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Alfred Lang

University of Bern, Switzerland

Conference Presentations 1993

Die drei Seelen in des Gärtners [des Bauern] Brust

Ergreifen die Gärtner [die Bauern] Partei für die Natur oder für die Kunden oder gibt es ein Drittes?

1993.21

@EcoPsy @CuPsy

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Vorträge bei Gärtnern Oeschberg / Biobauern Möschberg

Vortrag vom 19.1.1993 im Kursaal Bern an der 17. Studientagung "Gärtner und die Wissenschaft" des Vereins Ehemaliger der Kant. Gartenbauschule Oeschberg/BE
und mit einigen Varianten am 30.1.1993 in Grosshöchstetten an der "Möschberg: Wintertagung" der Schweiz. Bauernheimatbewegung / Biogemüse AVG / Biofarm-Genossenschaft

© 1998 by Alfred Lang

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Inhalt

 


 

 

Herkömmliche Leitfiguren

Meine sehr verehrten Gartenmenschen und Wissenschafts-Liebhaber-Skeptikerinnen! 

"Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust,

Die eine will sich von der andern trennen;

Die eine hält in herber Liebeslust

Sich an die Welt mit klammernden Organen;

Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust

Zu den Gefilden hoher Ahnen."

So die berühmten Verse, mit denen Goethes Faust seinem Famulus Wagner seine Lebenslage zu erklären versucht. Es ist am Ostermorgen draussen vor der Stadt. Die Pflanzen spriessen, die Sonne wärmt wieder nach dem harten Winter. Das irdische Leben hat die Menschen.

Wagner ist ein irdischer Mensch, der seine Pflicht tut, in seiner Pflicht aufgeht. Was er tut, auch mit Freude geniesst, und sich an der Anerkennung freut, die seine Arbeit ihm einbringt.

"Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt,

Des Vogels Fittich werd ich nie beneiden."

Auch wenn er Bücher studiert und Schüler unterrichtet: Wagner ist eigentlich fast ein Naturbursch. Die erste Seele, die Naturseele, hat ihn ganz und gar. Er nimmt die Welt wie sie ist.

Faust verachtet ihn dafür, obwohl er weiss, dass er diesen irdischen Werker und Realisten braucht. Die Naturseele hat er auch selber in seiner Brust.

Aber dazu eine zweite Seele, eine beflügelte Seele, eine strebende, eine himmelsstürmende Seele, die faustische Seele.

"Vor mir der Tag und hinter mir die Nacht..."

Es ist die Einstellung des modernen Menschen unserer Zivilisation. Alles aufdecken, alles erkennen. Herausfinden, "was die Welt - im Innersten zusammenhält". Es ist die Seele des immer Mehr, immer Besser, immer Grösser, immer Verrückter.

Die wissenschaftliche Haltung ist ein bedeutender Ausfluss dieser faustischen Seele. Das Denken zum Machen. Was ich glaube zu können, das will ich auch tun. Der Mensch als Täter, der in seinem Drang die Welt erkennend durchdringt und emsig schaffend für seine Zwecke drunter und drüber kehrt. Verbessert, verschlimmbesssert.

Dr. Faust ist vielleicht die treffendste Symbolfigur der westlichen oder abendländischen Zivilisation, die ein kluger Sprayer treffend umgetauft hat in die "Zuvielisation".

Faust ist eine legendäre Figur. Ein Dr. Johannes oder Georg Faust soll zur Zeit der Reformation im Süddeutschen Raum als herumwandernder Schulmeister und Zauberkünstler, als Frauenverführer und Horoskopsteller und viel anderes mehr unliebsam aufgefallen und überall nach kurzem Aufenthalt vertrieben worden sein. In die Literatur gelangte er gegen Ende des 16. Jahrhunderts zunächst als Antiheld. Der Verfasser der "Historia vom Dr. Johannes Fausten" wollte vor unnützem Forschen und Spekulieren warnen, indem er das schreckliche Schicksal dieses Paktes mit dem Teufel an die Wand malte. Der Stoff wurde zum beliebten Jahrmarktspiel. Die Faszination durch diesen Himmelstürmer und seine tollen Leistungen und Erlebnisse hat aber wohl die Abschreckungswirkung nicht selten überwogen. Nach manchen anderen Fassungen als Erzählung oder Theaterstück ist Goethes Faust ein Text mit besonders vieldeutigen Facetten. Man kann ihn himmelstürmend oder höllenstürzend lesen.

Dr. Faust ist der Streber nach Höherem, Besserem. Er fährt zur Hölle, wohl weil er seinen Anspruch übersteigert, das Mögliche zum Wirklichen zu machen. Sein Pakt mit dem Teufel enthält die Klausel, dass der Teufel seine Seele bekommt, wenn Faust rastet, wenn er aufhört weiterzurasen. Wenn er im Genuss des Augenblicks verweilen will. Wenn er sein Himmelsstrümen auch nur einen Moment lang aufgibt, so fährt er zur Hölle.

Sie realisieren, wie sinnig das ausgedacht ist. Nehmen Sie Hölle und Teufel und Pakt nicht gar zu wörtlich. Die These ist: haben wir einmal diese Bahn des Immer-Mehr-und-immer-Besser bestiegen, so können wir nicht mehr aussteigen, ausser in unser eigenes Verderben. Wir sind die Gefangenen der Maschinerie geworden, die wir uns aufgebaut haben.

Es gibt noch einen anderen berühmten Höllenfahrer: Don Juan. Am bekanntesten als Oper von Mozart. Im Gegensatz zu Faust ist Don Juan der Liebhaber des Augenblicks. So kunstvoll er um Frauen buhlt, er ist die Verkörperung der ersten Seele, der Naturseele. Auch die vielen Geliebten Don Juans sind nicht einfach das andere Geschlecht. Eher, so könnte man sagen, geht es um das Aufgehen in der eigenen Natur und um die Anerkennung einer Naturordnung.

Und beide Leitfiguren, Dr. Faust wie Don Juan, werden nicht zuletzt deshalb so eifrig und nachhaltig bis heute im Theater und in der Literatur kultiviert, weil sie Anlass zu Gegenbewegungen bieten. Zur Korrekturversuchen des Kurses der gesellschaftlichen Entwicklung. Mit der Moral der guten Ordnung gegen Lust und Gier des Don Juan. Mit Zukunftsschreckens-Visionen gegen die grössenwahnsinnigen Projekte des Dr. Faust.

 

Diagnose und Aufgabe

Was hat das alles mit der Gärtnerei zu tun? Und von drei Seelen war die Rede. Und ob es über die Geborgenheit in der Natur und über die Beherrschung der Natur hinaus etwas Drittes gebe?

Nun, die Frage ist, ob die Natur stärker ist als wir. Oder ob wir auf die Dauer gewitzter sind. Und wie ergreifen die Gärtner Partei, für die Natur oder für ihre Machbarkeit? Für den Garten, der den beliebigen Wünschen der Menschen zu Diensten ist. Oder für einen Garten, der seine eigene Natur ist und den Menschen in die Schranken weist? Oder vielleicht für einen Garten, der dem Menschen auch ein Gegenüber ist, ein Partner, zugleich streng und gütig, der ihn auf seinen Platz in einem grösseren Ganzen verweist?

Ich glaube, wir brauchen dringend eine dritte Leitfigur. Modelle, welche die Verhaltensmuster von Don Juan und Dr. Faust in den Schatten stellen. Das ist es, worauf ich heute mit meinem Nachdenken über das Verhältnis zwischen den Menschen und ihrer Umwelt hinaus will.

Vielleicht könnte die neue Leitfigur eine weibliche sein. Natürlich habe ich keine fertige Figur anzubieten. Modelle diser grundlegenden Art kann man nicht irgendwo auflesen. Es ist der Prozess des Findens und mehr noch des ständigen Ausformens über Generationen, worauf es bei einer solchen Leitfigur und ihren vielen FAcetten ankommt. Leitfiguren müssen auf ihre Art lebendig sein, immer wieder neu beleuchtet und gedeutet, beschnitten und erzogen, in ihren Verästelungen ins ganze Leben hinaus verfolgt. Leitfiguren sind eine Art fortlaufende Bastelarbeit. Was ich hier skizzieren kann, sind also nur ein paar Striche und Stützen. Ein Beitrag zum Weiterdenken und -fühlen.

