Alfred Lang | ||
Public Addresses 1993 | ||
Ansprachen aus Anlass der Eröffnung der Unitobler-Gebäude | 1993.22 | |
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Am 4. Mai und 2. Oktober 1993 | © 1998 by Alfred Lang | |
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Begrüssung zur offiziellen Eröffnung der Unitobler, 22.Oktober 1993
Unitobler: "Musen" von Elisabeth Langsch - Übergabe der "Kunst amBau" am 4. Mai 1993
Sehr verehrte, liebe Gäste!
Ich begrüsse Sie zur offiziellen Eröffnungsfeier der Unitobler.
Hier im Herz dieses Zentrums für Geistes- und Sozialwissenschaften haben sich für diesen feierlichen Akt, das Ritual der Übergabe, Nutzer, Begleiter, Mitwirkende, Urheber und Verantwortliche eines grossen Werks von nun bald 13 Jahren versammelt.
Von den 8 bernischen Regierungsräten, die am Projekt unmittelbar Verantwortung trugen, darf ich begrüssen die beiden amtierenden
Frau Baudirektorin Dori Schaer-Born
Herrn Erziehungsdirektor Peter Schmid
Sie sind die Protagonisten des Tages
und die ehemaligen Regierungsräte
Werner Martignoni
Henri-Louis Favre
Gotthelf Bürki
Von den Spitzen des Grossen Rates begrüsse ich
die Fraktionspräsidenten eines Teils der Parteien
Als Vertreter des Bundes
heisse ich Herrn Dr. Gerhard Schuwey, den Direktor des Bundesamtes für Bildung und Wissenschaft, mit seinen engsten Mitarbeitern,
und Herrn Niki Piazzoli, den Direktor des Amtes für Bundesbauten, willkommen
Als Vertreter der Gemeinde Bern
die Direktorin für Fürsorge und Gesundheit, Frau Gemeinderätin Ursula Begert, zusammen mit den Chefbeamten der verschiedenen am Bauverfahren direkt beteiligen Ämter
Besonders herzlich begrüsse ich die wirklichen Zauberer dieses ungewöhnlichen Werkes, die eine Schokoladefabrik in eine Universität verwandelt haben.
Es sind zu viele, sie alle aufzuzählen, die Chefs und Mitarbeiter aus der Baudirektion, aus der Erziehungsdirektion, aus der Universitätsverwaltung, aus der Finanzdirektion einerseits und die beauftragten Architekten mit ihren zahlreichen Fachingenieuren, Beratern und Helfern anderseits.
Lassen Sie mich nun gerechterweise stellvertretend fünf von den vielen herausgreifen, ohne deren Unermüdlichkeit, deren Hartnäckigkeit, deren Einsatz und deren Kompetenz ich mir die heutige Unitobler schwer vorstellen kann:
Der Präsident der Baukommission, Kantonsbaumeister Urs Hettich. Das ist der Baumeister, der weiss, wann man besser nicht baut oder besser umbaut und deshalb so vernünftig baut.
Der verantwortliche Projektleiter, Werner Probst. Das ist der Mann der immer eine Lösung findet; und eine gute Lösung.
und dann zeitlich eigentlich der früheste, der eigentliche Türoffner zur Unitobler, der die Idee aufbrachte und bis dorthin führte, wo dann alles seinen Lauf nahm:
Es ist Dr. Jürgen Waibel, der frühere Universitätsplaner des Kantons. Ich finde es ganz besonders befriedigend, ihn unter uns zu haben, der im vergangen Sommer schwer erkrankt ist, der im Rollstuhl seinen Tatendrang bändigen muss, aber hier die Realität seiner Visionen erfahren darf.
Die Muse Elisabeth Langsch, die uns die herrlichen Musen geformt hat. Die sprechen für sich.
Und schliesslich die Architekten, ein tolles Team von drei Köpfen und einer tüchtigen Hand. Aber das ist eine grobe Vereinfachung. Sie werden sie hören und Sie sitzen ja in ihrem gelungenen Werk.
Aber was ich vorweg verraten kann: ich sag's von den Architekten, es gilt für sie am meisten, aber auch für manche Beteiligte sonst; Unitobler ist nicht irgendeine Arbeit gewesen; in dieses Werk sind sie mit Knochen und Herz hineingegangen. Da konnten nicht selten Freunde und Partner zu Recht auf diese Unitobler-Geliebte eifersüchtig werden.
Damit komme ich zur Nutzerseite des Unternehmens. Wir haben ja nun schon mehr als ein halbes Jahr in dem Haus gelernt, gelehrt und geforscht, und geniessen es. Aber ich greife vor.
