referenzen und Interpretanzen erschliessbar.

Es geht bei IntrA um im traditionell engeren Sinn "Psychologisches". Dieses soll aber nicht vom Erleben her angegangen werden, sondern als Inferenzen auf das zwischen Wahrnehmungssituationen und Handlungswirkungen Unverzichtbare; denn Intuition oder Introspektion entzieht sich der Realitätskorrektur. Ich will das aber nicht weiter ausführen, obwohl sich hier nicht nur ein weites, sondern auch ein wichtiges Feld auftut.

Anmerken will ich jedoch, dass kein Hinderungsgrund besteht, das komplexe Brain-Mind-System seinerseits in relativ gesonderte und dennoch affine Teile separiert zu denken und diese ihrerseits untereinander als in evolutive Dialoge involviert zu konstruieren. Analog der Bezogenheit der IntrA-Systeme auf die Umwelt können interne Sekundärsysteme auf primäre Ebenen der IntrA-Strukturen aufbauen (vgl. Abbildung 3). Es öffnen sich damit Perspektiven auf Erscheinungen wie

(1) Imagination oder räumliches und bildliches Vorstellen: ein ikonisierendes Zeichensystem, die Basis besonders auch der räumlichen Orientierung;

(2) aktuell gegenwärtiges Erleben als Brücke von Vergangenheit zu Zukunft, eine aktualisierende Funktion: ein indexikalisierendes Zeichensystem, die Basis besonders der zeitlichen Orientierung;

(3) innere Sprachlichkeit: ein linearisierendes, symbolisierendes Zeichensystem, die Basis reflexiv-abstrahierender Orientierung;

(4) ja sogar einer Konzeption des Selbst: ein zentralisierendes Zeichensystem, die Basis von Kohärenz und Konsistenz.

Semiotisch verstanden könnten solche inferierte Strukturen und die sie bedingenden und tragenden Prozesse zu integrierteren Konzeptionen der psychischen Organisation führen, als sie bis heute üblich sind.

 

2.3. Semiotischer Funktionskreis unter Einbezug der Kultur: ExtrA-Semiose

Nun kann man sich zwei oder mehr einander affine Personen oder überhaupt Gebilde denken, welche untereinander einen kommunikativen Konnex dergestalt eingehen, dass des einen ExtrO-Präsentanten von den andern zur IntrO-Referenten genommen werden. Die Idee der Verkettung von Semiosen mit gemeinsamen Gliedern führt zu einem allgemeinen Verständnis von Interaktion und Kommunikation, welches ich hier nicht weiter ausführen kann. Unsere Ausgangsheuristik, das evolutiv-dialogische Prinzip, findet auf allen Horizonten in der Verkettung oder Vernetzung von strukturbildenden Elementarsemiosen seine semiotische Durchführung. Analog den Einsichten der fraktalen Geometrie ist Elementarsemiose ein Strukturbildungsprozess, der aus seinesgleichen besteht und seinesgleichen konstituiert (vgl. Abb.4).

 

Abbildung 4 "Minimale" Kommunikation

 

Ich muss Sie bitten, sich anhand ihrer semiotischen Detailkenntnisse selber auszumalen wie das in den verschiedenen Bereichen der Realität des "sozialen Lebens" (Saussure) vor sich gehen könnte. Denn was ich hier als ExtrA-Semiosen konzipiere, betrifft das meiste, was Semiotiker über den zwischenmenschlichen Umgang mit Zeichen erforschen und aufzeigen. Ich verlagere eigentlich bloss den Akzent von der Interpretation auf die Produktion von Zeichen und biete eine einheitlichere und einfachere Vorstellung vom Zusammenwirken von Zeichenhaftem mit Personen und analogen Gebilden an.

Sie werden dann freilich fragen: wozu denn die ganze neue Redeweise? Mein Stein des Anstosses an weiten Teilen der Semiotik ist eine Praxis der Zeichendeutung, die trotz vielerlei Beteuerungen zum Gegenteil immer wieder der Trennung in Mentales und Materiales verfällt: Signal und Botschaft, Zeichenträger und -bedeutung, etc. etc. Obwohl man es anders tun kann und tut, bieten die gewohnten Redeweisen gerade die Überwindung dieser Dualismen nicht an. Das steht quer zu meiner Überzeugung, Zeichenprozesse dürften Naturgesetze nicht verletzen und könnten aber auch nicht als eine "höhere" Ergänzung ihnen gewissermassen aufgesetzt werden. Viel besser seien unsere Naturgesetze als "Spezialfälle" einer allgemeineren Gesetzlichkeit evolutiver Systeme zu betrachtenden; sie beträfen nämlich jene Bereiche, in denen der evolutive Prozess gewissermassen zu "Gewohnheiten" erstarrt sei. Es ist in der Tat Peirce's metaphysische Überzeugung gewesen, die Kategorie der Zweitheit, unter welche die Naturgesetze fallen, sei in der Kategorie der Drittheit impliziert, nicht aber umgekehrt.

Die Naturgesetze gelten im strikten Sinn der vollständigen Erklärung eines Geschehens bloss lokal, nämlich in abgeschlossenen Systemen, wie sie der Experimentator herzustellen sucht. Das bedeutet, dass wenn zwei je abgeschlossene, je für sich durchaus gesetzliche Systeme aufeinandertreffen würden, naturgesetzliche Aussagen über das Geschehen unsicher werden bzw. auf die Ebene statistischer Deskription zurückfallen müssten. Nun können freilich per Definition abgeschlossene Systeme nicht aufeinander wirken; das Universum muss aus zueinander offenen Subsystemen bestehen. Wir können kein allgemeines Gesetz haben, das ein evoluierendes Universum zur Gänze erklären kann. Naturwissenschaft ist wie alle empirische Wissenschaft zu differenzieren in deskriptive, klassifizierende und gesetzbildende Sparten. Zu Unrecht erwarten wir, alles Beschreibbare und Klassifizierbare entspringe zwingend formulierbaren Gesetzen. Zu leicht verwechseln wir oft unsere gesetzesartig formulierten deskriptiven Verallgemeinerungen mit Gesetzen, unsere Namen mit der Wirklichkeit.

Mein Lieblingsbeispiel zur Illustration dieses Sachverhalts ist der pyramidenförmige Berg Niesen am Thunersee, durch Witterungs- und Schwerkraft-Wirkungen in Zufallsprozessen quasi-historisch so geworden, wie er ist. Naturgesetzlich in allen chemischen und physikalischen Einzelheiten, da kein einzelner Vorgang der Ausbildung seiner Mineralien, des Aufbaus seiner Schichten und ihrer Auffaltung oder des Absprengens irgend einer Partikel oder irgendeines Felsbrockens jemals irgendein Naturgesetz verletzt hat. Doch ist kein Gesetz für den ganzen Vorgang denkbar. Denn dieser müsste ja mathematisch in einer infiniten Formel dargestellt werden, welche den Vorgang eben deskriptiv, also im Verhältnis eins-zu-eins abzubilden hätte. Das wäre gerade nicht ein Gesetz, ein Typus, sondern ein analoger Fall, ein weiteres konkretes Gebilde, freilich von Symbolen. Dass die nomothetischen Wissenschaften Singularitäten nicht "lieben" ist bekannt; aber warum soll uns dies davon abhalten, deren Wirklichkeit ernst zu nehmen? Überdies erweist sich der genannte Vorgang als ein bloss quasi-historischer: wohl verläuft er in der Zeit einmalig, aber er zeigt keine Entwicklung in dem Sinn, dass spätere Ereignisse frühere nicht nur voraussetzen, sondern dass ihr Charakter von früheren her grundlegend bestimmt ist. Gerade die Systematik von semiotiven Entwicklungen gibt uns ja die Möglichkeit und die Aufgabe, das Reich zwischen Notwendigkeit und Zufall begrifflich zu fassen.