Also kein Vorschlag zu einer neuen Leitfigur in Form einer Modellperson. Sondern bestenfalls ein paar Ideen dazu. Ich bin ja kein Dichter, sondern bloss ein Gartenliebhaber und ein Wissenschaftler. Und weder ein Naturbursch noch ein faustischer Wissenschaftler. Vielmehr ein Wissenschaftler, der sich um die Zukunft sorgt. Ein selbstkritischer Wissenschaftler. Einer der meint, Wissenschaft sei vor allem auch die edle menschliche Tätigkeit des "Be-Denkens". Also des Untersuchens, ob man den Zusammenhang des Untersuchten wirklich versteht. Die Anwendung von Halbwissen hat uns in den letzten Jahrhunderten eine Riesenmenge von Problemen eingebrockt. Und was man aufgrund von Halbwissen eilfertig gemacht hat, wurde über die ganze Erde ausgestreut. Mit verheerenden Folgen, wie wir wissen.

Ich glaube nicht, dass es heute noch nötig ist, in diesem Kreis unsere Situation drastisch auszumalen. Ich brauche nur an die unaufhaltsamen Züge zu erinnern, die mit wachsender Geschwindigkeit mit uns dem Abgrund zurasen: das Bevölkerungswachstum und die Ernährungslage, sowie der Energieverbrauch mit dem Freisetzen des Kohlendioxids.

 

FOLIE WACHSTUM BEVÖLKERUNG und GETREIDEPRODUKTION

(aus Meadows, Donella und Dennis (1992) Die neuen Grenzen des Wachstums. Stuttgart, DVA. S. 73)

 

FOLIE DÜNGEMITTELEINSATZ

(aus Meadows, Donella und Dennis (1992) Die neuen Grenzen des Wachstums. Stuttgart, DVA. S. 36)

 

FOLIE LANDFLÄCHEN-ENTWICKLUNG

(aus Meadows, Donella und Dennis (1992) Die neuen Grenzen des Wachstums. Stuttgart, DVA. S. 76)

 

FOLIE FRISCHWASSER-HAUSHALT

(aus Meadows, Donella und Dennis (1992) Die neuen Grenzen des Wachstums. Stuttgart, DVA. S. 80)

 

FOLIE KOHLENDIOXID-ZUNAHME

(aus Al Gore (1992) Earth in the balance: ecology and the human spirit. Boston, Houghton Mifflin. S.94, nach Daten aus den Alaska-Eis-Kernbohrungen)

 

Warum ich hier den Dr. Faust zitiert habe? Nun, dieser prekäre Zustand, in dem sich unser Planet und die Menschen darauf befinden, wäre ohne faustische Wissenschaften nicht denkbar. So ist wohl verständlich,dass von den Wissenschaften auch gefordert wird, sie sollten uns aus dem Schlamassel wieder hinaushelfen. Verständlich, aber vergeblich. Die Wissenschaften haben keine so grosse Trickkiste. Natürlich haben sie viele kleine Massnahmen anzubieten, die die Situation etwas entschärfen. Aber niemand kann das Kohlendioxid wegkatalysiern oder die unentbehrlichen Wassermengen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sicherstellen.

Die Wissenschaftler stellen seit Jahrzehnten die bedenklichsten Prognosen bereit. Nach allem verfügbaren Wissen sind wir wohl bereits in in der Intensivstation. Aber man hört nicht auf sie.

Wissenschaft und Technik geraten in die Rolle von Ärzten und Krankenpflegern, die am Bett eines ständig mit neuen Schwären aufbrechenden Patienten fortwährend nach neuen Tricks und Prothesen suchen müssen, den alten und siechen Mann am Leben zu erhalten versuchen. Vorher, solange er wirklich lebte, ging alles von selbst. (Das Bild stammt von James Lovelock, dem Propagator der Gaia-Hypothese.)

Es ist längst nicht mehr fünf vor zwölf, sondern bereits später als als fünf nach zwölf. Nur eine grössere Katastrophen kann noch verhindern, dass uns diese Züge in den Abgrund reissen. Es ist schon recht paradox, dass man eine grössere Katastrophe herbeiwünschen muss, in der Hoffnung, dass sie vielleicht Einsicht und Umkehr bewirken könnte.

[[[ Ergänzung auf dem Möschberg:

Es ist üblich in unserer Gesellschaft, solchen Verzweiflungstätern, die sich selber verderben, in den Arm zu fallen. Erst recht so, wenn die Verzweiflungsäter auch andere mit ins Verderben ziehen. Das scheint den Menschen nicht zu gelingen, da die Verzweiflungstat in kollektivem Massenhandeln auftritt.

Die führenden Kreise stacheln die andern an, ja erpressen sie, immer weiter zu machen zur Pflege ihres Grössenwahns. Haben Sie auch den Eindruck bekommen, dass in der NEAT und in der EWR Debatte systematisch die Argumentation unterdrückt worden ist, die in Richtung Wachstumsbegrenzung oder qualitatives Wachstum gehen wollte.

Kürzlich war die Vox-Analyse der EWR-Abstimmung (zumindest in der Presse) kein Wort von einer grünen Kontra-Argumentation zu lesen. Da die Befrager nicht danach gefragt haben, scheint sie nicht zu existieren. So wird bei uns die Wirklichkeit manipuliert.

Eine meiner grösseren Enttäuschungen der letzten Jahre ist die Entwicklung der sog. Grünen Politik. Sie schwankt seit langem im Zweifel zwischen kurzfristiger Taktik und langfristiger Strategie. Die Medien und andern Politiker haben dies als Realismus vs. Fundamentalismus karikiert. In der Realpolitik für Amt und Einfluss verflüchtigen sich die guten Grundsätze rasch.]]]

Viele Leute wissen Bescheid. Das Verrückte ist, dass nur wenige ihrem Wissen gemäss zu handeln vermögen. Und wir haben, in den meisten industrialisierten Staaten, Regierungssysteme, die kanalisiert sind auf eine Flucht nach vorn: immer mehr und immer besser und immer grösser. Und die übernationalen Gremien setzen auf weiteres Wachstum wie die EG oder sind machtlos wie die UNO.

Etwas schroff gesagt, sind Wissenschaftler und Machenschaftler zu unterscheiden. Die Machenschaftler sind in unserer Zivilisation seit einiger Zeit und immer noch sehr gefragt. In ihnen herrscht die faustische Seele total. Aber wir können uns auch nicht der Naturseele einfach ausliefern. Die faustische hat sie ja so sehr abgedrängt und geschwächt. Gegen sie durch Rückkehr aufkommen zu wollen, wäre aussichtslos.

Wir brauchen wirklich ein drittes Leitmodell. Wie können wir eine dritte Seele fassen und stärken? Das ist für mich zur Hauptfrage meiner Wissenschaft vom Menschen in seiner Welt geworden. Denn Gegentechnkiken, so notwendig sie sind, schaffen nicht gründlich genug Remedur. Es bedarf einer Umorientierung der handelnden Menschen. Darum ist auch mein Fach gefragt. Am Beispiel des Umgehens mit der Natur kommen wir ihr vielleicht näher.

Weil ich noch kein besseres Wort dafür habe, spreche ich vorläufig von der "ökologischen" Seele und versuche zu erläutern, was ich darunter verstehe. Ich möchte mit Ihnen eine Art Phantombild einer neuen Leitfigur entwerfen. Nennen wir sie die Frau Ö. Wir glauben sie zu kennen und kennen sie nicht. Wir kennen sie nicht und wissen doch so viel von ihr, und doch entgleitet sie uns ständig. Versuchen wir uns zu vergegenwärtigen, wie sie handelt, wie sie gärtnert, wie sie wissenschaftlert.

 

Die drei Seelen

Die Naturseele,

Die Faustische Seele,

Die ökologische Seele,

 

Gärtnern

Vielleicht finden wir interessante Züge von Frau Ö. wenn wir uns ein wenig mit der Gärtnerei befassen.

Wäre ich ein Kunsthistoriker, so würde ich Ihnen jetzt eine Menge von Gartenbildern aus der Geschichte der Malerei vorsetzen. Kein Zeifel, wir würden rasch und leicht die Bilder einteilen können nach der Frage, ob der Maler eher seiner faustischen oder eher seiner Naturseele gefolgt ist, als er das betreffende Gartenstück ausgewählt und auf seine Weise abgebildet hat. Und dahinter käme gleich die Frage, welcher ihrer beiden Seelen die Gartenplaner, die Gartenbesitzer, die Gärtnerinnen und Gärtner verpflichtet waren, die das Gemalte erfunden, hergerichtet und gepflegt haben.

