Alfred Lang

University of Bern, Switzerland

Research Report 1983

Grün und Altstadt - Psychosoziale Aspekte

Über das Bedürfnis von Altstadtbewohnern nach Bäumen und Strassenmöblierung

1983.02

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18 / 32 KB  Last revised 98.11.01

Manuskript, Psychologisches Institut der Universität Bern, 7 S.

© 1998 by Alfred Lang

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Die "Umweltbewegung" der letzten Jahre kann unter zwei Gesichtspunkten begriffen werden: Einerseits ist sie getragen vom Umweltschutzgedanken, d. der Verhinderung oder Verminderung von Immissionen aller Art. Dies ist ein Gedanke der in Verfassung und Gesetzen öffentliche Anerkennung gefunden hat; kontrovers ist bloss, wie weit der Schutz im konkreten Fall angesichts von Interessenkollisionen gehen kann oder soll.

Anderseits kommt in umweltbezogenen Stellungnahmen, Einzelaktionen, Selbsthilfegruppen, Bürgerinitiativen und dgl. oft auch ein zweiter Gesichtspunkt zum Ausdruck, nämlich die (Wieder-) Herstellung von hoher Lebensqualität. Da es hohe Lebensqualität an sich nicht geben kann, sondern nur bestimmte Lebensqualität für jeweils bestimmte Personen oder Gruppen in bestimmten Lebensumwelten ist dieses Thema seiner Natur nach kontrovers. Dies umso mehr, als jeder Interessierte in der Regel eine (seine) bestimmte Vorstellung von hoher Lebensqualität hat und dazu tendiert, diese für allgemeingültig zu propagieren.

Nun hat Lebensqualität ganz wesentlich mit dem Zusammenhang der Komponenten einer Lebensumgebung, d.h. mit der Gestalthaftigkeit einer Lebensumwelt zu tun. Dies steht in starkem Gegensatz zu der heutzutage üblichen Sektorisierung der Lebensumgebung, die fast ausschliesslich unter funktionellen Aspekten mehrerer verschiedener Nützlichkeits- bzw. Schädlichkeitsstandpunkte begriffen, geplant und gemacht wird, z.B. Versorgung, Verkehr, Klima, Lärm. Die Hoffnung, aus der Summe der Einzeloptimierungen entstehe von selbst ein gutes Ganzes, ist offensichtlich trügerisch.

Im Gegensatz zur allgemeinen Wünschbarkeit von Umweltschutz fehlen nicht nur verbindliche und d. übersubjektive Kriterien zu Bewertung der Lebensqualität einer Umgebung; es bestehen zudem infolge ihrer Ganzhaftigkeit erhebliche Schwierigkeiten des Sprechens über Lebensqualität.

Ich glaube, dass der Wunsch nach Begrünung von Strassen und Plätzen in verdichteten Wohn-, Geschäfts- und Gewerbegebieten einen Ausdruck dieses Strebens nach hoher Lebensqualität darstellt. Wie jedes Sprechen über Lebensqualität zielt die Begrünungsbewegung auch auf eine bestimmte Einzelheit; sie meint aber wohl mehr als viele andere ähnliche Bestrebungen eine ganzheitliche Qualität der Umwelt "Stadt".

Dass dieser Wunsch insbesondere im Hinblick auf Altstadtgebiete artikuliert worden ist, lässt vermuten, dass hohe Lebensqualität nach dem Vorbild des öffentlichen Lebens der mittelalterlichen Stadt vorgestellt wird. Nachdem es in den letzten Jahren in vielen Städten gelungen ist, den Motorfahrzeugverkehr in den älteren Stadtteilen auf die unentbehrlichen Zulieferdienste zu beschränken, hat sich mancherorts jedenfalls während der Geschäftsstunden ein reges öffentliches Leben eingestellt. Obwohl ein relativ weitgehender Konsens diese heutige Altstadtumwelt höher bewertet als die frühere, ist das Bild von Trübungen doch auch nicht frei; so hofft man, durch Begrünung und Möblierung der öffentlichen Bereiche eine weitere Verbesserung der Lebensqualität zu erreichen. Nicht zu vergessen ist, dass die mittelalterliche Stadt sowohl stärker begrünt war wie auch in geringerer Entfernung von ausgedehnten Grünzonen lag als die typischen Altstädte von heute.