Vergleichen Sie mit dem Niesen ein Beispiel aus diesem semiotiven Bereich: Kein Naturgesetz, weder im Ganzen noch im Detail, kann aufklären, warum Sie heute hierhergekommen sind und mir zuhören (oder warum Sie jetzt gerade diesen Aufsatz lesen). Und doch können Sie dabei kein Naturgesetz verletzt haben oder verletzen. Aber es bringt halt gar nichts zu sagen, der Geist oder Ihr Geist oder Ihr Wille oder Ihre Neugier habe Sie hergebracht, weil Sie mir nicht erklären können, auf welche Weise denn diese "Dinge" Massen von 50 bis 100 kg so gezielt bewegen können. Und falls meine Elementarsemiotik wirklich etwas taugen sollte, so enthält Ihre Begegnung mit ihr ein Potential, auch Ihr Leben eingreifend zu verändern.

Der Unterschied zwischen dem Niesenbeispiel und Ihrem Hierherkommen zeigt das Grundgesetz der Semiotik. Ihr Hierherkommen beruht auf semiosischen Reihen der Interaktion von affinen Strukturen. Nicht so die Niesen-Erosion. Der Niesen und seine Bestandteile "weiss" nichts vom Wind und vom Wasser; seine Oberflächen-Teile erfahren sie bloss. Die schwarzen "Käferchen" aber in ihrem Programmheft, haben mit Hilfe von Licht einen Weg in Ihre Augen gefunden und dann in Ihrem Sehhirn affine Strukturen getroffen, welche in Ihren Wissensstrukturen weitere affine Strukturen aktiviert und in Ihren Motivationsstrukturen vielleicht Neugier und anderes geweckt haben. Oder ähnlich die Schallwellen der Mund-zu-Ohr-zu-Mund-zu-Ohr-Semioseketten. Und so weiter.

Alles ging mit rechten Dingen, also auch, aber nicht allein naturgesetzlich zu. Denn immer wenn diese schall- und lichtgetragenen Wirkgebilde im Zusammentreffen mit den ihnen affinen neuronalen und humoralen Strukturen in Ihrem Brain-Mind zusammengetroffen sind, haben zwar jede Menge unentbehrlicher stofflich-energetischer Umsetzungen stattgefunden und haben bei Ihren Gefühlen, Gedanken, Erwägungen, Entscheidungen, Handlungen eine unverzichtbare Rolle gespielt. Doch kam es auf das strukturelle Muster dieser gesamten Prozesse in Relation zu anderen Mustern in Ihrem Mind-Brain an. Ferner sind hinterlassene Spuren von früheren Geschehnissen ähnlicher Art in das Muster eingegangen. Und alle diese internen und externen Strukturen und deren Interaktion sind weder objektiv noch subjektiv, wohl aber semiotiv zu begreifen, weil sie ihre Eigenart in echter, konkreter Geschichte gewonnen haben. Die Naturwissenschaften in strengen Sinn haben aber für die Folgen von Geschichte keine eigenen Begriffe. So denke ich, zeichenhaft oder semiotiv könne man allgemein Strukturen nennen, insofern sie in geeigneten Umständen Wirkungen haben können, welche sie als solche bzw. in anderen Umständen nicht haben.

 

2.4. Das Semion als Basis der logischen und strukturellen Ordnung der Semiose

Nun habe ich mancherlei von der produktiven Semiose als Prozess dargestellt. Ich verstehe diese ExtrO-, ExtrA-, IntrO- und IntrA-Phasen des Funktionskreis als mit unterschiedlichen konkreten Strukturen, aber dennoch in gleicher Weise vollzogene konstitutive Prozesse und bezeichne sie als Elementarsemiosen. Damit meine ich nicht, dass sie elementar im Sinne von in sich abgeschlossen seien, sondern einfach im Sinne von analytischen Grundprozessen, auf die man alle Phänomene des Umgangs mit Zeichen zurückführen kann. Das Interessante an dieser Konzeption dürfte sein, dass so verschiedenartig Erscheinendes aus einem einzigen und einfachen und realen Grundprozess heraus verstanden werden kann.

Es ist leicht vorzustellen, dass semiosische Prozesse im Funktionskreis jedes Lebenwesens auf verschiedenen Ebenen oder Horizonten spielen können. Davon sind die die elementarsten wohl auf molekularer und zellularer Ebene anzusiedeln; die komplexesten auf einer Lebenslaufebene und im kulturellen Bereich darüber hinaus anzusiedeln. Denn die Art, wie grosse Moleküle interagieren, zB in Vorgängen wie der Proteinsynthese, ist ebenso triadischen Charakters wie die Generation von Nachkommen oder historischen Hinterlassenschaften. Je elementarer die Ebene, desto deutlicher werden wir auf reale Vorgänge bezugnehmen können, je komplexer die Zusammenhänge, desto stärker nominalen Charaker, dh durch unsere Konzeption der Vorgänge mitbestimmt, wird unser Verständnis sein. Der Zusammengesetzheit der Semiosen parallel kann ihre zeitliche Erstreckung kleiner oder grösser sein. Die Rolle der Forscher und ihrer Verfahren ist bei Konzeption und Untersuchung umso grösser, je höher der Horizont. Empfehlenswert ist die methodische Maxime, wenn immer möglich zwei oder mehr Horizonte zu rekonstruieren, bevorzugt in voneinander unabhängigen Darstellungsformen.

Es sollte nebenbei klar geworden sein, dass Forscher nichts anderes tun, als mit ihren observativen, begrifflichen und methodischen Interpretanzen -- manchmal unter Zwischenschalten von apparativen Interpretanzen -- gewisse Referenzen aus ihrem Forschungsfeld in solche Präsentanzen in ihrem Brain-Mind umzusetzen, dass sie später dann etwas davon, "verhackt" und neu "verwurstet", ihren wissenschaftlichen Kollegen und der Allgemeinheit in Buch- oder Vortragsform präsentieren können. Diese werden hoffentlich ihrerseits sinnvolle Interpretanzen anlegen, um ihre "Auszüge" von davon in ihr Mind-Brain zu "packen" und anders wieder "auszulegen". Die meisten dieser Metaphern lassen sich erstaunlich wörtlich nehmen.