Wir könnten uns einen Garten Eden vergegenwärtigen, von Rubens oder von Raffael. Oder einen Garten der Lüste von Hieronymus Bosch. Oder Gärten des Lebens und des Todes. Gärten, die Welten sind in sich selbst, und die uns hineinreissen mit aller Macht, uns zu verschlingen drohen oder in Glückseligkeit tauchen.

Durch alle Zeiten hindurch, mal häufiger, mal seltener, könnten wir auch Bilder von menschgemachten Gärten der Ordnung und des Nutzens sehen. Die Klöstergärten, die der Wildheit der Natur die straffe Geometrie einer ewigen Ordnung entgegensetzen. Barockgärten, die ihr Wuchern mit ebenso überbordenden Ordnungen zu zähmen versuchen. Oder die rationellen und maschinentüchtigen Plantagen-Anlagen des zeitgmässen Obstbaus in den Bildern Rousseaus, des Zöllners. Oder die vergeistigten "Gärten" eines Paul Klee.

Oder wir könnten uns Photographien von Gärten vornehmen. Und immer wieder fänden wir den gleichen Gegensatz in den vielfältigsten Varianten. Das faustische Aufzwingen des menschlichen Willens auf ein Stück Umwelt oder das mal wilde, mal geheimnisvoll sanfte eines Traums von natürlicher Welt. Auch wenn sie von Menschen raffiniert so gemacht ist. Besonders typisch der Gegensatz zwischen dem italiensich-französischen Barockgarten und dem englischen Landschaftsgarten oder -park.

Ob wir auch einen Garten finden würden, in den die Frau Ö. passt? Haben wir den Blick und das Unterscheidungsvermögen dazu? Welche Züge könnte ein Garten zeigen, der seinen Besucher weder überwältigt noch seinen Herrn und Macher repräsentiert und den Besucher zum Untertan deklariert?

Ich weiss nicht, ob man so leicht den typischen Ö-Garten aufzeigen könnte. Natürlich gibt es ökologisch geführte Gärten. Wir könnten sie vielleicht erkennen an Komposthaufen, Mulchmaterial, Mischkulturen, Sortenvielfalt u.a.m. Aber das ist eigentlich nicht was ich meine, obschon es auch darin zum Ausdruck kommen kann. Ich meine eine anderes Verhältnis zwischen Mensch und Garten, zu Pflanzen und Tieren. Ich rede von Gärten oder Kulturen, in denen offensichtlich ist, dass auf die Dauer weder die Natur noch der Gärtner der Stärkere ist, sondern in denen die beiden "im Verhältnis sind". Im Verhältnis miteinander sind. Ich rede nicht einfach von Gleichgewicht. In einem guten Verhältnis, auch von menschlichen Partnern, gibt es allerlei Dynamik und Spannungen, ausgehend mal vom einem, mal vom andern. Ein guter Ausdruck ist "Fliessgleichgewicht", das verbindet Wandel und Verlässlichkeit.

Ich rede davon, was Sie alle viel besser wissen als ich: dass man mit einer Pflanze auf die Dauer nicht einfach umgehen wie man will. Sie zeigt mit ihrem Wachstum, mit ihren Krankheiten ob sie ihr angemessene Bedingungen hat. Natürlich ist sie sehr geduldig. Natürlich kann man sie, wie ja auch Menschen, zu allerlei Verrücktheiten zwingen. Doppelt und dreimal so gross zu wachsen wie ohne Tricks. Aber dann braucht sie ein Stützgitter oder -stock. Und sie wird leichter krank, bei ungünstiger Witterung serbelt oder versagt sie gar.

Ich sage nicht, man soll sie nicht zu allerlei Besonderheiten züchten, erziehen und antreiben. Auch Menschen bedürfen anregender Ernährung, materiell, geistig und seelisch. Die Frage ist bloss: wo sind die Grenzen?

Ween man die Pflanze zu allerlei Anreicherungen bringen kann, müsste man dann nicht auch von ihren Züchtern und Pflegern und Erziehern erwarten, dass sie, wie gute Lehrer, sensible auf Anzeichen bei der Pflanze achten. Welche Fehlleistung, der Pflanze den Willen des Menschen einfach aufzuwingen. Sie duldet es freilich erstaunlich. Doch früher oder später ist sie wahrscheinlich eine gebrochene Pflanze. Würden Sie Ihre Kinder in eine Schule schicken wollen, wo die Lehrer darauf aus sind, aus den Kindern mit allen Mitteln Höchstleistungen zu pressen, wenn sie Symptome zeigen, mit Spritzen nachzuhelfen, und wenn sie zusammenklappen, sie halt als nicht mehr brauchbar wegzuwerfen. Die Anklänge an den Hochleistungssport mit Menschenkindern sind geplant.

Was sind denn Mitmenschen, was sind Pflanzen oder Tiere, dass wir das mit ihnen so leichtgfertig tun?

Wir suchen ein Gegenbild, ein Umgangsmuster, das den Menschen weder zum Knecht noch zum Herrscher der natur macht.

Kunsthistorisch würde sich das nur schwerlich ausgedrückt haben, jedenfalls nicht so leicht in unserer europäischenTradition. In der Naturbildern anderer Kulturen würden wir eher so etwas finden. Etwa in chinesischen Landschaftsbildern, die von Menschen und Menschengruppen reich bevölkert sind in allen nur denkbaren Phasen möglicher Verhältnisse zur organischen Welt. Die abendländische Geschichte des Darstellens von Landschaft und Garten ist eben von diesem einen Gegensatz geprägt: natürliche Natur und menschüberformte "Natur". Das ist im ursprünglichen Wortsinn: Kultur, vom Menschen überformte Natur. Aber es ist eben nicht einfach eine ästhetische Frage. Schon eher eine ethische, eine des Umgangs der Menschen mit der organischen Welt.

Eines würden wir bei solchen Versuchen des Gewinnens von Überblick wohl schmerzlich und rasch einsehen müssen. "Natur", in dem Sinne eines Ursprünglichen -- das ist eine vergebliche Illusion. Natur ist eine gedankliche Konstruktion des Menschen, genau so wie die beschriebene Polarität des urtümlichen und des faustischen. Deswegen will ich Sie hier auch nicht mit Bildern ablenken. Denn brauchbare Bilder von Gärten, die aus der Öko-Seele wachsen, werden erst verfügbar werden, wenn diese neue Haltung Boden gewinnt, wenn man allenthalten von Frau Ö. nicht nur spricht und sie aufs Theater bringt, sondern auch in ihrem Geiste handelt Wir müssen diese Idee denken und ausprobieren, wie sie in die Wirklichkeit und in Kunst umgesetzt werden kann.

 

Forschen

Ihrem Tagungsthema entsprechend will ich jetzt auch etwas über Wissenschaft sagen über das Forschen und dem Umgang mit der Erkenntnis. Da bin ich ja wohl auf sichererem Boden, werden Sie denken.

Möglich. Das kommt auf die Idee der Wissenschaft an, die einer hat. Man "verkauft" uns heute Wissenschaft, wie man so perfid verharmlosend sagt, als ein Produktionsmittel , wie jedes andere, zum Einsatz und Verbrauch. Wie Maschinen oder -- Menschen.

Je länger ich Wissenschaft betreibe, desto stärker wird meine Überzeugung, dass dies ein grosser und folgenreicher Irrtum ist. Es gibt nichts Unsichereres als wissenschaftliche Erkenntnis. Je nach Disziplin schätzt man heute die durchschnittliche Halbwertszeit der Gültigkeit von wissenschaftlicher Erkenntnis auf ein paar Jahre bis höchsten ein paar Jahrzehnte. Das heisst, die Hälfte des Wissens erweist sich im Durchschnitt so vielen Jahre oder Jahrzehnte nach seiner ersten Formulierung als überholt. Natürlich bleibt einiges auch längerfristig gültig.

Und sehr vieles wenn nicht das meiste von dem, was in der Wissenschaft als längerfristig sicher gilt, bezieht seine Verlässlichkeit eher aus einer Praxis, welche in irgendeiner Weise mit wissenschftlicher Erkenntnis in Verbindugn gebracht werden kann. Wenn ich, unterstützt durch wissenschaftliche Prinzipien und Forschungsaerfahrung beispielsweise eine Maschine bauen kann, die zuverlässig funktioniert, dann kann ich diesem Wissen vertrauen. In dem Ausmass natürlich nur, in dem der Bauplan der Maschine durch das Wissen wirklich bestimmt war. Das ist nicht immer leicht zu bestimmen.