Wäre ich ein professioneller Zeremonienmeister, müsste ich Seine Magnifizenz, den Herrn Rektor Andreas Ludi, begrüssen. Aber passender ist, schlicht die Universitätsleitung willkommen zu heissen, in corpore und zusammen mit den Chefs der direkt beteiligten Abteilungen der Universitätsverwaltung.
Auch Ihre Spektabilitäten, die Dekane der involvierten Fakultäten freue ich mich, zu sehen und die Direktoren und Vertreterinnen der in der Unitobler vereinigten Institute, und die Vertreterinnen der Studentenschaft und Studentinnenschaft der Gesamtuniversität.
Das lenkt die Gedanken auch auf eine Art Amöbe, die teilweise hier anwesend ist, teilweise schon aufgezählt, teilweise dieses Haus anderweitig erfüllt: Ich meine die partizipativen Planungs- und Arbeitsgruppen aus 10 Jahren, die kamen und gingen und schufteten und schwitzten und ... hinterher hat es sich wohl gelohnt.
Dass die dreitausend Studierenden und die übrigen Professoren, die zahlreichen Assistentinnen und die administrativen Helferinnen nicht zugegen sind hat seine guten Gründe: es ist Arbeitstag, auch Tag der offenen Tür genannt, und Festtag, bis weit in die Nacht hinein und morgen wieder: Arbeitstag.
So konnten, wie noch viele andere Beteiligte, die hunderte von Handarbeitern, Papierbearbeitern, Sachbearbeitern, Stahlbearbeitern, etc., nicht eingeladen werden. Wir hätten sie gar nicht alle unterbringen können. Aber ich möchte mit Ihnen zusammen an sie denken.
Diese Arbeiter sind es, von denen, und diese und die künftigen Studierenden sind es, für die das Werk vor allem errichtet wurde.
Mein Gruss gilt schliesslich den Leitern der Stadt- und Universitätsbibliothek,
den Leuten, die für unser leibliches Wohl sorgen, den Mensabetrieben, den Hauspflegern,
und einer Reihe von Gästen aus Institutionen, die auf unterschiedliche Weise der Universität verbunden sind.
Darunter will ich die Quartier-Organisationen und die früheren Besitzer dieses Hauses nennen, die Vertreter der FirmaTobler (sie heisst jetzt etwas komplizierter). Sie werden mich alle unterstützen, nicht wahr, wenn ich beim Apero mit Herrn Direktor Fischbach ein Gespräch über die Stiftung eines Lehrstuhls anbandeln werde.
Ganz zum Schluss will ich zwei Herren namentlich begrüssen, die jetzt da irgendwo im Hintergrund oder draussen weiterwirken. Es sind unsere beiden Sklaven, wie sie sich selber nennen, die Hauswarte, zwei für die Arbeit von drei. Keine Angst, Herr Schneider und Herr Brönnimann, wir werden eingreifen, wenn Ihr Verkauf geplant werden sollte.
Endlich will ich alle bisher nicht genannten Gäste und Freunde begrüssen. Dazu gehöre wohl auch ich selbst; denn ich weiss manchmal fast nicht mehr, wo ich hingehöre. Sie werden sich vielleicht schon gewundert haben, warum ausgerechnet einer der Professoren dieses Hauses, das ja noch gar nicht übergeben ist, Sie hier begrüsst.
Die Erklärung ist ganz einfach. Da habe ich halt einen Spitznamen bekommen, im Lauf der Jahre, in der Fakultät und weitherum in der Uni: Mr. Tobler eben. So eine Art Scharnier zwischen den künftigen Nutzern und den Erbauern. Und so bekommt man eine Verantwortung. Und so nehme ich mir heraus,
Ihnen noch ein wenig von der Unitobler-Idee zu erzählen.
Ein gutes Dutzend Jahre alt sei Unitobler: Landkauf, Raumprogramm, Planung, Beschluss, Ausführung, Einzug
Aber die Unitobler ist die jüngere Alternative zu einer Dreissigjährigen.
Es war eine meiner ersten Aufgaben als Assistent zu Beginn der 60er Jahre, die Unterlagen für das Raumprogramm für mein Fach zu erstellen im Hinblick auf einen Bau für die Geisteswissenschaften auf dem Viererfeld.
Unitobler hat auch Eltern, und die reichen tief ins letzte Jahrhhundert zurück
Ich zitiere ein paar Sätze aus einem Schreiben der Fakultät an die Erziehungsdirektion aus dem Jahr 1985, als wieder einmal aus irgendwelchen nichtigen Gründen das Projekt nahe am Scheitern war:
"Die Seminare und Institute der phil.-hist. und der theol. Fakultäten sind räumlich unzureichend ausgestattet. Sie sind im Verhältnis zur gewachsenen Mitarbeiter- und Studentenzahl zu eng geworden. Die Seminare liegen z.T. weit voneinander entfernt und über die halbe Stadt verstreut und sind grösstenteils in Provisorien untergebracht. So wird durch unnötigen Aufwand und Betriebserschwerungen Zeit und Geld verschleudert. Die immer neuen Anpassungen bewirken unökonomische Folgekosten."