Neben dem damit angesprochenen Prozessaspekt ist schliesslich noch die Form der Semiose als Struktur auf ihren verschiedenen Horizonten nachvollziehbar zu machen. Auf allen Zeit- und Strukturhorizonten können Referenzen, Interpretanzen und Presentanzen als Triaden auch unter Abstraktion vom Prozess in der Zeit konzipiert und beobachtet oder erschlossen werden. Ich spreche von semiosischen Strukturen als Semionen, weil jede solche Struktur wie das chemische Ion ein zwar strukturelles Gebilde ist, seine Haupteigenschaften aber darin bestehen, dass es mit affinen Semionen gewisse, keineswegs beliebige, aber ebensowenig eindeutig festgelegte Bindungen eingehen kann. Natürlich werden diese Bindungen in der Zeit als Semiosen vollzogen.

Semionen sind also zugleich Bausteine und Bindekräfte von allem, was nicht zu dyadisch-reaktiven Gewohnheiten degeneriert ist. Peirce's These vom Menschen als Zeichen (unter Einschluss der sozialen Systemen und sonst noch allerlei mehr) würde dann auf Semionen zu beziehen sein, als zeitabstrakte Gebilde, deren Leistung gerade darin besteht Zeitintervalle jeglicher Art zu überspannen. Sind Semiosen Darstellungen des evolutiven Dialogs mit dem Akzent auf der möglichen Innovation, so fassen Semionen das stabilisierende Moment. Als dynamisches "Gedächtnis" können sie in einem ihnen affinen Milieu jederzeit wieder in evolutive Dialoge eingehen und in neuen Semiosen die Modifikation von oder die Bildung neuer Semionen mitbedingen, indem sie ihre Geschichte zur Wirkung bringen.

Auch Wohnungen und andere kulturelle Gegenstände oder Systeme sind in diesem Sinne als Semionen zu konzeptualisieren. Sie wurden von Menschen in Semiosen zusammengetragen (das stehe stellvertretend für: in Traditionen hergestellt, ausgewählt, angeordnet, abgewandelt ...) und bereiten für Menschen, die gleichen und andere über die Generationen, ein Bindebett von Angeboten, das die Bewohner mehr oder weniger wirksam zusammenhält. Hans und Silvia zusammen mit ihrem Haus bilden ihrerseits wieder so ein offenes Semion mit allerlei Potentialen für weitere Anbindungen für Kinder, Freunde, Handlungsweisen, Ideen u.v.a.m. Auch was ich früher unter dem Stichwort der Enkulturation angedeutet habe, lässt sich unter dem strukturellen Aspekt leicht weiterdenken.

 

Inhalt 

3. Semiosen als Zeitmacher

Ein kleiner Vergleich zwischen verschiedenen Auffassungen von Semiotik (vgl. Lang 1993b und 1993c) kann vielleicht in die Problematik von Zeichen und Zeit einführen.

Versteht man die Semiotik als die Untersuchung von Zeichenobjekten oder Zeichenbedeutungen, so ist die Rolle der Zeichen in Bezug auf die Zeit eine abstrahierende. Immerhin kann, was früher Zeichen geworden ist, heute oder morgen seine alte oder neue Bedeutungen entfalten. Damit ist der Pfeil der Zeit, ihre Gerichtetheit, konstitutiert; denn kein Zeichen kann rückwärts wirken.

Dieser Vorzug der älteren Zeichenlehren entfällt jedoch in einer Semiotik, die sich als Kommunikationswissenschaft versteht. Denn das informationsübermittelnde Zeichen im Kanal zwischen Sender und Empänger ist zeitlos; braucht Kommunikation Zeit, dann liegt das nicht am Zeichen, sondern am Kanal.

Auch die hier vorgebrachte Semiotik als triadisch-generativer Bedingungs-Wirkungs-Zusammenhang zwischen Strukturen scheint auf den ersten Blick von der Zeit zu abstrahieren. Genauer gesehen bringt sie jedoch den Vorzug, den Wechsel zwischen Struktur (unter Abstraktion von Zeit) und Prozess (den evolutiven Fluss) in den Brennpunkt zu nehmen.

Im Folgenden kann ich nur drei Streiflichter auf Zeit in der generativen Semiotik werfen. Ich möchte hier zwei Forschungsfelder aufnehmen. Das erste habe ich vor über 20 Jahren im Rahmen meiner Habilitation beackert: Die multiple innere Uhr: ein Beitrag zur Psychologie der Zeitwahrnehmung und des Zeitverhaltens (Lang 1971, vgl. Lang 1973; 1997). Das zweite betrifft ebenfalls in die 70er Jahre zurückreichende Untersuchungen zur Gehörswahrnehmung, insbesondere zum sogenannten Absoluthören und zur Klangkonstanz (vgl. Lang 1993d). Mit Hilfe der Elementarsemiotik, so glaube ich, lassen sich die dort entwickelten Ideen begrifflich fruchtbarer fassen und in neue Untersuchungsweisen umsetzen. Wichtiger aber scheint, mir, dass generative Semiotik den zeitlichen Fluss von Evolutionen ins Zentrum stellt.

 

3.1. Eigene und affine Zeit

Schon bei der Einführung des Funktionskreises habe ich im Anschluss an von Uexküll die Eigenständigkeit komplexer semiosischer Strukturen, also von Semionen betont. Die Evolutionsbiologie wird sich, wie einige ihrer Vorkämpfer bereits kundtun (zB Mayr 1991), daran gewöhnen müssen, neben dem Anpassungsprinzip ein gleichwertiges Autonomieprinzip für Lebewesen zu akzeptieren. Lebende Systeme sind eigene Gebilde, von den physiko-chemischen Gleichgewichten ihrer Umgebung relativ entfernt, in gewisser Hinsicht in ihren eigenen semiotiven Gleichgewichten befindlich, was bedingt und ihnen erlaubt, ihr internes physiko-chemisches Gleichgewicht in gewissen Grenzen zu steuern und gegen das physiko-chemische Geschehen ihrer Umgebung relativ gepuffert, bloss selektiv angeschlossen zu sein.

Eine interessante Manifestation davon ist, dass Lebewesen ihre eigene Zeit machen oder herstellen; eine zweite, dass sie die ihnen aus der Umgebung angebotenen Zeitstrukturen auf ihre eigene Weise umsetzen und nutzen können.

Doch könnten lebende Gebilde nicht bestehen, wenn sie ihre eigene Zeit (wie auch die meisten anderen ihrer Charaktere) nicht mit der Zeit ihrer Umgebung zu koordinieren vermöchten. Sie müssen, wie wir gesehen haben, nicht nur eigene, sondern auch zu ihrer Umwelt affine Innen-Strukturen bilden. Gerade solche Strukturen sind sie ja selber.

