Alfred Lang | ||
Position Paper 1985 | ||
Die Bedeutung des Tobler-ProjektsFür die philosophisch-historische und die theologischen Fakultäten | 1985.05 | |
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Stellungnahme der phil.-hist. Fakultät, Juni 1985 | © 1998 by Alfred Lang | |
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Die Seminare und Institute der phil.-hist. und der theol. Fakultäten sind räumlich unzureichend ausgestattet. Sie sind im Verhältnis zur gewachsenen Mitarbeiter- und Studentenzahl zu eng geworden. Die Seminare liegen z.T. weit voneinander entfernt und über die halbe Stadt verstreut und sind grösstenteils in Provisorien untergebracht. So wird durch unnötigen Aufwand und Betriebserschwerungen Zeit und Geld verschleudert. Die immer neuen Anpassungen bewirken unökonomische Folgekosten.
Die geplante Zusammenfassung der Fakultäten im Tobler-Areal erleichtert den Betrieb und erhöht die Effizienz.
Die schon beschlossene Nutzungsanpassung des Hauptgebäudes zugunsten der juristischen Fächer macht die Einrichtung zusätzlicher Hörsäle unumgänglich. Die Bibliotheken der meisten Seminare und Institute platzen aus allen Nähten.
Im Tobler-Areal sind die Hörsaal- und Bibliotheksprobleme im Verein mit der Institutssanierung infrastrukturell optimal zu lösen, während jede andere Lösung nur weitere Provisorien und zusätzlichen Betriebsaufwand mit sich brächte. Die Fakultäten stellen sich voll und ganz hinter die bisherige Planung. Sie ziehen den erneuerten Altbau einem Neubau vor.
Die philosophisch-historische Fakultät ist die grösste Lehrerbildungsanstalt des Kantons; dazu erbringt sie zusammen mit den beiden theologischen Fakultäten viele weitere unentbehrliche Leistungen in Ausbildung, Forschung und Dienstleistung für Staat und Gesellschaft. Sie trägt im Verhältnis zum Aufwand die grösste Ausbildungslast aller Fakultäten.
Im Tobler-Areal kann endlich die Arbeitsfähigkeit der drei Fakultäten in normalen Verhältnissen hergestellt werden. Die vorgesehene Investition für rund 350 Arbeitsplätze und rund 2500 Studienplätze ist im Vergleich zu den Aufwendungen für die andern Fakultäten oder für die staatlichen Gymnasien und Seminare bescheidenª angesichts der Bundessubvention muss man sie als ausserordentlich günstig bezeichnen.
Der Staat sollte sich nicht dem Vorwurf aussetzen, gerade in einer Zeit, da viele Menschen von den Geisteswissenschaften ein Gegengewicht zum überbordenden materialistischen Denken erwarten, diese Fächer durch einen unverständlichen Negativ-Entscheid zu desavouieren.
Die phil.-hist. und die beiden theologischen Fakultäten sehen in den geplanten Infrastrukturen im Tobler-Areal ihre auf lange Zeit letzte Chance, geeignete Arbeitsbedingungen zu erhalten. Sie erwarten vom räumlichen Zusammenzug nicht nur Effizienzverbesserungen, sondern auch eine Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit und der öffentlichen Präsenz der Geisteswissenschaften.
1) Die prekäre räumliche Situation der Fakultäten
Seit spätestens 1967 ist unbestritten, dass die Fakultäten bessere Räumlichkeiten brauchen, weil sonst die für die Ausbildung und die Forschung erforderlichen Funktionsabläufe nicht gewährleistet sind. Die Institute und Seminare der phil.-hist. Fakultät, die im Dreifächersystem eng zusammenarbeiten müssen, sind zum Teil zwei Kilometer und mehr voneinander entfernt. Mehrere Institute dieser Fakultät mussten sogar in zwei oder drei weit voneinander entfernte Gebäuden aufgeteilt werden, was mit enormen und andauernden zusätzlichen Belastungen des Lehrpersonals verbunden ist und nur im Hinblick auf eine baldige Wiedervereinigung in Kauf genommen werden konnte. Der dadurch erforderliche zusätzliche Aufwand an Geld (z.B. Doppelanschaffungen von Handbüchern) und Zeit (Sitzungen statt informelle Begegnungen der Mitarbeiter, weite Wege der Studierenden zwischen zwei Veranstaltungen mit daraus sich ergebenden Verspätungen) lässt sich auf die Dauer nicht verantworten.