Ich glaube, es wäre im allgemeinen besser, im Anwendungsbereich von wissenschaftlich unterstützter Praxis zu reden und nicht so zu tun, als wäre diese Praxis narrensicher. Aus dem Erfahrungsbereich der Gärtnerei gibt es gute Modelle dafür. Mit Wissen allein ist nichts getan. Wissen kann aber das Handeln in Richtungen leiten, an die man vorher nicht gedacht hat. Es leitet Experimente an, dh systematisch Fragen zu stellen an an die Natur und aus ihrem Verhalten zu lernen. Das werden Sie in den mehr technischen Vorträgen dieser Tagung wiederholt erfahren

Nun bin ich aber ein Wissenschaftler und halte wissenschaftliches Denken trotz dieser Skepsis für eine der ganz grossen Errungenschaften der Menschen. So wird es Sie vielleicht erstaunen, dass ich so kritisch über Wissenschaft rede.

Aber es liegt in der Idee der Wissenschaft, dass man wissenschaftliches Denken auch auf die Wissenschaft selber anwenden muss. Sie erweist sich dann als etwas sehr Fragiles. Alles andere als sichere Wahrheit. Man hat früher gemeint, Wissenschaft sei das Herausfinden der Wahrheit. Das hat sich als Illusion erwiesen. Gewiss hat man viele Erkenntnisse gewonnen, auf die man sich verlassen kann. Aber mit jeweils neuen Erkenntnissen hat man so seine Probleme. Nicht grundsätzlich anders als mit den Dogmen der Religionen, welche ja die Wissenschaft ersetzen sollten.

Der einzige verlässliche Test einer wissenschaftlichen Erkenntnis ist letztlich ihre Bewährung in der Praxis. Das ist für viele Erkenntnisse in überschaubarer Frist zu leisten, so scheint es wenigstens, und man gibt die Erkenntnis an die Techniker, welche sie zum Nutzen der Menschheit auswerten mögen.

Die Krux mit dieser Vorstellung ist nur, dass wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung und -sicherung voraussetzt, dass man ein überschaubar kleines oder typisches Stück aus der Welt gewissermassen herausseziert und es modellhaft für das Ganze der Welt ausgibt. Die Welt tut einem nicht immer den Gefallen, sich in solchen Modellwelten ausreichend vollständig darzustellen. Und wenn man dann die Erekennntis von seiner Modellwelt in die Wirklichkeit überträgt, dann kann man oft erstaunlich gut mit den Modellen operieren und manchmal fällt man auf die Nase. Oft reichlich spät. Weil die Welt reicher ist als das Modell. Weil die Eingriffe, die im Modell spielen, in der Welt Nebenwirkungen erzeugen, die im Modell nicht zum Vorschein kamen.

Dieser typische Vorgang, den jeder Wissenschaftler im Kleinen oft Dutzende von Malen durchspielt, bis er ein Modell gefunden hat, das ihm ausreichend gültig erscheint. Spielt sich auch im Grossen in Jahrhundertdimensionen ab.

Wir haben uns ein Modell gemacht der Natur und ein Modell des Menschen. Ich habe es als das faustische eingeführt. Es erweist sich als problematisch, mit argen Nebenwirkungen. Wir haben begonnen, auf die Situation zu reagieren. Von welchem neuen Modell soilllen wir unser Handeln in der Welt anleiten lassen?

 

[[[ Auf dem Möschberg anstelle von "Gärtnern" und "Forschen":

Pflanzen, Tiere pflegen

Vielleicht finden wir interessante Züge von Frau Ö. wenn wir uns ein wenig mit dem beschäftigen, was Sie alle tun: Pflanzen und Tiere pflegen, zum Beispiel.

Ich sollte hier nicht von Dingen reden wollen, die Sie alle viel besser verstehen als ich. Aber vielleicht kann ich Sprache anbieten, um darüber reden zu können. So wie man eben über den Dr. Faust reden und streiten konnte und kann. So lassen sie mich vielleicht zuerst von einer persönlichen Erfahrung berichten, die mich seit nun 20 Jahren nicht mehr loslässt.

Als meine Familie in den frühen 70er Jahren unser Haus baute und einen Garten nach organischen Grundsätzen anlegte, versuchte ich besser zu verstehen, was ich eigentlich tat. Immer schon auch biologisch interessiert, wollte ich wissen, wie sich Pflanzen zu ihrer Umwelt verhalten und umgekehrt. Das lag parallel zu meiner Wissenschaft, der Umweltpsychologie, war damals gerade ihre Konturen zu gewinnen versuchte. Sie ist ja eben der Versuch, das Verhältnis zwischen Menschen und ihrer Umwelt zu verstehen.

Es war damals gar nicht leicht, gute Literatur darüber zu finden. Es gab viele Bücher, die das Bodenleben und die Mykorrhiza etwas mystifizierten. In der Wissenschaft herrschte die Meinung herrschte noch vor, die Pflanzen wären dem Angebot in der Erde passiv ausgesetzt, die Aufnahme der Stoffe erfolge durch Osmose der Zellmembranen. Dem steht aber entgegen, dass der osmotische Druck aller Minerale, welche die Pflanze aufnimmt, aussen um Grössenordnungen kleiner ist als innen. Nach diesem Prinzip müsste die Pflanze ihren Inhalt verlieren und könnte gar nicht wachsen.

Ich fand dann eine Darstellung der neueren Pflanzenphysiologie mit der Darstellung der sogenannten Carrier-Mechanismen. Gestatten Sie mir diesen Ausflug in eine Nachbarwissenschaft, in der ich nicht Fachmann bin und etwas vereinfachen muss.

Die Pflanze erweist sich tatsächlich als aktiv und selektiv. Sie schickt, um es in einem Bild auszudrücken, gewissermassen kleine Wägelchen oder Gefässe durch die Zellwände ihrer Wurzeln hinaus. Und diese Gefässe haben Platz für genau ein Molekül einer bestimmten Art: Calzium, Kalium, Phosphor, Stickstoffe, Eisen, alle Spurenelemente und so weiter, ja sogar Wasser. Mit diesem einzelnen Molekül kehrt das Gefäss wie ein Wägelchen durch die Zellmembran wieder zurück und gibt das Molekül frei, um dann den Einhol-Kreisgang von neuem zu durchlaufen. Alle Pflanzen der Welt sammeln jährlich ein Vielfaches davon an Mineralien Molekül für Molekül ein, was die Menschen mit ihrem gesamten Bergbau gewinnen und verwerten

Wenn die Konzentration der Stoffe in der Umgebung einen gewissen Schwellenwert übersteigt wie in einem gut und löslich gedüngten Boden oder in einer Nährlösung, dann bricht dieser Mechanismus allerdings zusammen. Darum hatte sich ja die Wissenschft ein falsches Bild gemacht. Die Pflanze muss dann passiv nehmen, was da ist. Und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie erkrankt.

Stellen Sie sich vor, wir Menschen würden ähnlich selektiv Information aufnehmen. Unsere Augen und Ohren und Nasen und Finger wären mit Kundschaftern ausgestattet, die wir zuerst ausschicken für eine Vorprüfung dessen, was da an Neuem und Interessanten angeboten wird. Und wenn wir es nicht brauchen könnten, würden sie gar nicht erst geöffnet oder gebraucht. Wir leben längst wie die meisten "Kultur"pflanzen heute in einer mit Information überdüngten Welt und sind ihr fast ebenso hilflos ausgeliefert.

Ich muss Ihnen noch eine zweite verwandte Erfahrung berichten, die mir eingefaren ist. Vor Jahrne habe ich regelmässig viel Süssmost getrunken. Eines Tages hat er mir nicht mehr so geschmeckt und ich trank immer weniger. Die Firma hatte umgestellt. In derselben Packung bot sie jetzt künstlichen Süssmost an, im Herbst zu Konzentrat verdickt und dann übers Jahr zum Verkauf mit Brunnenwasser wieder verdünnt. Kurz darauf bekam ich meinen zweiten, sehr schmerzhaften Nierenstein; ich hatte zu wenig getrunken.