Die Konstitution von eigner und koordinierter Zeit ist heute chronobiologisch einigermassen klar. Das Zusammenspiel von internen metabolisch-physiologischen Oszillatoren und Integratoren unterschiedlichster Frequenzen, die man in allen Teilen des Körpers findet, und den sogenannten externen "Zeitgebern", wie allen voran dem Tag-und-Nacht-Wechsel aber auch weiteren lunar und solar oder auch sozial bestimmten "Uhren", ist relativ gut untersucht. Macht man die externen Zeitgeber oder Uhren unwirksam, wie etwa beim Leben unter Tag ohne jede Uhr, laufen die internen Zeitmacher (ich bezeichne sie provokativ so, denn sie sind genau das) allein nach ihren eigenen art- und organismus-spezifischen Frequenzen. Der diurnale Zyklus bei Menschen etwa verlängert sich meist etwa auf Perioden um 25 und mehr Stunden.

 

3.2. Die Multiple innere Uhr als semiotive Synthese

Soweit ist vielleicht ohne Semiotik auszukommen. Aber warum sind diese internen Zeitgeber, warum ist unsere innere Uhr, so erstaunlich stabil? Müsste sie nicht jedem momentanen "Wind" von irgendwoher unterliegen? Müssten nicht beispielweise erhöhte Körpertemperatur, ein Fieber, die organismischen Oszillatoren beschleunigen und damit unser Zeitverhalten beschleunigen, Unterkühlung sie verlangsamen? Wie kann ein Dirigent in Stunden höchster künstlerischer Erregung und extremer körperlicher Anspannung sein konzipiertes Tempo und seine subtilen Tempowechsel einhalten? Wie kann anderseits unser Zeiterleben so erratisch wild laufen, wenn uns Stunden als Minuten und umgekehrt erscheinen? Machen wirklich erst mechanische oder elektronische Uhren unser Zeitverhalten verlässlich?

Wie die kalender- und uhrenlosen Zeitsinne der Tiere und unsere eigenen kognitionsbefreiten Zeit-Leistungen zeigen (gezielt Aufwachen ohne Wecker kann man lernen), ist dem nicht so.

Ich konnte in einfachen Experimenten (Lang 1973, 1997) wahrscheinlicher machen, dass die innere Uhr gewissen Beeinflussungsversuchen in erstaunlichem Masse widerstehen kann. Sie weist Konstanz auf oder kann als metastabil bezeichnet werden. Und um das verständlich zu machen, entwickelte ich ein (damals bloss funktionales) Modell der multiplen inneren Uhr, wonach mehrere, als solche durchaus selbständige Oszillatoren, sofern sie "dialogisieren" d.h. sich gegenseitig beeinflussen können bzw. durch eine gemeinsame Darstellung wirken können. Ähnliche Modelle sind in der Zwischenzeit von andern Forschern (zB Jürgen Aschoff) erwogen und vorgeschlagen worden.

Um das illustrativ zu erschliessen, verweise ich auf Ergebnisse aus jenen Experimenten, in denen Personen ineinander verschachtelte Zeitproduktionen machten. Sie sollten 4, 5, 6 oder 7 Minuten lang Bilder in kurze Intervalle kodieren. Die Bilder zeigten zB eine Zufallsanordnung von 15 bis 50 Reiskörnern, also zu viele zum Zählen. Die Personen sollten jedes Bild einen Augenblick, aber umso länger anschauen, je mehr Körner darauf waren. Per Knopfdruck gaben sie sich in Abständen von wenigen Sekunden das nächste Bild. Und das vier etc. Minuten lang, gemäss ihrer eigenen inneren Uhr.

Bei zufälliger Abfolge der Bilder wurde die Wahrscheinlichkeitsverteilung der dargebotenen Reiskornzahlen variiert. Das Ziel der Versuche war, die Korrespondenz zu beleuchten, die zwischen unterschiedlichen internen Zeitgebern besteht: zwischen rascheren (die freigewählten Periodenlängen von ein paar Sekunden müssten ihnen näher sein) und etwas länger erstreckten Zeitgebern (der Abbruch der Tätigkeit nach subjektiv abgelaufenen vier etc. Minuten müsste dies darstellen).

Die Ergebnisse legten nahe, dass solche unterschiedlichen Zeitgeber zusammengenommen Systemcharakter aufweisen. Dh, wenn man einen beeinflusst, bleiben die andern bis zu einem gewissen Grad unbehelligt und die längeren Schätzungen sind meistens nicht betroffen; bei stärkerem Wechsel eines kurzen kann es aber zu einer Art Umspringen des ganzen Systems der kurzen in eine andere Stabil-Lage kommen und dann können auch die Minuten-Schätzungen mitgehen bzw. eine veränderte Dauer bekommen.

Dabei blieb ich damals stehen. Heute kann ich elementarsemiotisch erwägen, dass solche internen und externen Oszillatoren in der Rolle von Interpretanten einander semiosisch zur Referenten nehmen und in neue und eigene "Oszillatoren" oder Zeitmacher, interne und externe, umsetzen. Solche intern und extern koordiniert operierenden Systeme müssten sowohl der idealisierenden Konzeption von Uhren wie auch dem verallgemeinerten "inneren Zeitsinn" zugrundeliegen. Es wird reizvoll sein, mit dieser Heuristik ausgewählte Koppelungen empirisch zu untersuchen. Zeitmacher bilden so gesehen viel reichere, wechselseitig sich bedingende Netze und stehen sich nicht mehr nur als externe taktende Zeitgeber und intern getaktete Zeitnehmer gegenüber.

Weiter lässt sich diese Vorstellung unter Rückgriff auf das oben über Semiose und Naturgesetz Gesagte konkretisieren bezüglich der Art und Weise, wie die "Uhren" von Lebewesen und Sozialsystemen semiotiv konstituiert sind. Was hier "Zeitmacher" genannt worden ist, verbirgt eine allgemeine Vorstellung der Tatsache, dasss Semiosen als Prozesse gar nicht anders als zeitlich sein können. In sich selbst betrachtet stellt Semiose Zeit her, insofern der Prozess vom Referenten über den Interpretanten zum Präsentanten nicht ein unmittelbarer ist sondern die Interaktion von stofflich-energetisch formierten Strukturen bedingt.

Von aussen her betrachtet, auf eine Menge von Semiosen bezogen, ist die Bezugnahme von semiosischen Komponenten aufeinander mit Restriktionen belastet. Ein Präsentant kann von einem Interpretaten nicht zum Referenten genommen werden, bevor er nicht konstituiert ist. Im Verhältnis zueinander konstituieren also viele Semiosen in einem System automatisch ein System des Vor- und Nacheinander. Dessen semiotive Systematisierung ist nichts anderes als Zeit.

Zeitgeber müssen durchaus nicht notwendig periodisch schwingen und einem Zählverfahren unterworfen sein, sondern jeder konkrete semiosische Vorgang ist ein Zeitmacher und zugleich ein Zeitnehmer von andern und ein Zeitgeber für andere Semiosen.