Mehrere Seminare sind in Provisorien untergebracht, mussten deshalb in den letzten Jahrzehnten schon mehrmals umziehen und sehen weiteren Umzügen entgegen. Ganz abgesehen vom wenig ökonomischen Mitteleinsatz für Mieten und Umbauten sind die damit verbundenen Belastungen sehr hoch, erfordert doch jede Neuaufstellung einer umfangreichen Arbeitsbibliothek jedesmal mehrere Wochen Einsatz aller Mitarbeiter. Die Provisorien bringen zusätzliche Probleme: Einige Gebäude sind in einem sehr schlechten Zustand: beispielsweise ist es im Bereich des alten Tierspitals bereits zu Vandalen-Akten gekommen. Bis zur Spruchreife des sog. Neufeld-Zubringers werden dort jedoch gründliche Sanierungen nicht in Frage kommen.
Die räumliche Konzentration der universitären Bereiche ist seit langem ein erklärtes Ziel der Planungsinstanzen. Die Fakultät und viele Stellen innerhalb und ausserhalb der Universität haben seit Mitte der 60er Jahre wiederholt und mit grossem Einsatz enorme Planungsanstrengungen auf sich genommen. Die Tobler-Planung wird nach dem Scheitern des Viererfeld-Projektes auf lange Sicht als die letzte Chance betrachtet, die Raumprobleme der gesamten phil.-hist. und der theologischen Fakultäten zu lösen. Dazu kommt, dass diese Fakultäten einhellig einen erneuerten Altbau einem totalen Neubau und eine Universität in der Stadt einer Campus-Universität vorziehen.
Die Raumplanung für die gesamte Universität sieht vor, das Hauptgebäude künftig fast ausschliesslich der rechts- und wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät zur Verfügung zu stellen. Entsprechende Kredite sind bereits vom Grossen Rat gesprochen worden. Nun ist aber derzeit der grösste Teil der Vorlesungen der phil.-hist. und der theol. Fakultäten auf das Hörraumangebot im Hauptgebäude angewiesen. Im Falle des Scheiterns des Tobler-Projektes müssen also den Fakultäten zwingend und rasch Hörsäle im Umfang von rund 1000 qm Hauptnutzfläche verfügbar gemacht werden; dazu kämen beträchtliche Aufwendungen für Nebenräume und Erschliessung. Ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, an geeigneter Lage entsprechende Räumlichkeiten erstellen zu können, würden weitere Arbeitsorte die jetzt bestehenden Schwierigkeiten vermehren statt vermindern.
Von der Vereinigung der Institute und Seminare im Tobler-Areal erwarten wir wesentliche betrieblichen Verbesserungen, nämlich eine Erhöhung der Effizienz bei gleichbleibendem Mitteleinsatz. Betriebliche Verbesserungen in Lehre und Forschung sind beim gegenwärtigen minimalen Personalzuwachs und angesichts des überstarken Wachstums der Studentenzahlen in dieser Fakultät dringend; im Hinblick auf den vermutlich speziell dieser Fakultät bevorstehenden zusätzlichen Zustrom von Seminaristen sind sie vermutlich das einzige derzeit verfügbare Mittel, den Betrieb ohne spürbaren Qualitätsverlust aufrechtzuerhalten.
2) Die geisteswissenschaftlichen im Vergleich mit den andern Fakultäten
Die drei Fakultäten sind der Meinung, dass ihre verhältnismässig bescheidenen, aber deshalb nicht weniger berechtigten räumlichen Bedürfnisse erfüllt werden müssen, damit sie ihre Aufgaben ähnlich wie die anderen Fakultäten angemessen erfüllen können. Obwohl dankbar festgestellt werden darf, dass Erziehungsdirektion und Universitätsverwaltung stets mit grossem Einsatz und Können zur Lösung der Raumprobleme der Fakultäten beigetragen haben, muss erneut betont werden, dass alle Seminare/Institute seit Jahrzehnten in zum teil unzumutbaren Provisorien arbeiten.