 

Im folgenden sollen eine Reihe von Bedeutungen aufgezeigt werden, die nach dem heutigen Wissensstand dem Grün in der Altstadt zugeschrieben werden können. Es muss gesagt werden, dass diese spezielle Frage bisher m.W. nicht direkt erfahrungswissenschaftlich untersucht worden ist; meine Überlegungen basieren teils auf allgemeinen Erkenntnissen der Umweltpsychologie und der anderen einschlägigen Wissenschaften, teils auf der Übertragung von Untersuchungen aus anderen Lebensbereichen. Das Ziel dieser Überlegungen ist die sachliche Anreicherung der Diskussion über die grüne Stadt. Entscheidungen über Begrünung werden den Betroffenen und den Behörden aber nicht abgenommen werden.

Die psychosoziale Bedeutung von städtischen Bepflanzungen kann unter vier Gesichtspunkten betrachtet werden, die sich freilich nicht völlig voneinander abtrennen lassen:

(1) Mit Bepflanzungen bewirkt man räumliche und zeitliche Strukturierungen.

(2) Pflanzen sind bedeutsame visuelle Gestaltungsfaktoren.

(3) Pflanzen sind soziale Kristallisationskerne.

(4) Die Bepflanzung hat eine symbolische Dimension, d. sie verweist auf kulturelle oder die Lebensgemeinschaft auszeichnende Gegebenheiten.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ich weitere Bedeutungen der Pflanzen wie Lufthygiene (Sauerstoff, Kohlenstoff, Schadstoff-Bindung), Energie, Fauna (Symbiose von Vögeln, Insekten etc.), Ernährung (Früchte), usf. hier ausklammere.

 

(1) Raum- und Zeitstrukturen

Bäume, Rabatten, Pflanzenkübel, bepflanzte Böschungen usf. schaffen räumliche Strukturen, welche das räumliche Verhalten der Menschen beeinflussen. Sie behindern oder verhindern bestimmte Passagen, fördern umgekehrt des Begehen bestimmter anderer Wege. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Bepflanzungen in der Wahrnehmung der Bewohner mehr oder weniger passierbar erscheinen können. Die Planer tun gut daran passierbare und empfindliche (d. schutzbedürftige) Bereiche durch die Art und Weise der Bepflanzung selbst gut sichtbar zu unterscheiden und sie im Einklang mit den bevorzugten Wegen der Bewohner anzuordnen, damit das räumliche Verhalten nicht oder so wenig wie möglich durch sekundäre Mittel wie Geländer, Zäune, Brüstungen oder gar Verbote gelenkt zu werden braucht.

Pflanzen fördern oder hemmen auch durch ihre räumliche Anordnung das Verweilen an bestimmten Stellen. So wird etwa eine korridorartige Gasse durch einige versetzt plazierte Bäume oder Sträucher zu einer Gruppe von aufeinander bezogenen, d. zugleich getrennten und zusammengehörigen Räumen (Nischen), was sich im sozialen Verhalten auswirkt (vgl. unten). Damit werden Raumstrukturen mit Eigenschaften erzielt, wie sie durch Mauern, Wände etc. kaum geschaffen werden können. Beispielsweise erlebt man in "botanischen Räumen" vermehrt zugleich Für-sich-sein und Mit-den-andern-sein; die Wahrnehmung überschätzt auch die schalldämmende Wirkung einer Hecke. 

Pflanzen sind eines der wunderbarsten Mittel zur Verdeutlichung von Zeitstrukturen. Nicht nur wird der Jahreszyklus, den der heutige Städter nur noch abgeschwächt erfährt, an der jahreszeitlichen Veränderung der Pflanzen wieder ablesbar; auch zeitliche Prozesse im kleineren Massstab (Knospung, Blütedauer, Windbewegungen etc.) sind erlebbar. Botanische "Uhren" weisen im Unterschied zu den unsern Alltag heute dominierenden mechanischen (bzw. elektronischen) Uhren Eigenschaften auf, die denjenigen der unser Leben eigentlich bestimmenden "inneren Uhren" ähnlich sind: sie sind zugleich geregelt und dennoch fluktuierend. Es verwundert nicht, dass Menschen in Pflanzen und Tieren gewissermassen "Bundesgenossen" suchen in der Behauptung gegen die übermässige und ausschliessliche Geregeltheit durch äussere Steuerungen.