Eigendauer scheint demnach auf einer stabilisierenden Synthese aus unterschiedlichen internen und externen Zeitgebern zu beruhen. Aus vielen Referenzen entsteht, wohl nach vielerlei Zwischengliedern, ein verhältnismässig einheitlicher, kohärenter, linearisierender Präsentant, beispielsweise in der Form von Zeit, die Routinen steuert und die variabel erlebt oder als isotroper eindimensionaler Vektor gedacht wird. Im Gegensatz zu der herkömmlichen Vorstellung von Zeit, welche in allen ihren Manifestationen von einem hierarchisch höchsten letzten Zeitgeber (bei Newton die absolute Zeit) bestimmt gedacht wird, geht in dieser Vorstellung ein "Gewimmel" von vielen, untereinander in Interaktion tretenden Zeitmachern der Möglichkeit voraus, dass eine Menge solcher synthetisierend zusammengefasst und für gewisse Zwecke praktisch dargestellt als nützliche Uhr verwendet werden können.

 

3.3. Hörphänomene: dimensionale Vielfalt aus linearem Schwingen

Ein auf den ersten Blick völlig verschiedenes, der Funktionsweise nach jedoch analoges Feld von zeitlichen Ereignissen von eher rascherer Varietät existiert in einem "Gewimmel" von Dauern und Ereignisrelationen im Vor- und Nacheinander, welche wir uns selber und einander sprechend, singend, musizierend usw. anbieten: Vibrationen, welche das Ohr aufnehmen und semiosisch umsetzen kann. Im Hörsystem finden wir -- bei näherem Zusehen und befreit vom kartesianischen Weltbild mit seiner Einheit des Bewusstseins -- gerade andersherum als bei der inneren Uhr eine Aufspaltung eines einheitlich-linearen Referenten durch unterschiedliche Interpretanten zu einer Vielzahl und Vielfalt von unterschiedlichen Präsentanten, nämlich den verschiedenen Qualitäten eines Hörereignisses.

Es ist bekannt, dass das Trommelfell unter Wirkung von Schall einheitlich schwingt, als eine lineare Folge von stärkerem oder schwächeren Hin und Her. Wir können das analysieren, einerseits als ein reales lineares Geschehen in der Zeit und das Ergebnis etwa als Schalldruckkurve in Funktion der Zeit darstellen. Anderseits können wir fourieranalytisch (zB in Form eines Spektrogramms) zeigen, dass der real einheitliche Fluss logisch eine Mischung von vielerlei je gleichartigen Gebilden darstellt, nämlich eine Summe von Anteilen von verschiedenen Frequenzen, wie sie durch das Schwingverhalten von Körpern oder Gruppen von schwingenden Körpern erzeugt werden. In der Musik bilden wir durch schwingende Saiten oder Luftsäulen wohlgeordnete Muster; in Geräuschen sind die Mischungen eher erratisch; Sprechsprache erzeugt wiederum zeitlich gut geregelte Kombinate von beidem.

Das Ohr scheint, nach der herrschenden Theorie, etwas irgendwie Ähnliches wie die Frequenzanalyse zu leisten und sich damit angeblich ein Abbild der objektiven Wirklichkeit zu gewinnen. Aber wir hören Musik und Sprache: Tonhöhen, Melodien, Akkorde, Harmonien, Grund- und Leittöne, Takt, Rhythmen, Artikulation, Klangfarben, Gesang, Vokaltyp, Silben, Wörter, Sätze, usf.; nicht Frequenzgruppen und dergleichen. Der Instrumentenbau der Musiktraditionen, die Stimmpflege, die Klassifikation von Schällen, ja sogar unser Umgang mit (nicht so sehr die Konstruktion von) schallerzeugender Elektronik beruht zunächst auf diesem subjektiv Gehörten und nicht auf physikalischen Schallbeschreibungen. Ja wir hören sogar freundlichen Zuspruch, gehässigen Angriff, eine individuelle Person, deren Freude oder Traurigkeit u.a.m. Analysen unseres Umgangs mit Schall zeigen, dass Unterschiede und Ähnlichkeiten in solchen Eigenschaftsdimensionen das Eigenartige des Gehörten ausmachen. Dieses Eigenartige mag subjektiv sein in dem Sinne, dass jeder einzelne Mensch nur seine eigenen Hörphänomene wirklich hat; nicht jedoch in dem Sinne, dass Klangfarben, Harmonien, Spannungslösungen, Wiedererkennen einer Stimme einzig der Willkür der Hörenden entsprängen. Die wissenschaftlich postulierte Trennung zwischen dem "objektiven" Schall und dem "subjektiven" Klang löst sich auf, sobald wir den Vorgang des Hörens semiotiv begreifen und damit verstehen können, dass Zeitstrukturen, in geeigneter Weise semiosisch prozessiert, in ein reiches Feld von Charakteren Darstellungen finden können, wie sie unser Musikhören vollbringt.

Der hier aufgezeigte Unterschied zwischen zwei Verständnis- und Forschungsstrategien scheint mir exemplarisch. Im kartesianischen Weltbild gelten gewisse Charaktere der objektiven Welt als gegeben; die subjektive Welt habe sich dann in Anpassung dazu herausgebildet, die Wahrnehmung bilde demnach die Welt in die Subjekte ab, allenfalls mit Einbussen durch gewisse Verzerrungen. Anderseits wird die Fähigkeit der Subjekte zu fast beliebiger Konstruktion von Welt hochgehalten, sei es real im Fortschrittsglauben, sei es beschränkt auf die symbolische Welt der Sprachen.

Eine evolutiv-dialogische oder semiotive Sicht des Relationensystems Mensch-Kultur könnte nicht nur das Schwanken zwischen diesen beiden widersprüchlichen Sichten vermeiden helfen; es würde auch die Teilsysteme in wechselweise Bedingtheit stellen und neue Grenzen ihrer Fixierungen und Wandlungspotentiale aufweisen. Musiktraditionen sind besonders fruchtbare Felder zum Studium semiotiver Systeme. Die Pflege generativer Praxis und deren Verkörperung im Instrumentenbau in ExtrA-Prozessen ist über Jahrhunderte recht gut dokumentiert und bildet ihrerseits die Basis von IntrA-Prozessen der Verfeinerung und Spezifizierung bestimmter Hör- und Musizierweisen in den Kulturen der Welt (vgl. Boesch 1993).

Elementarsemiotik scheint sich nicht zuletzt als Heuristik zu eignen, weil sie dazu auffordert, in dem sukzessiven Wechselspiel in Funktionskreisen auf individueller und auf kultureller Ebene nach Referenzen und Interpretanzen zu suchen und zu zeigen, in was für Präsentanten die jeweiligen Umsetzungen erfolgen.

 

3.4. Eine semiotiv-ökologische Sicht der Zeit

Oh Herr, gib jedem seinen eignen Tod.

Das Sterben, das aus jenem Leben geht,

darin er Liebe hatte, Sinn und Not.

Meine semiotischen Erwägungen über Zeit lassen sich anhand einer evoluierenden Variante von Rainer Maria Rilke's berühmtem Gebet aus dem Stundenbuch von 1903 elaborieren:

Oh Herr, gib jedem seine eigne Zeit ...