Und weiter:
"Der Staat sollte sich nicht dem Vorwurf aussetzen, gerade in einer Zeit, da viele Menschen von den Geisteswissenschaften ein Gegengewicht zum überbordenden materialistischen Denken erwarten, diese Fächer durch einen unverständlichen Negativ-Entscheid zu desavouieren."
Den sachlichen Argumenten, gegen die schwer etwas einzuwenden ist, folgte eine fast gereizte Mahnung, die vielleicht etwas vom Horizont ahnen lässt, welchen diese Unitobler für diejenigen bekommen hat, welche Einsicht in die Zusammenhänge gewonnen hatten.
Der Gedanke, als Begründung ins Positive gewendet, war das Hauptargument in der Kampagne für die Volksabstimmung vom 7. Dezember 1986: ein 90-Millionen-Kredit.
Wir nehmen es allgemein für selbstverständlich, dass es an der Universität zwei philosophische Fakultäten gibt. Oder Naturwissenschaften und sogenannte Geisteswissenschaften, aus denen noch sogenannte Sozialwissenschaften herausgewachsen sind.
Es war aber erst 1921, dass sich die Berner philosophische Fakultät nach Jahrzehnten der Abteilungsbildung formell geteilt hat, und erst noch illegal bis 1954.
Mehr noch, wir nehmen es allgemein für selbstverständlich, dass die Naturwissenschaften viel Geld brauchen und bekommen, weil sie eben nützlich sind; die Geisteswissenschaften können sich mit ein paar Büchern und Tisch und Stuhl einrichten, eigentlich ein Luxus, ja, mit ein bisschen Nützlichkeit auch, für die Lehrerbildung.
Wahrscheinlich, hinterher ist man halt klüger, war das ein epochaler Irrtum. Und wenn sich nicht selten Geisteswissenschaftler mit dieser Stiefkindrolle gewissermassen abgefunden und im sprichwörtlichen Elfenbeinturm so etwas wie Selbstbefriedigung gesucht haben, so ist das vielleicht so verständlich wie unglücklich.
Jetzt will ich gewiss nicht subito unerfüllbare Hoffnungen wecken. Aber ich will mich freuen und Sie alle bitten, in diese Freude des heutigen Tages einzustimmen:
die Geistes- und Sozialwissenschaften bekommen jetzt ihr eigenes Haus!
jetzt werden sie sichtbarer, ansprechbarer, aufsuchbarer;
und sie scharen sich um ein gemeinsames Herz, ihre vielfältige Bücherei, zur Intensivierung der Zusammenarbeit;
jetzt setzt auch der Kanton Bern ein öffentliches Zeichen, dass die Allgemeinheit das Nachdenken über Wert und Sinn in unserer Kultur zu schätzen weiss und langfristig etwas davon erwartet.
Mit diesen Gedanken entlasse ich Sie gerne in unseren Rite de Passage,
in einen grossen Reigen von Musik und Reden,
gestaltet von Christian Probst und Christian Gerber und ihren Helfern.
Eigentlich sollten wir Sie alle und noch viele mehr hier singen und tanzen lassen, wie in einem echten rite de passage; aber Sie haben immerhin zwei Stunden lang etwas zu erdulden.
Die Unitobler wird in zwei Stunden ins Erwachsenenalter eintreten
und dann soll sie wissenschaftlich fruchtbar werden!
Unitobler: "Musen" von Elisabeth Langsch - Übergabe der "Kunst am Bau" am 4. Mai 1993
Es ist wie im Märchen:
Man träumt ein bisschen -- man setzt sich ein bisschen den Wundern der Welt aus -- man muss auch seinen Einsatz leisten -- man denkt und malt sich etwas aus -- und plötzlich ist etwas Wirklichkeit, womit man kaum gerechnet hat.
Dann kann man sich freuen und dankbar sein, mit allen die mitgewirkt haben, mit allen die sich darauf freuen, mit allen, für die es etwas ist oder noch wird.
Heute reden wir von einem Prozent Unitobler -- einem Prozent der Kosten, aber vielleicht eine recht viel wichtigere Sache. Eine Botschaft, bessser, der Kern eines Dialogs.