Heute spotte ich gerne über die Firma, welche, um Lagerkosten zu sparen, die Natur verschlimmbessert hat. Sie bot mir Massenwasser an, sicher qualitativ bestens geprüft und in Ordnung befunden. Betrügerisch, weil zum gleichen Preis wie das "biologische" Naturwassers aus den Äpfeln und Birnen, welches die Bäume Wassermolekül um Wassermolekül einzeln ausgewählt und angesammtelt hatten. Dieses hat man achtlos verdampft, unter Einsatz von kostbarer Energie.

Mein Gespür für guten Most hatte reagiert, indem ich weniger trank, obwohl ich lange nicht wusste, warum. Ich war Halbwissen aufgesessen. Es ist eben nicht immer leicht, genau zu unterscheiden.

Ich weiss auch nicht, ob man so leicht zwischen Ö-Gärten oder -Äckern und anderen Gärten oder Äckern unterscheiden kann.

Natürlich gibt es ökologisch geführte Gärten. Wir könnten sie vielleicht erkennen an Komposthaufen, Mulchmaterial, Mischkulturen, Sortenvielfalt u.a.m. Aber das ist eigentlich nicht was ich meine, obschon es auch darin zum Ausdruck kommen kann. Ich meine eine anderes Verhältnis zwischen Mensch und Garten, zu Pflanzen und Tieren. Man kann nicht nur die Gärten und Äcker anschauen, sondern die Menschen, die sie kultiviern.

Ich rede von Gärten oder Kulturen und allen andern menschlcihen Einrichtugnen, in denen offensichtlich ist, dass auf die Dauer weder die Natur noch der Chef der Einrichtung der Stärkere ist, sondern in denen die beiden "im Verhältnis sind". Im Verhältnis miteinander sind. Ich rede nicht einfach von Gleichgewicht. In einem guten Verhältnis, auch von menschlichen Partnern, gibt es allerlei Dynamik und Spannungen, ausgehend mal vom einen, mal vom andern. Ein guter Ausdruck ist "Fliessgleichgewicht", das verbindet Wandel und Verlässlichkeit.

Ich rede davon, was Sie alle viel besser wissen als ich: dass man mit einer Pflanze auf die Dauer nicht einfach umgehen kann wie man will. Sie zeigt mit ihrem Wachstum, mit ihren Krankheiten ob sie ihr angemessene Bedingungen hat. Natürlich ist sie sehr geduldig. Natürlich kann man sie, wie ja auch Menschen, zu allerlei Verrücktheiten zwingen. Doppelt und dreimal so gross zu wachsen wie ohne Tricks. Aber dann braucht sie ein Stützgitter oder -stock. Und sie wird leichter krank, bei ungünstiger Witterung serbelt oder versagt sie gar.

Ich sage nicht, man soll sie nicht zu allerlei Besonderheiten züchten, erziehen und antreiben. Auch Menschen bedürfen anregender Ernährung, materiell, geistig und seelisch. Die Frage ist bloss: wo sind die Grenzen?

Wenn man die Pflanze zu allerlei Anreicherungen bringen kann, müsste man dann nicht auch von ihren Züchtern und Pflegern und Erziehern erwarten, dass sie, wie gute Lehrer, sensible auf Anzeichen bei der Pflanze achten. Welche Fehlleistung, der Pflanze den Willen des Menschen einfach aufzuwingen. Sie duldet es freilich erstaunlich. Doch früher oder später ist sie wahrscheinlich eine gebrochene Pflanze. Wahrscheinlich sind Menschen noch geduldiger im sich Anpassen als die meisten Pflanzen oder Tiere.

Und so ist es eben auch mit allen andern Dingen dieser Welt, toten und lebenden. Würden Sie Ihre Kinder in eine Schule schicken wollen, wo die Lehrer darauf aus sind, aus den Kindern mit allen Mitteln Höchstleistungen zu pressen, und wenn sie Symptome zeigen, mit Spritzen nachhelfen, und wenn sie zusammenklappen, sie halt als nicht mehr brauchbar wegzuwerfen. Die Anklänge an den Hochleistungssport mit Menschenkindern sind gewollt.

Was sind denn Mitmenschen, was sind Pflanzen oder Tiere, was sind denn Berge und Dörfer und Häuser, dass wir das mit ihnen so leichtfertig tun?

Wir suchen ein Gegenbild, ein Umgangsmuster, das den Menschen weder zum Knecht noch zum Herrscher der Natur und der Dinge, macht, die er selbst hergesetellt hat.

"Natur", die erste Seele, in dem Sinne eines Ursprünglichen Ñ das ist eine vergebliche Illusion. Natur ist eine gedankliche Konstruktion des Menschen, genau so wie die beschriebene Polarität des urtümlichen und des faustischen. Diese zweite Vorstellung, die Natur wäre uns gegeben, damit wir uns daraus bedienen. Und wenn sie uns nicht von selbst bedient, dass wir sie dazu zwingen, mit allen Mitteln, die wir erfinden können.

So haben wir uns ein wissenschaftliches Modell gemacht der Natur und ein Modell des Menschen. Halbwissen. Ich habe es als das faustische eingeführt. Es erweist sich als problematisch, mit argen Nebenwirkungen. Wir haben begonnen, auf die Situation zu reagieren. Von welchem neuen Modell sollen wir unser Handeln in der Welt anleiten lassen? ]]]

 

Umweltschutz

Unsere künftige Frau Ö., das Leitbild für einen neuen und zukunftsträchtigen Umgang mit der Natur, hat viele Erscheinugnsformen. In der aktuellen Diskussion erscheint es heute bevorzugt unter der Form des Umweltschutzes.

Sie haben und werden sich an dieser Tagung zweifellos mit Aspekten einer ressourcenschonenden und abfallvermeidenden Gärtnerei befassen, und ich kann Sie dazu nur mit aller Eindringlichkeit ermuntern. Und von vielen Wissenschaften sind dabei wichtige Beiträge zu erwarten. Denoch glaube ich nicht, dass mit der Verstärkung solcher Bemühungen das Lebensproblem dieses Planeten zu lösen ist.

Es liegt mir fern, Negatives von Umweltschutz zu sagen. Jede Bemühung um Rückgang des Verbrauchs von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln ist wichtig. Jeder Verminderung des Umsatzes von Stoffen und Energien ist bedeutsam. Und wir werden nicht darum herumkommen, immer mehr und rasch und drastisch mit Anreizen und Vorschriften die Natur um unserer eigenen Selbsterhaltugn willen vor uns selber immer schärfer zu schützen.

Aber ich habe eine Schwierigkeit damit: um noch einmal mit der Welt des Dr. Faust zu argumentieren. Der Umweltschutz, wie wir ihn heute verstehen, hat etwas von den Teufeln, die mit Belzebuben ausgetreiben werden sollen.

Sind denn eigentlich die Menschen vor einer schädlichen, gefährlichen, bösartigen Umwelt zu schützen, ähnlich wie vor bösen Geistern oder üblen Teufeln? Eigentlich doch eher die Umwelt vor egoistischen, aggressiven und gedankenlosen Menschen!

Wir haben es hier mit einer bedenklichen Peinlichkeit zu tun. Die faustische Entwicklung unserer Zivilisation in den letzten zwei Jahrhunderten, haben wir gesehen, ist ganz wesentlich durch die halbblindne Wissenschaften getragen worden. Man hat Errungenschaften propagiert und um ihres kurzfristigen Nutzens willen verwirklicht, ohne deren Nebenwirkungen und längerfristigen Probleme zu bedenken. Nun ja, es ging und geht auch um Macht. Aber selbst wenn ich von Machenschaftlern rede, so meine ich nur in Ausnahmefällen, dass jemand sich zum Ziel gesetzt hat, die Lebensbedingungen auf diesem Planeten zu gefährden. Auf ihre fahrlässige Weise hat aber Wissenschaft, so müsste jeder normale Mensch mit Hausverstand argumentieren, eigentlich ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Gut gemeint zwar, aber völlig verkehrt gespielt. Wenn sich Wissenschaften jetzt anbieten, mit Grenzwertsetzungen und Reinigungsverfahren und was weiss ich, aus dem Schlamassel wieder hinauszuführen, dann ist wohl eine tüchtige Portion Misstrauen am Platz.