Natürlich geht auch Rilke davon aus, dass eigentlich jeder nur seinen Tod sterben kann, und so können wir selbstverständlich auch nur jeder und jede unsere eigene Zeit leben. Doch Rilke scheint nach so etwas wie dem "Subjekt" des Sterbens zu fragen, und damit nach dem "Subjekt" des "eigenen" Lebens, das dem "eigenen" Sterben vorausgeht: also, was es denn nun sei, das Sterbende oder das Lebende, und ob das aus einem selbst stamme oder anderswoher, ob das eigen sei oder eigen zu machen sei. Der abgenutzte und vieldeutige Ausdruck "Subjekt" trägt freilich kaum, was da angesprochen ist. Rilke kostet diese Spannung zwischen dem Individuellen und dem Kollektiven des Sterbens bis zum letzten aus. Sein Wünschen, so darf man allerdings vermuten, bevorzugt jeder individuellen Person eigenes Leben und eigenen Tod; dies angesichts einer Gesellschaft, die den Kult des Individuums immer höher schraubt, um umso leichter die Anonymität des mobilen, konformen, erpressbaren, ausbeutbaren, ... sogenannten Individuums zu nutzen.

Spielen wir ein Gedankenexperiment mit der eigenen Zeit!

Wir machen und leben in der Tat unsere "eigene" Zeit. Freilich mit Hilfe von "fremden" Prozessen der Natur in uns und um uns. Die genutzten Prozesse reichen vom Lauf der Gestirne über die molekularen und neuronalen und hormonalen und muskulären Oszillatoren in unseren Organismen bis zu den mittelbaren kulturalen Zeitgebern der Uhren, der Arbeits- und Mahlzeits- und Geselligkeitspläne, nicht zu vergessen die eigenen Zeiten der unmittelbaren Anderen im gemeinsamen Handeln.

Menschliches Leben und Zusammenleben ist undenkbar ohne dass Zeit über natürliche und kulturelle Prozesse sozial koordiniert wird. Ich brauche nur an die bedauernswerten Schichtarbeiter zu erinnern, von denen wir zur Aufrechterhaltung sozialer Beziehungssysteme, an denen sie dann aus Zeitgründen nicht teilnehmen können, fast unmenschliche Sonderanstrengungen abverlangen.

Aber wehe wenn die Zeit kulturell total koordiniert wird! Da will ich an die Dummheit im Umgang mit der Zeit in unseren Schulsystemen erinnern, einschliesslich der verschulten Universität, deren Stunden- und Normstudienpläne es wirksam erschweren, dass lernende Menschen hinter die Oberflächen der Dinge tauchen.

Ich wollte das nur kurz andeuten und auf dem Hintergrund einer semiotiven Sicht der Welt in den Vorschlag verdichten, den abgewandelten Rilke-Satz nach allerhand Erfahrung mit Individualisierungs-Exzessen evolutiv-dialogisch im gesamten Lebenszusammenhang noch einmal zu erneuern und vielleicht zu beten:

Oh Herr, gib uns gemeinsame Zeit, und jedem,

dass er darin nehmend und gebend

auf seine eigene Weise schwingen möge!

Inhalt 

Eine Art Zusammenfassung

Die heute vorherrschenden kommunikationstheoretisch angelegten Semiosemodelle haben den Nachteil, dass sie ihre Bestandteile (Empfänger, Medium, Botschaft, Sender, etc.) voraussetzen, obwohl diese selber erklärungsbedürftig sind und vielleicht mit Vorteil gerade auch semiotisch begriffen werden sollten und könnten. Ebenso setzt diese Auffassung Raum und Zeit als Rahmenbedingungen von Semiose einfach voraus. Kommunikationstheoretisch-semiotisch ist Zeit belanglos; es sind bloss die materiellen Vorgänge im kommunikativen Kanal, welche Zeit "brauchen" und über Raum "transportieren". Alle heute üblichen Zeichen- und Bedeutungsbegriffe abstrahieren weitgehend von Zeit und Raum; man untersucht bestenfalls deren Diachronie oder Zeit als Signifikator. Allenfalls begründen herkömmliche Zeichenbegriffe, insofern kein Zeichen in seine Vergangenheit wirken kann, implizit die (ordinale) Gerichtetheit von Zeit, nicht aber ihre "Dichte" oder ihren "Fluss".

Das alles ist wenig befriedigend angesichts der Tatsache, dass Lebewesen in einem so erstaunlichen Ausmass ihre je eigenen und mehr als ordinalen Zeit- und Raumsysteme konstituieren und diese untereinander und mit vorgegebenen umweltlichen Bedingungen und kosmisch bestimmten Ereignisreihen wie Jahreszyklen oder Tag-Nacht-Wechsel und ihren Folgen zu koordinieren vermögen. Es ist sogar geradezu bestürzend im Hinblick auf den Umstand, dass Zeichenhaftes recht eigentlich die zentrale Rolle in allen evolutiven Prozessen spielen muss. Denn jede Evolution setzt voraus, dass etwas, was zu einer Zeit entsteht, zu einer späteren Zeit wiederum eine Rolle spielt. Das kann jedoch nicht das damals Entstandene selbst, sondern muss zwingenderweise eine Darstellung davon sein. Als Beispiele dienen hier das Verhältnis vom Genom zum Organismus in der Bioevolution oder die Wirkung einer in Historie gefassten Darstellung früherer Erfahrung im kulturellen Wandel

Angesichts solcher Feststellungen dürfte es angezeigt sein, eine Konzeption von Semiotik herauszubilden, welche genuin zeitlichen Charakter aufweist. Wird der Zeichenprozess aus seiner Befangenheit im Deutungszusammenhang befreit, indem man Peirce's Idee aufnimmt, jede Deutung eines Zeichens müsse im Schaffen eines weiteren Zeichens bestehen, so muss unsere Aufmerksamkeit bevorzugt dem Generieren von Zeichen anstatt der Interpretation vorbestehender Zeichen gelten. In dieser Perspektive werden eine elementare Konzeption der Semiose und der neue Begriff des Semions vorgeschlagen, welche den generativen Charakter von Zeichenprozessen und Zeichenwelten in den Mittelpunkt stellen. Damit ist eine Möglichkeit gewonnen, Struktur und Dynamik nicht als getrennt und additiv, nicht als passiv-objekthaft bzw. aktiv-subjekthaft, sondern wie in den Energie- und Stoff-Wissenschaften als zwei Aspekte ein und derselben Wirklichkeit zu begreifen.

Es wird also hier ein Umgang mit Zeichenhaftem vorgeschlagen, welcher nicht wie üblich einen alltagssprachlichen Gegenstandsbereich begrifflich zu systematieren versucht (und sich damit freiwillig einschliesst), sondern als zeichenhaft jenes bestimmt, was zwischen zwei Erscheinungen vermittelt, wenn eine direkte und notwendige Bedingungs-Wirkungskette nicht ausreicht. Es zeigt sich, dass ein so konzipierter Zeichenprozesses eine konstitutive Rolle für Zeit spielt und dass überdies dieser zeitliche Charakter der Semiose als ausschlaggebend für die Möglichkeit von Evolution überhaupt wird.