 

(2) Visuelle Gestaltung 

In Untersuchungen aus aller Welt ist wiederholt gezeigt worden, welch grosse Rolle einzelne Bäume oder Baumgruppen (neben Kirchtürmen, Bahnhöfen etc.) für die Entstehung einer inneren Repräsentation der äusseren Welt spielen. Eine adäquate innere Repräsentation der städtischen Umgebung ist nicht nur die Basis jeder Orientierung in der umgebenden Welt, sie ist auch, ob adäquat oder nicht, eine wesentliche (von der Psychologie bisher unterschätzte) Komponente der psychosozialen Existenz jedes Menschen. Unsere städtische Lebensumwelt ist eher arm an Landmarken, sowohl (nicht-musealen) baulichen, wie vor allem solchen organischen Charakters.

Botanische Land- oder Stadtmarken scheinen mir besonders wichtig, weil sie in einer Zeit der überwuchernden baulichen Gestaltungsfreiheit (die ja bekanntlich mit einem Verkümmern der Gestaltungskraft gepaart ist) auf Grenzen der Gestaltungsfreiheit hinweisen können. Der Baum wächst gemäss seinem eigenen, immanenten "Bauplan", jede Art auf ihre erkennbare Art, und in den Grenzen, die ihm von der Situation her auferlegt sind; Häuser und Mauern plant man fast beliebig aus der scheinbaren Allmacht der Macher heraus. Ich verstehe also den Wunsch nach "Grün" auch als einen Versuch, visuelle Konstanten fundamentaler Art zu betonen. Es sollen Konstanten sein, die auch über die in der Moderne und Postmoderne verlorengegangenen Bautraditionen früherer Zeiten hinausweisen, weil ja das "Leben im Museum", wie man die Situation in der Altstadt etwas überspitzt nennen kann, auch nicht ohne dubiose Merkmale von Lebensqualität ist.

(Zwischenbemerkung: Sollten diese Überlegungen, für die ich keine direkten empirischen Belege beibringen kann, auch nur annähernd richtig sein, so wäre auf ein seltsames Paradox zu achten (ich komme darauf zurück): Nämlich dass der Städter die Kultivation der Landmarken wiederum an Fachleute (Stadtgärtner) delegiert, die eine hochentwickelte und an sich beachtliche Technik einsetzen, um dieses so wünschenswerte Restlein von Natur in unserer Kultur in deren Korsett zu zwingen. Manifest wird das Problem in Erscheinungen wie Überhandnehmen von "verpflanzten" Pflanzen (ich meine aus fremden Biotopen), Trog- und Luwasa-Kulturen, Pflanzen-Medizin und dgl. Dies ist nicht eine Kritik an gärtnerischem Können, wohl aber am öffentlichen Einsatz dieser Kunst. Mir scheint die übliche Begründung, unter so heiklen Lebensbedingungen könnten Pflanzen nicht anders als künstlich kultiviert gedeihen, eine sehr problematische, weil so die Erkennbarkeit von Symptomen für lebensbedrohende Umgebungen verzögert wird. Der Wunsch nach mehr Pflanzen in der Stadt würde somit herausfordern entweder zu noch mehr Technik, um sie am Leben zu halten, oder zu Verzicht auf Technik, um so das Risiko einzugehen, menschliches "Särbeln" in der Stadt durch ein biologisches Särbeln zu verdoppeln, aber auch zu verdeutlichen. Wir hätten dann die Wahl bezüglich der Konsequenzen für die Gestaltung der menschlichen Lebensumgebungen zu ziehen.)