Man kann den bisherigen Ausbau der Universität (Medizin, Exakte Wissenschaften, Chemie, Biologie, Sport, Juristische Abteilung im Hauptgebäude) nicht auf Kosten der anscheinend schwächeren ihrer Glieder abbrechen. Die Universität ist trotz ihrer weitgehenden Gliederung ein Ganzes, und sie steht und fällt mit der wechselseitigen Solidarität ihrer Glieder. Sollte das Tobler-Projekt scheitern, so würde nach den aufgeschobenen Planungen für das Viererfeld nicht nur zum zweitenmal ein Versprechen nicht eingehalten; es wären auch Gefühle der Ungerechtigkeit schwer zu unterdrücken. Man darf zudem nicht übersehen, dass die phil.-hist. Fakultät mit nur 9% des Lehrpersonals (31.12.1983: 216 Stellen) und 7% der Gesamtausgaben (1983: 21 Mio) rund 30% aller Studierenden (1983/84: 1924 an der Fakultät + ca. 500 Sek.lehramtsstud. von insgesamt 8245) ausbildet. Seit 1970 hat sich die Zahl der Studierenden an der phil.-hist. ungefähr verdoppelt und an der ev.-theol. Fakultät sogar verdreifacht, während sie bei der med. und der phil.-nat. Fakultät praktisch gleichgeblieben ist. Die personellen und infrastrukturellen Dotierungen haben mit dieser Entwicklung bei weitem nicht Schritt gehalten.
Dazu kommt, dass mit einem bescheidenen Bau für die geisteswissenschaftlichen Fächer keineswegs Überkapazitäten geschaffen würden, sondern nur endlich die angemessene Arbeitsfähigkeit einer staatlichen Institution hergestellt werden soll. Die Fakultäten erwarten von Regierung und Parlament, dass sie gewissen bildungsfeindlichen Strömungen nicht nachgeben, sondern dass sie im Gegenteil mit kluger Informationspolitik dem Volk die Angemessenheit der anstehenden Investition begreiflich machen.
Das Tobler-Projekt ist nicht nur in ideeller, sondern auch in materieller Hinsicht eine vorzügliche Investition. Denn im Tobler-Areal soll der Auftrag dreier Fakultäten in Lehre und Forschung erfüllt werden. Das sind rund 350 Arbeitsplätze (1983: 250 100%-Stellen oder 440 beschäftigte Personen) und Studienplätze für rund 2500 junge Menschen. Bauliche Investitionen in der Höhe des Tobler-Projektes lassen sich also politisch bestens rechtfertigen.
3) Die Rolle der geisteswissenschaftlichen Fächer in Staat und Gesellschaft
Die Fakultäten erlauben sich schliesslich, daran zu erinnern, dass heute in breiten Kreisen der Bevölkerung ein Ungleichgewicht zwischen den materiellen und den geistigen Werten unserer Kultur erlebt wird. Man wird es zweifellos als Ausdruck von Weitblick und staatsmännischer Weisheit verstehen, wenn der Kanton Bern in dieser Zeit ein Zeichen zugunsten jener Wissenschaften und Bildungszweige setzt, welche ein korrektives Potential gegen das Übermass des Materiellen versprechen und deshalb von einer ständig zunehmenden Zahl junger Menschen gesucht werden.
Diese Fakultäten haben deshalb an der Realisierung des Tobler-Projektes ein absolut vitales Interesse. Insbesondere die phil.-hist. Fakultät will ihre über weite Teile der Stadt verstreuten Institute und Seminare (mit Ausnahme der durch Museumsstandorte gebundenen Seminare) unter einem Dach zusammenbringen, um endlich auch als Fakultät eine direkt erlebbare und von aussen erkennbare Identität pflegen zu können. Das Argument liegt auf einer ideellen Ebene, ist aber nicht weniger gewichtig. Seit der Spaltung der urspünglichen philosophischen Fakultät wurde von Manchen die Beschäftigung mit den geistigen Dingen (Sprachen, Literaturen, Künste, Vergangenheit, Geist, Seele, usw.) nur soweit akzeptiert, als diese Dinge auch Nutzen abwerfen. Wie die gegenwärtige Orientierungskrise immer deutlicher zeigt, erweist sich die Separierung von "Nutzen" und "Sinn", von "Machen" und "Reflexion" als grandioser Irrtum. Die Universität wird in den kommenden Jahren vermutlich vermehrt als allgemeine Bildungsanstalt aufgerufen sein, dazu beizutragen, dass man den Zusammenhang des Ganzen, Mensch und Gesellschaft, Natur und Kultur, wieder sehen lernt. In dieser "Sinnstiftungsfunktion" werden die geisteswissenschaftlichen Fächer eine besonders wichtige Rolle einnehmen. Diese Fakultäten als ganze zu stärken, ist daher gesellschaftspolitisch ein wichtiges Postulat. Die Chance ihrer räumlichen Vereinigung zu verpassen müsste in Universität und Bevölkerung als ein falsches Signal verstanden werden.