Semiose wird im Anschluss an Peirces triadisches Denken als ein allgemeines Verursachungs- oder Bedingungs-Wirkungskonzept verstanden. Zeichenhaft seien alle Entitäten, welche als dritte aus der Begegnung von zwei anderen (zeichenhaften) Entitäten hervorgehen und ihrerseits solche Wechselwirkungen eingehen und damit neue Zeichen generieren können. Der Begriff der elementaren Semiose stellt diese Dreifachrelation als Prozess, der Begriff des Semions als den logischen Wirkungszusammenhang von mehr oder weniger überdauernden Strukturen dar, welche der Aufbewahrung eines Wirkungspotentials über die Zeit und seiner Transportierbarkeit im Raum dienen können. Diese generative oder Semion-Semiotik konstituiert mithin gerichtete und zunächst ordinale Zeitlichkeit und sie vermag die Gegenwart als Scheidung zwischen Vergangenheit und Zukunft zu erklären Wendet man diese Vorstellung auf oszillierende Strukturen und andere Entitäten an, welche intrinsisch-reaktive Zustandswechsel durchlaufen, so ist überdies ein semiotisches Konstituens von biotischer, psychischer und kultureller Zeit im Sinne von Periodizität wie von erstreckter Dauer und der Differenzierung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gefunden.

Inhalt 

A Kind of Summary

This paper (a slightly edited version of a 1993 presentation) presents essentials of a generative form of semiotic and applies it to questions of the constitution and analysis of time. By emphysizing the generative rather then the interpretative aspect of semiosis it attempts to improve the practicability of Charles Peirce's triadic-semeiotic thinking and his Thirdness category. By including the conservating and the generalizing potentials of semiosic structures (called semions) it aspires at an universal conception of mediated causation or condition-effect-connection which pertains to all phenomena of evolutive change. This form of semiotic, in particular, is apt to describe the becoming, the change and the dissolution of:

• organic or organismic systems in their continuing exchange with their environment (phylogenesis, bioevolution);

• learning individual organisms in their experience dependant life course within their world, in humans in particular of persons in their culture (ontogenesis, individual evolution);

• social systems or groups of all kinds in their waxing and waning within their milieu, in humans in particular of cultures and their diversification (cultural change, cultural evolution).

Development or evolution is to mean that systematic, yet both diverging and converging, i.e. regular and at the same time contingent, change of a system with its framing system; when viewed retrospectively change proves to be historically singular and thus it emerges prospectively open. In contradistinction to the time conception of physical science, evolutive systems are genuinely temporal; for evolution of any concrete system, in every present moment, "cristallizes" one only out of its many possible futures into its unique real past (see Lang 1997).

There exist surprising structural commonalities on the said three orders of evolution and in spite of their diverse manifestations. If semiotic is to be among other things a general procedure for comparison of different sciences, then it should exactly prove capable in probing commonalities between various developing systems. For this we need:

• a general concept of semiosis in process-perspective, and founding change;

• a corresponding concept of structure (called the semion) in state-perspective, and providing for memory or conservation of something for later use;

• both of which are then brought into a common perspective of reciprocating process and structure which can constitute evolution and time,

So part (I) will be dedicated to unfolding semiotic ecology from the content side. The leading idea here is the ecological function circle, i.e. the semiosic interchange of concrete living beings and similar systems with their environment with the effect of mutual transformation. In part (II) the conception of the elementary semiosic units in process (triadic semiosis) and state view (the semion) and their intercourse are presented. Reference to Peirce is made and a decisive distinction allowing for the generative character of semiosis is pointed out. Part (III) particularizes semiotic ecology in view of the constitution and analysis of time in evolutive systems. This is one of many examples demonstrating the heuristic efficacy of generative semiotic in conjunction with the ecological function circle. Usually, we say development to happen "in" time and therewith presuppose time to exist independently. The idea that any developing system produces its propers time by its very process though finds increasing support. Semiotic concretization of this idea may lead to better understanding of time.

The following line of argumentation may give an idea of the the kind of problem and solution embarked upon by semiotic ecology in the present context.

Presentday models of semiosis are dominantly of a communication theoretical character and thus suffer from the fact that their component parts (receiver, medium, message, sender, etc.) must be presupposed in spite of being themselves in need of being explained. Perhaps those might best be conceived of in semiotic terms rather than being taken over metaphorically from technical devices. In a second and independent prerequisite, this common conception also simply presupposes space and time as a framework of semiosis. However, in communcation-theory semiotics time is of no avail; it is only the material events in the communication channel which "take" some time to run and "transport" over space. All of today's concepts of sign or of meaning abstract thoroughly of time and space. At most, diachrony or change over time of sign system or sign use is investigated. The only factual temporal implication of sign concepts is their (ordinal) directedness in time, in that no sign can effect upon its past; but they do not respect neither "flow" nor "density" of time. Nominally, the tempora of linguistic signs relate to time; they deeply contradict scientific time conceptions.

All of this is less than satisfying in view of the fact that living beings to such an astonishing extent constitute their proper time and space systems that are more than ordinal and that are so highly coordinated among each other and with environmental conditions such as yearly, lunar, or diurnal oscillations and their consequnces. It is even utterly disturbing in view of the estimation that sign processes may or must play an absolutely central role in all evolutive ongoings. For any evolution requires something which arises at one time can play again a role at a later time. Yet this cannot necessarily be that something itself, but will often be some representation thereof. For an example the relation between the genom and the organism in bioevlution may be considered, or the representation in history of some earlier experience which can influence cultural change.

Such insights definitely suggest the development of a conception of semiotic of genuinely temporal nature. If the sign process is emancipated from its interpretative lockup by embracing and building upon Peirce's idea that any interpretation of a sign must consist in the creation of a further sign, we can direct our attention towards the generation of signs instead of towards the interpreation of pre-existings signs or of signs declared to be signs by the very act of their being interpreted. It is in this perspective that our conception of elementary semiosis and the new concept of the semion are proposed; the place the generative character of sign processes and of sign worlds absolutely central. By this they seize the possibility to no longer treat of structure and dynamics separately and additively, to no longer think of a passive-object-like sign and an active-subjekt-natured interpreter; instead, following the model of matter- and energy-sciences, it becomes possible to conceive of process and structure, of sign and meaning, as two aspects of one single reality.

Thus a mode of treating of sign characters is proposed which does not attempt to analize and systematize a selected and isolated range of phenomena (because this leads to islands of separate understanding). Instead we shall understand as being of semiosic character whatever can mediate between two phenomena. The world is, in fact, full of situations that cannot be dealt with in terms of necessary determination of an effect by a single cause. In developing a triadic condition-effect conception suitable for describing what happens in evolutive systems we find that this not only accounts for the evolutive process in general, but in addition as well for the constitution of time.