Die Sache macht mich zwiespältig. Einerseits weiss ich mit Sicherheit, dass wir aus diesem Teufelskreis nicht ausbrechen können. Wir brauchen auch diese verdächtigen Wissenschaften und die darauf aufbauenden Techniken. Anderseits erwarte ich früher oder später so etwas wie einen Bildersturm gegen die Wissenschaften. So etwas wie: die Heiligen haben sich wirklich nicht bewährt, schlagen wir sie von ihren Podesten herunter. Sogar bei der jungen Generation, die an die Universität kommt, spüre ich gelegentlich ein tiefsitzende Feindlichkeit gegen die Wissenschaften. Und Wissenschaft und Machenschaft wird dann leicht in einen Topf geworfen und zusammen weggeworfen. Ohne Wissenschaften leben zu wollen, ist aber heute vielleicht noch gefährlicher als mit Wissenschaften.

Was sind denn mögliche Nebenfolgen, mit denen man bei der Fortführung des faustischen Umgangs mit der Natur rechnen müsste? Was ist von einem Denkmodell zu erwarten, welches sagt: ja, wir hattena bei der Beherrschung der Natur ein paar Betriebsunfälle. Es sind da ein paar unvorhergesehene Systemzustände aufgetreten, die wir zu spät erfasst haben, so dass die Maschinerie aus den Fugen zu geraten drohte. (Denken Sie sich in den Kontrollraum einer grossen Anlage, eines Kernkraftwerkes etwa.) Jetzt, sagen die Verantwortlichen, haben wir ein paar zusätzliche Sensoren und Verrechnungsglieder eingefügt und Ventile und Regler, mit denen wir das System bald in den Griff bekommen werden. Demnächst sind wir wieder Herr der Situation.

Die so sagen, sind voll im faustischen Geist und haben natürlich noch nicht genug bekommen in ihrem Rausch, werden sich hüten, sich vom Teufel mitnehmen zu lassen, sind schliesslich selber Teufel. Was sie übersehen ist, dass das System des Lebens auf der Erde keine Maschine ist. Was sie übersehen ist, dass der Mensch selber ein Bestandteil dieses Systems des Lebendigen ist. Mit andern Worten, wenn sie die Welt als eine regulierbare Maschine betrachten, behandeln sie notwendig auch den Menschen als ein Maschinenbestandteil. Ob sich die Menschen das auf die Dauer gefallen lassen.

Ich habe das gelegentlich als die Ver-Ameisung der Menschen beschrieben. Man kann einen Ameisenstaat in der Tat, unter normalen Umgebungsbedingugnen jedenfalls, als eine Maschinerie beschreiben, in welche jede einzelne Ameise ein Funktionsglied des Ganzen ist, vollautomatisch geregelt in ihrem Verhalten als Nahrungseinholerin, Brutpflegerin, Kriegerin usf.

Das entspricht eigentlich nicht dem Selbstbild, das die meisten Menschen von sich machen. Mit einem immer dichter werdenden System von Regulierungen trägt eine wirksame Umweltschutzgesetzgebung jedoch heftig zur Ver-Ameisung der Menschheit bei. Im zwingenden Interesse der Allgemeinheit muss der oder dem einzelnen vorgeschrieben und bei Abweichungen sanktioniert werden, wie er oder sie zu leben hat.

Diese Art Vorgehen ist voll anthropozentrisch. Im Mittelpunkt steht, ganz nach dem faustischen Modell, der Egoismus des Menschen selbst. Die Natur soll ihm weiterhin untertan sein. Also aus Gründen der Selbsterhaltung des Menschen soll man mit der Natur in einer bestimmten, naturschützenden Weise umgehen.

Das können vorübergehen achtbare Motive sein. Und sie mögen dazu beitragen, dass mehr Menschen sich die Anliegen des Umweltschutzes zu eigen machen. Aus purem Selbsterhaltungstrieb. Und wenn nicht für sich selbst, so doch möglicherweise für ihre Kinder und Enkel.

Mir scheint die Logik dieser Argumentation hoch problematisch. Ihre innern Widersprüche werden sich früher oder später fatal auswirken.

Denn das Aufgehen in der Natur ist unmöglich für einen Menschen, der über die Mittel ihrer radikalen Veränderung verfügt. Solange sich ihrer auch nur einige bedienen, können die andern nicht zurückstehen. Sie zu benützen wie sie nicht zu benützen, wenn andere sie benützen: beides ist nichts als Selbstmord, nicht notwendig seiner selbst, aber seiner selbst in Form der kommenden Generationen.

Die Beherrschung der Natur ist jedoch ebenso unmöglich für einen Menschen, der zwar ein kluges Tier ist, aber dennoch ein Bestandteil der Natur. Da er einerseits sich selbst so lange überschätzt und anderseits solange die Natur der Natur unterschätzt hat, muss er einen echten Ausweg aus dem faustischen Teufelskreis finden.

Hier kann ich das leider nicht ausführlicher begründen; das wäre ein Vortrag für sich. Auf die Dauer braucht der Mensch jedoch eine andere, eine dritte "Seele".

 

Mensch-Umwelt-Partnerschaft

Auf die Dauer braucht der Mensch eine andere, eine dritte "Seele".

Das Aufgehen in der Natur ist unmöglich für einen Menschen, der über die Mittel ihrer radikalen Veränderung verfügt.

Die Beherrschung der Natur ist ebenso unmöglich für einen Menschen, der zwar ein kluges Tier ist, aber dennoch ein Bestandteil der Natur. Da er einerseits sich selbst so lange überschätzt und anderseits solange die Natur der Natur unterschätzt hat, muss er einen echten Ausweg aus dem fautischen Teufelskreis finden.

Was wir also brauchen ist ein neues Menschenbild. Ein Selbstverständnis des Menschen als jener Teil der Natur, der in gleicher Weise abhängig ist von ihr, wie er sie bestimmen kann. Ein Selbstverständnis, das Mensch und Natur einander nicht gegenüberstellt, sondern das gemeinsame Schicksal und die wechselseitige Unentbehrlichkeit betont. Nun ja, dass die Natur vom Menschen abhängig sei, ist übertrieben. Sie hat den längeren Atem und wird ihn, wie sehr auch von seinen Aktionen geschädigt, zweifellos überleben. Der Satz kann aber stehenbleiben, wenn man daran denkt, in welchem Ausmass Menschen derzeit Teile der Natur beeinträchtigen, schädigen, zerstören. Was unter dem Stichwort "Artenvielfalt" seit einigen Jahren diskutiert wird, ist eine Dimension des Umweltproblems, die erst nach und nach ins öffentliche Bewusstsein rückt. Unser Verständnis von der Vernetzthet der verschiedenen Lebensformen ist dermassen rudimentär, dass uns nach dem Urteil der besten Biologen noch einige Überraschungen bevorstehen.

Gerne verwende ich für dieses neue Verständnis eines Menschen der mit der Natur lebt, den Ausdruck der Partnerschaft. Mensch-Umwelt-Partnerschaft. Unter Partnerschaft verstehe ich eine Gemeinschaft von Instnazen, die im Wissen des unvermeidlichen Aufeinanderangewiesenseins einander wechselseitig für voll nehmen. So etwas gibt es gelegentlich in Ehen oder in Arbeitsgemeinschaften. Die Partnerschaft Mesch-Umwelt, anders als die heitigen Modelle von Ehen oder Geschäftsbeziehungen, ist freilich nicht auflösbar, nicht einmal unter schwersten Einbussen des einen oder andern oder beider Partner.

Die einzige Möglichkeit der Auflösung der Mensch-Umwelt-Partnerschaft ist die Selbstvernichtung des Menschen. Auf dieser Bahn befinden wir uns. Darum kann auch das Motiv des Umweltschutzes eine starke Kraft entfalten, auch wenn es letztendlich ein perfides ist.

Das neue Leitbild, unsere Frau Ö., sollte also nicht eine weitere Modellfigur, eine Personmodell sein, vielmehr sollte sie eine Gemeinschaft von der Art einer solchen Partnerschaft sein. Das grösste Problem des Menschen der beiden bisherigen Seelen, so scheint mir, ist seine Gewohntheit, alles in Gegensätzen zu verstehen. Ich oder du, Wir oder Ihr. Die Denkweise des neuen Menschen muss diese Gegensätze "aufzuheben" versuchen.

Mit "Aufheben" meine ich nicht "verwischen", so tun als ob sie nicht seien. Man kann sie anerkennen und doch auch gleichzeitig überspielen. Du bist mein Parter und gleichzeitig sind wir zusammen eine Gemeinschaft, die mehr ist und etwas anderes als jedes von uns allein.