Ich darf vielleicht ein paar Sätze zitieren aus der Ausschreibung des Wettbewerbs für Kunst am Bau:
Diese hier arbeitenden Wissenschaftler und Studierenden widmen ihren Einsatz zur Hauptsache Disziplinen, die sich mit Sinn- und Wertfragen befassen, die über den Menschen und seine Existenz nachdenken und seine kulturellen Traditionen und Perspektiven zu verstehen und zu deuten versuchen. Obwohl auch diese Wissenschaften der Allgemeinheit wichtige Dienste erweisen, werden sie nicht selten als Luxus in einem gewissen Gegensatz zu den nützlichen Disziplinen gesehen. In der überraschend positiv ausgegangenen Volksabstimmung über den 89 Mio-Kredit hat auch das Argument eine Rolle gespielt, es solle für die Geisteswissenschaft mit diesem Haus ein Zeichen gesetzt und das Gleichgewicht zwischen technisch-naturwissenschaftlichen und kulturell-geisteswissenschaftlichen Tätigkeiten etwas zurechtgerückt werden.Es ist deshalb sinnvoll, im geplanten Kunstwerk das Selbstverständnis und eine "Botschaft" der in diesem Haus versammelten Wissenschaften in irgendeiner Weise aufzunehmen. Mit bildnerischen Mitteln könnte ein Dialog der Nutzer mit der Bevölkerung angeknüpft und auch unter den Nutzern selbst gepflegt werden, von den vorüberziehenden Studierenden, den länger verweilenden Mitarbeitern bis zu den Professoren in Lebensstellen. Auch ein Moment der Provokation dieser manchmal auch freiwillig in ihrem "Elfenbeinturm" verharrenden Wissenschaftler ist erwünscht; doch sollte die Langfristigkeit der Unternehmung Wissenschaft und ihre Verwurzelung in jahrhundertealten Traditionen mitbedacht werden.
Aus solchen Überflegungen entstanden Varianten für eine Art Bildprogramm, oder doch Anregungen dazu, an denen sich die Künstler orientieren konnten.
Der geistigen Armut der Zeit entsprechend ist es nicht ein Programm, wie es die Päpste und Fürsten und Stadtdemokraten im Lauf der Jahrhunderte formuliert und uns in Stein und Farbe hinterlassen haben. Aber vielleicht umso wichtiger, dass wir es wenigstens versuchen.
Jetzt haben wir sieben Musen.Und wir können anfangen zu rätseln, welche es denn seien. Denn diese hier tragen keine Zeichen mehr, die anzeigen, wer sie sind.
Klio, Schriftrolle - ja Geschichte haben wir hier im Haus, aber wo steht sie?
Kalliope, die Schreibtafel - ja, man befasst sich überwiegend mit Geschriebenen in dem Haus.
Urania, Euterpe, Polyhymnia, Erato und wie sie alle heissen - Himmelsordnung, Musik,Tanz, Chor oder Liebeslied - vielleicht zur Mahnung, uns den nüchternen Wissenschaften nicht ganz zu ergeben,
Tragödien und Komödien des universitären Alltags weder zu ernst noch zu leicht zu nehmen, wir entgehen weder dem einen noch dem andern
Die Musen haben viele Deutungen auf sich gezogen in den Jahrhunderten ihrer Existenz.
Trefflich finde ich die Sicht von Hesiod, der sie sagen lässt, viel Wahres wüssten sie zu künden und vieles, was wie Wahrheit nur aussehe.Wissenschaft eben.
Zum Glück sind es nicht neun. Das erinnert uns immer, dass auch unsere Welt nicht fertig ist, dass wir daran weiterbasteln müssen und wettstreiten, für welche wir uns einsetzen.Und auch ein Glück, dass der ursprünglich geplante Zeus als Gockel im Hühnerhof jetzt fehlt.
Sonst kämen einige Student(inn)en vielleicht noch auf den Geschmack und würden beim Zeus um göttliche Ambrosia betteln, statt ordentlich den Wissenschaften und ihren Musen zu dienen und sie und ihre Sache weiterzuführen.
Ich freue mich, dass wir die Musen haben, dass wir ihre Sockel besitzen können, dass wir in ihrem Schatten träumen können und mit ihnen an Traditionen teilhaben, die in die Zukunft offen sind und für die wir in dieser Universität aufgefordert sind, fortwährend an ihrer Verbesserung zu arbeiten.
Und ich danke allen sehr herzlich, die sie ermöglicht haben:
dem Volk und dem Gesetz und seinen Beauftragten,den zehn anderen Künstlern, die sich für unser Bildprogramm einsetzten und dann nicht berücksichtigt werden konnten,
und ganz besonders der Künstlerin, Frau Langsch und ihren Helfern, die uns die bunten und rätselhaften, lächerlichen und erhabenen, geduldigen und widerspenstigen Projektionsflächen für unsere Träume und die daraus erwachsenden Wirklichkeiten gegeben hat. Merci!
Liste (Töchter des Zeus und der Mnemosyne)