Ein wichtiges Merkmal von Pflanzen unter dem Aspekt der visuellen Gestaltung ist ihre fast universale Einpassung und ihre Möglichkeit selbstorganisierter Einpassung. Dies sei am Beispiel der Farbkombinationen verdeutlicht. Es gibt wenig natürliche (und einheimische) Pflanzenfarben, deren Kombination "dissonant" wirkt, während die Farbgestaltung an öffentlichen Teilen von Gebäuden regelmässig ganz besonders intensive Kontroversen hervorruft. Gleichzeitig ist die wahrnehmbare Differenziertheit von botanischen Farbkompositionen (naturgegebenen oder menschgestützten) zumindest für den Nichtspezialisten grösser als die Farbpalette der Industrie. Es ist nicht ohne Grund, dass die Mehrzahl der gebräuchlichen Farbnamen ausser den Grundfarben auf Pflanzen bezugnehmen, seien es Tannen, Linden oder Veilchen. Analoge Überlegungen gelten für die Grössen von menschlichen und natürlichen Gestaltungen: während die Grösse von heutigen Baukörpern fast beliebig ist und durch Gesetzesnormen in Schranken gehalten werden muss, sind botanische Grössen vorhersagbar, zwar durchaus variabel, aber innerhalb von vorhersagbaren Bereichen mit weiteren Merkmalen der jeweiligen Pflanze und ihrer Umgebung korreliert. Die botanische Umwelt bietet nicht nur ein menschliches Mass, sondern auch interessante Variabilität innerhalb überblickbarer Grenzen.

Ein ebensowichtiger Faktor der visuellen Gestaltung ist der universelle Kontrast zwischen der geometrischen und der organischen Form. Geometrisierungsversuche der Pflanzenwelt (z.B. geschnittene Hecken) und "Organisierungen" von Gebäuden (z.B. anthroposophischer Baustil) als Extreme machen deutlich, dass ein heute weitgehend brachliegendes Gestaltungspotential in der geschickten Gegenüberstellung von geometrischen und organischen Formen liegt. Wird die Altstadt, gerade auch infolge der weitgehenden konservierenden Gestaltungsvorschriften als zu "geometrisch", d. festgelegt, steril, tot, etc. erfahren und sieht man in der Bepflanzung ein mögliches Korrektiv dazu? Eine bejahende Antwort auf diese Frage ist nicht von der Hand zu weisen. Das bedeutet aber, dass man die Art und Weise der Altstadt-Begrünung sehr gut überlegen muss: wie schon angemerkt, wäre es absurd, die Übergeregeltheit der Stadtschaft durch geregelte Bepflanzungen zu komplementieren, und "geregelt" bedeutet hier sowohl "durch Reglement bestimmt" wie auch "nach strengen Regeln gestaltet". Der wünschbare Kontrast zwischen geometrischer und organischer Form wäre nur durch einigen "Wildwuchs" zu fördern.

 

(3) Soziale Prozesse um Pflanzen

Über den räumlichen Strukturierungsbeitrag hinaus können Pflanzen in der Stadt auf unterschiedliche Weise zur Regulierung von sozialen Interaktionsprozessen beitragen: Schatten, Kühle, Spiele mit und um den Baum, oder ganz einfach als Ort, der durch die Pflanze als besonderer Ort ausgezeichnet, markiert ist. Nicht alle Pflanzen haben diese Attraktivität in gleicher Weise: vor allem sind es Einzelbäume oder Baumgruppen und Gebüsche oder ganze Parkanlagen, die "soziale Orte" schaffen. Viele moderne Bepflanzungen leisten dies jedoch nicht, sind oftmals eher geeignet, soziale Prozesse zu "sterilisieren", beispielsweise die nicht betretbaren Flachbegrünungen, die superkultivierten Blumenarrangements, die primär als Gross-Aschenbecher dienenden Betontrog-Anordnungen.

Eine andere Form der (speziellen) Interaktionsstiftung wird durch spezielle Pflanzen-Kultivierung vom Typus der Leistungsschau geleistet, die hier nur des Kontrastes wegen erwähnt sei.