Du bit zwar gegenständlich ausserhalb von mir. Aber zugleich bis Du in mir in einer wunderbaren Weise gegenwärtig, so wie ich in Dir vorhanden und wirksam. Partnerschaft ist nicht ein Zustand, sondern ein Prozess. Partnerschaft ist eine ständige Aufgabe. Der treffendste Ausdruck den ich für Partnerschaft kenne, ist derjenige der Kultivation. Der wechselseitigen Pflege von zwei Instanzen, die so zu einem grössern Ganzen werden. Pflegen und sich Pflegenlassen, wechselweise. Kultur ist jene Existenzweise, welche den Menschen vor allen anderen Teilen der Natur auszeichnet.

Der Ausdruck kommt nicht vom ungefähr aus dem Bereich des Gartenbaus, der Pflege der Natur. In ihren Gärten haben die Menschen angefangen einen Teil der Natur zu kultivieren, und sie sind dabei zu anderen Menschen geworden. Aus Umherschweifenden zu Sesshaften, aus Zeitlosen zu Gebundenen an Jahreszyklen, aus von der Hand in den Mund lebenden zu Planern ihrer Zukunft. Partnerschaft eben. Etwas geben und etwas empfangen, sich selbst aufgeben und damit ein anderer werden.

Die Menschheit lebt von diesem Modell des sich selbst Umsetzens in äussere Formen und daran Wachsens. Was wir gewöhnlich Kultur nennen, im allgemeinen Sinn, ist das Geflecht von Dingen und Ideen, welche Menschen hergestellt und anderen angeboten haben. Die sie aufnehmen und verändern und wieder weiteregeben in äusseren Formen.

Sie sehen jetzt, warum ich glaube, meine Wissenschaft, die Psychologie, sei in dieser Frage von Bedeutung. Nehmen wir Beispiele. Mein besonderes Forschungsgebiet ist die Psychologei des Wohnens. Ich habe mich gefragt, warum Menschen Häuser und Städte bauen und darin Zimmer und Wohnungen einrichten und mit diesen vielen Dingen so reichlich anfüllen. Die übliche Antwort auf die Frage ist eine zweckhafte. Wir schützen uns in Häusern vor schlechtem Wetter und vor Feinden und können dort unseren Lebensbedarf aufbewahren. Es ist eine unbefriedigende und eine selbstbezogene Antwort; denn all diese Zwecke könnte man auch anders erfüllen. Der Kern meiner Antwort zielt auf die Pflege von sozialer Partnerschaft. Häuser und Wohnungen sind räumliche Strukturen, welche Gruppen von Menschen zusammenhalten und ihnen im grösseren Sozialsystem einen Ort geben.

In verschiedenen Kulturen wird auf eine je bestimmte Weise gebaut und eingerichtet, und in jedem Haus wieder auf eine ganz besonders eigene, gruppenspezifische und persönliche Weise. Dadurch gelingt es den Beteiligten, etwas von sich selbst nach aussen zu geben und den andern Beteiligten, insbesondere den nachfogenden Generation anzubieten, welches zur Formung ihrer persönlichen und gruppenbezogenen Eigenart beiträgt.

Wenn Sie wollen, geben die Bauenden und Einrichtenden etwas von ihrer Seele in diese äusseren Dinge und Räume, und die Wohnenden nehmen etwas davon wieder in ihre eigene innere Seele auf. So verdichtet sich der Zusammenhang zwischen denen, die gemeinsam leben. Sie haben so etwas wie eine gemeinsame Seele kultiviert, die ausserhalb der einzelnen Individuen manifest wird, in dem Gebauten und Gestalteten ihre allen zugängliche Form findet. Eine gemeiname äussere Seele, gewissermassen.

Das mag Ihnen eine merkwürdige Formulierung sein: eine äussere Seele. Wenn Sie aus einer religiösen Haltung heraus den Begriff der Seele mit etwas verbinden, das jedem Menschen bei seiner Geburt oder vorher zukommt und bei seinem Tod wieder weggeht, so ist Ihnen zumindst nicht fremd, dass Seele auch ausserhalb einer Person sein kann, auch wenn sie eher an ein Jenseits als zB an ein Haus oder an Möbel, Kleider oder sonstige Alltagsgegenstände denken werden.

Wenn sie anderseits den Begriff der Seele damit verbinden, dass es im menschlichen Leben Bedingungen gibt, welche das Handeln, das Wahrnehmen, das Denken, das Meinen, das für Wertvoll halten, das sich Interessieren, das Distanznehmen, das Vermeiden, das Aufsuche, das sich Freuen etc.etc. bestimmen, dann sind der Sache auf eine andere Art näher. Dann müssen Sie fragen, wie es denn zu diesen Bedingungen kommt. Wir neigen im allgemeinen dazu anzunehmen, dass diese Bedingungen in jeder Person im Laufe ihres Lebens aufgrund ihrer vielfältigen Erfahrungen aufgebaut werden, auf der Grundlage von angeborenen Vorbedingungen wie sie den Menschen als Menschen und dann jedem Imdividuum durch seine Anlage mitgegeben sind. Ohne dass wir dies gänzlich verstehen, gibt es gute Gründe für die Annahme, diese Bedingungen seinen insgesamt in Form des Gedächtnisses im Gehinr jeder Person niedergelegt. Bewusstes und Unbewusstes natürlich. Und das mache die Einmaligkeit jedes Individuums aus. Eine Art ständigen Kreislaufs: Erfahrungen tragen zur Umformung der inneren Seele bei; aus dem gegenwärtigen Insgesamt seiner Seele handelt die Person, so dass wir von aussen erfahren können, wer jemand ist. Jede Person ist so die, welche sie ist und doch im Lauf der Zeit ständig eine andere. Eine Art Partnerschaft mit der Umwelt ist für das Gedeihen der Person unerlässlich.

Aber so gesehen ist die Partnerschaft etwas einseitig, anthropozentrisch. Die Umwelt scheint nur ein Mittel zur Pflege der Seele. Die faustische Seele operiert so: immer mehr erleben und bewirken, auch wenn die Welt darob zu grunde geht.

Nun kann man die Sache aber auch umdrehen. Denn solche Bedingungen des Handelns und des Erfahrens sind ja auch ausserhalb des Individuums vorhanden. Für das Tier sind sie als Natur gegeben, der Mensch verändert sie systematisch in der Kultur. So ist die Rede von der äusseren Seele eines Menschen oder einer Gruppen so verfehlt nicht.

Machen Sie ein kleines Gedankenexperiment: Dei Kleider beispielsweise sind ein interessanter Teil dieser äusseren Seele. Niemand kann Kleider ganz allein für sich gestalten. Man nimmt mit dem sich Kleiden immer bezug auf die Tatsache, dass man Angehöriger einer Gruppe ist. Gleichzeitig versuchen die meisten Leute mit der Wahl einer ganz spezfisch eigenen Kombination von Kleidung, ihre persönliche Identität darzustellen. Man spielt gern zur Fasnachtszeit mit der Identität in Form der vorübergehenden Annahme einer andern Identität. Wenn man jemanden seiner persönlichen Würde berauben will, ihn in gewisser Hinsicht sich gefügig machen will, dann ist ein einfaches Mittel, ihn in eine Uniform zu stecken. In anderen Kleidern ist man oft zu einen schönen Teil ein anderer Mensch. Mit Häusern ist es nicht anders. Oder mit Werkzeugen: Sie wissen, in welchem Ausmass ein Mensch durch den Gebrauch eines bestimmten Werkzeuges zu bestimmten Handlungsformen genötigt ist, und vielleicht auch, wie ihn Werkzeuggebrauch im Lauf der Jahre ähndern kann. Wechselwirkungen zwischen inneren und äusseren Seelen. Und eben auch eine Frage der Macht. Faustisches Eingreifen in die Welt, um sie in erwünschte Richtung zu zwingen. Es müssen nciht immer Sachen sein: auch Ideen in Worten haben diese Eigenschaft der äusseren Seele. Auch die Erfindung des Teufels ist so eine Teil einer kollektiven äussern Seele, weiss Gott.

Menschliche Kultur, habe ich gesagt, ist also weitgehend die Herstellung, die Pflege und der Gebrauch von äusseren Dingen und Worten, die etwas von der Innenseele der Beteiligten verkörpern und so zur Wirkung bringen.