Semiosis thus is thought of as a general notion of causation or condition-effect-conception. Of sign-character are all entities which emerge as a third from the encounter of two other entities (of sign-character) and which can themselves enter such transactive encounters and thus can generate new sign structure. The concept of elementary semiosis presents this triadic relation in the process-view, the concept of semion conceives of it as the logical effect-connex implied in more or less enduring structures which can preserve some effect potential over time and can allow for its transportation over space. This generative or semion-semiotic thus constitutes directed and ordinal temporality and it can explain the present as the separation between the past and the future of a system. In applying this idea on oscillating systems and entities in general which run through intrinsic changes of state, we also have found a semiotic constituent of biotic, psychic, and cultural time in the triple sense of periodicity, of extensive duration, and of the distinction between past, present and future.

Inhalt 

Fussnoten

1. Aufgrund eines Plenarvortrags am 7. Internationalen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Semiotik zum Thema Zeichen und Zeit, in Tübingen am 6. Oktober 1993.

2. Als semiosisch bezeichne ich, was Semiose als realen Prozess betrifft; semiotisch heisse die Semiosen betreffende Betrachtungsweise. Mit dem neuen Ausdruck Semion benenne ich alle an Semiosen beteiligten und durch Semiose entstandenen, Semiosen konstituierenden realen oder nominalenStrukturen; der Ausdruck ist analog zum chemischen Ion und soll die dynamische Relationsbereitschaft von zeichenhaften, dh bedeutungsvermittelnden Strukturen akzentuieren.

3. Das ist umso pikanter als Herder Kant's Schüler war und ab etwa 1764 dessen Transzendentalismus schon im Entstehen zu kritisieren begann, übrigens mit ähnlichen Argumenten wie 100 Jahre später Charles Peirce.

Inhalt 

Literaturangaben

Boesch, Ernst E. (1993) The sound of the violin. Schweizerische Zeitschrift für Psychologie 52 (2) 70-81.

Lang, Alfred (1973) Der Umgang mit Dauer: ein neues Modell der inneren Uhr. Pp. 587-596 in: Reinert, G. (Ed.) Bericht über den 27. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Kiel 197l. Göttingen, Hogrefe.

Lang, Alfred (1992a) Die Frage nach den psychologischen Genesereihen -- Kurt Lewins grosse Herausforderung. Pp. 39-68 in: Schönpflug, Wolfgang (Ed.) Kurt Lewin -- Person, Werk, Umfeld: historische Rekonstruktion und Interpretation aus Anlass seines hundersten Geburtstages. Frankfurt a.M., Peter Lang.

Lang, Alfred (1992b) Kultur als 'externe Seele' -- eine semiotisch-ökologische Perspektive. Pp. 9-30 in: Allesch, Christian; Billmann-Mahecha, Elfriede & Lang, Alfred (Eds.) Psychologische Aspekte des kulturellen Wandels. Wien, Verlag des Verbandes der wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs.

Lang, Alfred (1993a) Non-Cartesian artefacts in dwelling activities -- steps towards a semiotic ecology. Schweizerische Zeitschrift für Psychologie 52 (2) 138-147.

Lang, Alfred (1993b) Eine Semiotik für die Psychologie -- eine Psychologie für die Semiotik. (Positionsreferat.) Pp. 664-673 in: Montada, Leo (Ed.) Bericht über den 38. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Trier 1992. Vol. 2. Göttingen, Hogrefe.

Lang, Alfred (1993c) Zeichen nach innen, Zeichen nach aussen -- eine semiotisch-ökologische Psychologie als Kulturwissenschaft. Pp. 55-84 in: Rusterholz, Peter & Svilar, Maja (Eds.) Welt der Zeichen -- Welt der Wirklichkeit. Bern, Paul Haupt.

Lang, Alfred (1993d) Absolutes Gehör. (auch in Originalversion von 20 S. verfügbar.) Pp. 558-565 in: Bruhn, Herbert; Oerter, Rolf & Rösing, Helmut (Eds.) Musikpsychologie -- ein Handbuch. Reinbek, Rowohlt. (2. Auflage).

Lang, Alfred (1994 / im Druck) Menschen als Schöpfer und Geschöpfe ihrer Welt der Kultur -- Herders evolutiv-dialogisches Menschenbild. Pp xxx-xx in Wolfgang Pross & Rupert Moser (Eds.) Herder und die Entstehung der modernen Wissenschaften vom Menschen. Bern, Peter Lang.

Lang, Alfred (1997) Fluss und Zustand - psychische, biotische, physische und soziale Uhren und ihre psychologischen, biologischen, physikalischen und soziologischen Modelle. Pp. 187-235 in: Peter Rusterholz & Rupert Moser (Eds.) Zeit -- Zeitverständnis in Wissenschaft und Lebenswelt. Bern, Peter Lang.

Lewin, Kurt (1922) Der Begriff der Genese in Physik, Biologie und Entwicklungsgeschichte: eine Untersuchung zur vergleichenden Wissen schaftslehre. Berlin, Bornträger / Springer. 45 Abb., 240 Pp. ((In Kurt-Lewin-Werkausgabe, Band 2, Pp. 47-318. Bern, Huber, 1983)).

Markwalder, Stefan (1993) Auf den Spuren des Wohnens -- eine explorative Untersuchung zur Regulation der sozialen Bezüge im Zweipersonenhaushalt. Diplomarbeit, Bern, Institut für Psychologie der Universität. 116 Pp + Anhang.

Mayr, Ernst (1991) Eine neue Philosophie der Biologie. (Erweiterte deutsche Ausgabe der Aufsatzsammlung (1988) "Toward a new philosophy of biology".) München, Piper. 470 Pp.

Miles, Jack (1996) Gott - eine Biographie. Aus dem Amerikanischen von Martin Pfeiffer. München, Hanser.

Nisbett, Richard E. & Wilson, Timothy D. (1977) Telling more than we can know: verbal reports on mental processes. Psychological Review 84 231-259.

Peirce, Charles Sanders (1931ff.) Collected Papers of Charles Sanders Peirce. Charles Hartshorne; Paul Weiss & Arthur W. Burks (Eds.) 8 vols. in 4 books Cambridge Mass., Harvard Univ. Press (Belknap Press). (2nd printing 1960). Zitiert als CP Band.Abschnitt.

Peirce, Charles S. (1992) The essential Peirce: selected philosophical writings. Houser, Nathan & Kloesel, Christian (Eds.) vol. 1. Bloomington Ind., Indiana Univ. Press. 399 Pp. Zitiert als EP Band:Seite.

Schönrich, Gerhard (1981) Kategorien und transzendentale Argumentation: Kant und die Idee einer transzendentalen Semiotik. Frankfurt a.M., Suhrkamp. 384 Pp.

Short, Thomas L. (1986) What they said in Amsterdam: Peirce's semiotic today. Semiotica 60 (1/2) 103-128.

Ungeheuer, Gerold (1987) Vor-Urteile über Sprechen, Mitteilen , Verstehen. Pp. 290-338 in: Juchem, Johann G. (Ed.) Kommunikationstheoretische Schriften I. Aachen, Alano / Rader Publ.

Top of Page