Die betroffenen Fakultäten hegen grosse Hoffnungen, ein Scheitern bewirkte ebenso grosse Enttäuschungen. Das Tobler-Projekt ist aber sachlich ein ausgezeichnetes und ökonomisch ein günstiges Projekt. Dies wird auch das Stimmvolk erkennen.
4) Vergleich mit Institutionen ausserhalb der Universität
Lehrkörper (Stellen) | ||||
Studierende (1983/84) | ||||
Diplomierungen (1983) | ||||
Gebäudekosten(6) | ca. 200 Mio |
(1) Höheres Lehramt, Sekundarlehramt und Brevet d'Enseignement secondaire.
(2) Angaben Amt f.Unterricht, geschätzt bei Annahme der Teilpensen mit 50%.
(3) 216 Stellen an der Fakultät plus 2/3 der Stellen für die Lehrerausbildung.
(4) Davon sind 1013 an den 3 Lehrämtern, Fachausbildung an der Fakultät.
(5) 1983/84: 89 lic., 23 Dr., ca. 110 Lehrerdiplome in phil.-hist.(von 188).
(6) Nach Angaben Hochbauamt, Preisbasis Oktober 1983, geschätzt über Baukosten der Objekte Lerbermatte und Laufen umgerechnet pro Schüler bei Vollbelegung.
(7) Gemäss Investitionsplanung Mai 1985; zusammen mit Oberseminar ca. 60 Mio.
Wie der vorstehende Zahlenvergleich zeigt, ist die philosophisch-historische Fakultät einschliesslich ihres Teils der drei Lehrämter nicht nur die die grösste Lehrerausbildungsstätte des Kantons, sie umfasst insgesamt mehr Studierende als alle Lehrerseminare zusammen. Ein Blick ins Vorlesungsverzeichnis zeigt, dass weitaus der grösste Teil der Ausbildung der Lehramtskandidaten an den Seminarien und Instituten der Fakultät erfolgt.
Der vorstehende Vergleich spricht bereits eine deutliche Sprache, obwohl er unvollständig ist. Denn zusätzlich zu den jährlich 80 bis 90 patentierten Sekundarlehrern und 20 bis 25 patentierten Gymnasiallehrern, die ihr Fachstudium (d. etwa drei Viertel ihrer Ausbildungszeit) an der phil.-hist. Fakultät absolvieren, bildet die Fakultät jährlich weitere 70 bis 80 Akademiker aus, darunter auch die Seminarlehrer und Erziehungsberater-Schulpsychologen. Alle diese Absolventen der verschiedensten Fächer der Fakultät sind für das Leben im Kanton Bern innerhalb und ausserhalb des Bildungswesens von grösster Bedeutung.
Zum Aufwandvergleich lassen sich in runden Zahlen auch noch die folgenden Überlegungen anstellen. Pro Schülerplatz wird bei Gymnasien und Seminarien mit Investitionen von etwa Fr. 50'000.- gerechnet (kürzlich für die französische Schule sogar mit Fr. 70'000.-); die entsprechenden Kosten für das Tobler-Areal betragen gemäss Planung nur etwa Fr. 22'000.-. Auch ein Vergleich des Investitionsaufwandes pro Mitarbeiter-Arbeitsplatz ergibt für das Tobler-Areal nur etwa die Hälfte des bei Gymnasien üblichen Betrages, und dies obwohl die Professoren und Assistenten der Universität im Unterschied zu den Gymnasiallehrern einen wesentlichen Teil ihrer Zeit der Forschung widmen und damit direkter auf Arbeitsräume und -einrichtungen angewiesen sind.
Vergleicht man die geschätzten Kosten für das Tobler-Projekt mit den entsprechenden Zahlen für die staatlichen Seminarien oder Gymnasien, so muss man zur Feststellung kommen kann, eine Investition in der vorgesehenen Grössenordnung sei ausserordentlich günstig. Dies erst recht angesichts der Tatsache, dass infolge der eidgenössischen Unterstützung bloss rund die Hälfte der Kosten zu Lasten des Kantons gehen werden.
Zudem erfüllen diese Fakultäten mit ihren Mitarbeitern auf allen Stufen ihren national und international hoch angesehenen Forschungsauftrag und erbringt mancherlei Dienstleistungen, die sich zwar schlecht in Franken und Rappen ausdrücken lassen, deren Rückgang aber im öffentlichen Leben sehr rasch höchst nachteilige Folgen haben müssten.
9.6.85 AL