Sie können jetzt den Zustand unseres Planeten auch als ein Überborden unserer äusseren Seele deuten. Die Welt setzte dem Menschen in den vergangenen Jahrzehnten bei all seinen faustischen Unternehmungen nur wenig Widerstand entgegen. Insbesondere mit der Zähmung der Energie in Kohle und Erdöl und Atomkern ist seine Aktivität im Anreichern und Vervielfältigen der äusseren Seele dermassen gewachsen, dass seine innere Seele nicht mehr mitkommt. Über die Rolle der Wissenschaft darin haben wir schon gesprochen. Die Partnerschaft gelingt nicht, der eine Partner, der Mensch, überbordet und versucht sich den andern, die Natur zu unterwerfen.

Nun ja, wir haben eben gelernt, unsere Seele sein nur in uns. Was ausser uns sei, die äussere Welt sei uns verfügbar, zum untertan machen gegeben , in keiner Weise ein Teil von uns selbst. Keine Partnerschaft mit, sondern Ausbeutung der Natur war die verhängnisvolle Losung.

Sie sehen jetzt vielleicht, worauf ich hinaus will. Eines der besten Modelle von Partnerschaft ausserhalb von Menschenbeziehungen ist das Verhältnis zwischen Menschen und Pflanzen. Fast mehr noch als manche Tiere, die man sich sehr gefügig machen kann, leisten Pflanzen einen gewissen Widerstand. Mit Pflanzen umgehen zwingt zu Sensibilität für ihr Wachstum, ihr Gedeihen, ihre Schwächen, ihre Wunder. Mit Pflanzen umgehen fördert Sensibilität für ihr Umfeld, für die Jahrszyklen, für die klimatischen Bedingungen, Makro- und Mikroklima, für die Böden, für die Pflanzengemeinschaften, für die symbiontischen und anderen Gemeinschaften zwischen Pflanzen und Tieren. Jedenfalls wenn man nicht der Mentalität verfällt, sie seien einfach ersetzbar, wen nsie nicht gedeihen, oder mit Düngern und Schutzmitteln und allen anderen Tricks unter beliebigen Bedingungen zu beliebiger Grösse, Form, Ertrag und was weiss ich zu zwingen.

Mit Pflanzen umgehen, so scheint mir, ist wunderbares Feld für Mensch-Natur-Partnerschaften. Aber was will ich der Laie, denjenigen darüber erzählen, die das täglich tun? Was ich tun konnte, was vielleicht, Ihnen Ihre Partnerschaften mit den Pflanzen auf einen Begriff zu bringen. Ihnen eine Möglichkeit zu geben, Ihre Partnerschaftren nicht nur zu leben, sondern darüber auch zu reflektieren, sie ins öffentliche Gespräch zu bringen. Vielleicht verleihen Sie auf diese Weise dem Wort "ökologisch" einen neuen, tieferen Sinn.

Wenn ein Teil unserer Seele auch ausser uns liegt, in der kultivierten Natur, in allem was wir in der Kultur herstellen und pflegen: müssten wir dann nicht mit dieser Umwelt mindestens so sorgfältig umgehen wie mit uns selber?

 

Schluss

Meine sehr verehrten Garten-Partner. Sie sind, während die Natur ihre Winterruhe macht, hierher gekommen, um sich weiterzubilden. Vor allem wohl, was Ihnen aus den Forschungsinstituten und Universitäten an Neuem geboten wird, das Ihnen im Alltag weiterhilft, immer besser zu werden.

Ich habe Ihnen in diesem Vortrag nichts solches geboten. Im Gegenteil, ich habe zu einem Nachdenken aufgefordert, das Sie vielleicht in ihrer Tätigkeit unter Umständen sogar behindern kann. Gedanken, die geeignet sind, Ihnen die Unbekümmertheit im gewohnten, in unserer Zivilisation üblichen Umgang mit Erde und Pflanzen zu nehmen. Gedanken, die Sie aber vielleicht hie und da fragen lassen, in einer Pause, an einem Abend, nach viel Mühe und Stress, im Gespräche mit Kolleginnen oder Kunden, was denn der Sinn dessen sei, wofür Sie sich abrackern. Und statt tröstlicher und ermutigender Worte habe ich Fragen gestellt, auf die es keine rechte Antwort gibt. Habe liebgewordene und anscheinend selbstverständliche Gewohnheiten in Frage gestellt, habe gegen Ihre Bequemlichkeit gearbeitet. Und hoffentlich auch einen Schimmer eines neuen Menschenbildes, einer dritten Seele, vermittelt, von der ich glaube, dass sie zum Überleben der Menschheit unentbehrlich ist.

Sie wissen vielleicht: kluge Könige hielten sich Hofnarren mit dem Auftrag, jene Fragen zur Unzeit zu stellen, welche die Höflinge sich nicht zu stellen getrauten aus Angst vor der etablierten Macht. Oder welche die Experten und Beamten nicht mehr stellen können, weil sie in ihre Projekte so grössenwahnsinnig verliebt und von ihnen gefangen sind, dass weitere Fragen ihnen gar nicht mehr in den Sinn kommen.

Auch in demokratischen Gesellschaften sind Narren nötig, die zur Unzeit verdrängte Fragen stellen. Weil man sich an die Verhältnisse so sehr gewöhnt hat, dass man sie von sich aus nicht mehr in Frage stellt. Glücklich die Gesellschaft, die solche Frage-Narren noch nicht wegrationalisiert hat. Ich denke wir haben Sie heute nötiger als je. Sehr viele Menschen fragen sich nach dem Sinn dessen was sie tagsüber tun. Tun müssen, wenn sie ein Auskommen haben wollen.

Der Umgang mit der Natur ist ein besonders heikles "Geschäft". Die beiden Arten von Seelen, mit denen wir bisher der Natur gegenübergetreten sind, die Bann-und-Genuss-Seele und die Beherrscher-und-Ausnutzer-Seele, reichen nicht mehr aus. Wird es uns gelingen, rechtzeitig ein besseres Verhältnis zu erwerben und neue Leitfiguren zu gewinnen?

Ich habe Ihnen nur ein paar Züge einer möglichen ökologischen Partnerschaft skizzieren können. Sie müssen selber daran weiterbasteln. Sie haben einen Beruf gewählt, der dafür ganz besonders gute Voraussetzungen. Weil er Ihnen eigentlich das Privileg gibt, täglich mit etwas Beharrlich-Beständig-Lebendigem, einem Teil der Natur umzugehen, welche eine ganz wunderbarer Lehrerin ist, wenn man nur auf sie zu achten bereit ist.

 

[[[ Schluss auf dem Möschberg:

Liebe Bäuerinnen und Bauern. Sie sind, während die Natur ihre Winterruhe macht, hierhergekommen, um über Ihre Situation und Ihre Zukunft in Zeiten des Umbruchs nachzudenken. Ihnen stehen Entwicklungen bevor, welche Sie und Ihre Familien massiv betreffen und welche Sie selbst sogar in diesem politischen System nur sehr schwach beeinflussen können. Sie wollen über den Zusammehang nachdenken zwischen dem, was Sie jeden Tag tun, und dem, wie Ihre Kinder und Enkel das Leben bestehen werden. Sie wollen Ihre Orientierung in der Welt verbessern.

Zu wenig Menschen haben oder nehmen sich Zeit, nach dem Sinn dessen zu fragen was sie tagsüber tun. Tun müssen, wenn sie ein Auskommen haben wollen. So kommt es, dass die beiden Seelen, mit denen wir bisher der Natur gegenübergetreten sind, die Bann-und-Genuss-Seele und, seit etlichen Jahrzehnten, die Beherrscher-und-Ausnutzer-Seele, ein allzu freies Feld zu ihrer Entfaltung bekommen haben. Wir brauchen dringend neue Leitbilder, eine dritte Seele, Ideale und Praxis der Partnerschaft mit der Natur.

Sie werden es gemerkt haben, was ich die ganze Zeit nur gedacht, aber nicht direkt gesagt habe. Die Frau Ö. lebt natürlich schon lange und an vielen Orten. Es gibt sehr gute Modelle von ihr. Man spricht nur nicht genug von ihr, und man hat sie lange genug auch leicht verächtlich gemacht. Von allen mir bekannten Modellen für ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Menschen und Natur ist die Bio-Bauerei ist eines der besten. ]]]

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