Von letzteren und den zuvor erwähnten landmarkenhaften Stadtpflanzen jedoch abgesehen ist die soziale Bedeutung des städtischen Grüns in starkem Masse an die Voraussetzung gebunden, dass die Pflanzen dem einen oder andern Beteiligten zugehören. Mit "Zugehören" meine ich irgendeine überdauernde Relation zwischen Mensch und Pflanze, die von Eigentum über Nutzniessung bis zu eigenmächtiger Pflanzung durch ein Individuum oder eine konkrete Gruppe reichen kann, und die als Gegensatz jedenfalls zum anonymen Besitz der Stadt(verwaltung oder -gärtnerei) stets Verantwortung von unmitttelbaren Anwohnern impliziert. Unter diesen Bedingungen erhält die Pflanze Bedeutung als Territorial-Objekt und markiert nicht nur Grenzen und signalisiert "meinen" Ort bzw. "deinen" Ort, sondern trägt Information über die betreffenden Menschen. Ich meine, dass solches Grün in der Altstadt allzusehr fehlt und ermuntert werden könnte. Einseitig ästhetische Kriterien haben allenfalls zu den obligaten Geranien statt einer reichen Vielfalt geführt. Fassadenefeu, Hofgewächse, die in die Strasse reichen, Balkonbepflanzungen, Kübel-Bäume um die Eingänge und ähnliches könnten die Altstadt freundlich machen. Man sollte sich nicht scheuen, vor den Häusern Andeutungen von Vorgärten zu schaffen und auch kleine Zäune zuzulassen. Denn gegen die Vandalismus-Gefahr am "öffentlichen Gut" hilft nichts als seine Übergabe in persönliche Nutzung und Verantwortung. Die Achtung vor dem Andern enthält die Achtung seines Baums und seiner Blume.

 

(4) Das Grün als Symbol

Pflanzen sind mithin wie Kleider und Fassaden und andere (zugehörige) physische Objekte auch eine "Sprache", d. sie enthalten einen Kommunikations-Code, mit dessen Hilfe jeweils ein Sender etwas mitteilt und verschiedene Empfänger daraus etwas entnehmen, was die Senderabsicht teilweise enthalten kann aber nicht muss. Mehr als die gesprochene Sprache sind solche Gestaltungs-Sprachen vieldeutig, und vermutlich ist gerade das ihr wichtiger Sinn. Offensichtlich hat unsere Kopfkultur die gesprochene und die geschriebene Sprache auf Kosten der anderen nicht minder wichtigen Sprachen so hoch entwickelt. So sind jedenfalls die Gestaltungs-Sprache und die Blumen-Sprache stark verkümmert, und das wenige, was uns bleibt überantworten wir zumeist den Fachleuten. Der Wunsch nach mehr Grün in der Altstadt ist also wohl auch ein Ruf nach Erneuerung und Gebrauch im Alltag einiger dieser andern "Sprachen".

In der Beziehung zwischen den lebenden Menschen und ihrer aus totem Material gestalteten Stadt sind Pflanzen ein Bindeglied. Werden sie in die Gestaltung einbezogen, dann "beleben" sie das Material und die Menschen.

Nichts wäre nun verfehlter als Anweisungen zu geben, wie die Altstadt pflanzlich zu gestalten sei. Bereits die Tatsache, dass der Stadtplaner und die andern Fachleute und Behörden den Wunsch nach Begrünung als eine Aufforderung auffassen, stellvertretend für die Bevölkerung in dieser Hinsicht tätig zu werden zu sollen, bedeutet ein fundamentales Missverständnis. Die Bewohner, sehr unvertraut mit ihrer partizipativen Rolle, müssten eigentlich dagegen protestieren und das Pflanzen in ihrem Lebensbereichen selber an die Hand nehmen wollen.

Selbstverständlich liegt hier ein Konfliktfeld. Mein letzter Satz darf nicht als eine Aufforderung zur anarchistischen Tat missverstanden werden, jedoch als eine Feststellung einer Gegenposition zur Position der etablierten Fachleute und Behörden, nämlich der Bewohnerposition, die ebensoviel Kredit verdient. Der Fachmann tendiert dazu, mit mehr Recht das Tun des Laien zu diskreditieren, als er dem Laien zugesteht, des Fachmanns Tun zu kritisieren. In Gebieten wie der Lebensqualität, wo intersubjektive Bewertungskriterien fehlen, ist das problematisch, weil ja in erster Linie das Leben des Laien, des Bewohners betroffen ist. Vielleicht kann man leichter zum Gespräch finden, wenn beide Parteien einander starke Positionen zugestanden haben.

Und beiden Parteien, den Bewohnern mit dem Bedarf nach hoher Lebensqualität wie den Behörden mit dem Streben nach "guter Öffentlichkeit", möchte ich mehr Risikofreude wünschen. In Sachen Bepflanzung kann man auch leichteren Mutes sogenannte Fehler begehen als in Sachen Baugestaltung, weil der botanischen Welt Prinzipien der Selbstorganisation eigen sind, welche Fehler fröhlich wachsend ausgleichen.

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