Alfred Lang

University of Bern, Switzerland

Newspaper Contribution 1982

Gertrud Meili zum 70. Geburtstag

1982.08

@SciHist

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Klaus Foppa und Alfred Lang

Der Bund Nr. 283 vom 3. Dezember 1982

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Am 3. Dezember kann in Gümligen bei Bern die Psychologin Dr. phil. Gertrud Meili-Dworetzki ihren 70. Geburtstag feiern. Gemeinsam mit ihrem Gatten, dem emeritierten Berner Ordinarius für Psychologie, ist sie unermüdlich neugierig und aktiv, interessiert nicht nur an allem «Psychologischen», sprich «Menschlichem», sondern ebensosehr am politischen Leben ihrer Gemeinde. Gertrud Meili ist eine originelle und in Fachkreisen anerkannte, trotz ihren zahlreichen und anregenden Beiträgen jedoch unterschätzte Forscherin. Man bedauert, dass ihr die akademische Anerkennung, die sie mehr als mancher andere verdient hätte, versagt geblieben ist.

Gertrud Meili stammt aus Danzig und hat in den dreissiger Jahren in Genf unter Claparède studiert. Das Thema, das sie zeitlebens nicht losgelassen hat, ist gewissermassen das Verhältnis zwischen inneren und äusseren Sichten auf den Menschen in seines Entwicklung. Bereits mit ihrer Dissertation (1939) über die Entwicklung der Wahrnehmung, insbesondere der sogenannten Bewegungsantworten im Rorschach'schen Formdeuteversuch, hat sie eine originelle und die Konzeption von Rorschach beträchtlich vertiefende Perspektive eröffnet. Als die Arbeit nach dem Krieg von amerikanischen Rorschach-Fachleuten aufgenommen worden ist, hat sich gezeigt, dass von ihr auch wichtige methodische Impulse ausgegangen sind. Als eine der ersten hat sie nämlich diese faszinierenden «Deutungen» menschlicher Existenz in Tintenklexen auch parallel in anderen Medien untersucht, Plastilinfiguren, Pfeifenstopferplastiken und auch Zeichnungen.

In den fünfziger und sechziger Jahren mit dem Heranwachsen ihrer beiden Söhne, war G. Meili die wichtigste Mitarbeiterin ihres Gatten im Rahmen seiner Studien zur Persönlichkeitsentwicklung. Von ihrer Kreativität und Findigkeit im Herantasten an die verschlungenen Wege der Entwicklung der menschlichen Identität zeugen die gemeinsam verfassten Forschungsberichte, insbesondere das Buch «Grundlagen individueller Persönlichkeitsunterschiede» (Bern, Huber 1972). Stets hat sie es auch verstanden, innerhalb dieser gemeinsamen Unternehmungen ihr besonders liegende Fragestellungen eigenständig zu verfolgen (vgl. zum Beispiel ihr Buch «Lust und Angst» 1959).

In derselben Zeit konzentrieren sich G. Meilis Interessen zunehmend auf die Entwicklung der kindlichen Zeichnung menschlicher Figuren. Dabei galt ihre Aufmerksamkeit nicht nur den grafischen Merkmalen, sondern besonders auch den zugrundeliegenden kognitiven Entwicklungsprozessen. Bereits 1957 erschien ihre Monographie «Das Bild des Menschen in der Vorstellung und Darstellung des Kleinkindes», die inzwischen zu einem Standardwerk über die Anfänge der kindlichen Menschenzeichnung geworden ist. In ihren Arbeiten zu diesem Thema wird die Art ihres wissenschaftlichen Zugriffs besonders deutlich: Geleitet von einem intensiven und ursprünglichen Interesse am Kind und allen seinen Äusserumgen, getrieben von einer nie erlahmenden Neugierde wie die Dingen denn nun eigentlich sind, und dabei offen für jeden Hinweis, der ihr Antwort auf diese Frage verspricht. Ihre Sammlung von Menschenzeichnungen von Kindern aller Altersstufen und verschiedener Herkunft und Nationalität ist inzwischen auf mehrere tausend Blätter angewachsen. Sie selbst empfindet die Tatsache dass sie sich bei den Analysen von ihrer wachen Intuition und nicht von bestimmten theoretischen Vorstellungen leiten lässt, als einen Mangel -- ganz zu Unrecht, wie die hochinteressanten Resultate ihrer jüngsten Untersuchungen zeigen («Spielarten des Menschenbildes: ein Vergleich der Menschenzeichaungen japanischer und schweizerischer Kinder», Bern Huber, 1982).

Die Forschungsarbeiten von Gertrud Meili stellen einen wichtigen Beitrag zu unserer Kenntnis des kindlichen Wesens dar. Ihr und uns wünschen wir deshalb, dass sie weiterhin mit gleicher Unermüdlichkeit den Phänomen auf den Grund geht und sich nicht davon beirren lässt, dass sie nicht für alle ihrer Beobachtungen statistische oder theoretische Belege vorzubringen vermag. Herzlich gratulieren im Namen der Fachkolleginnen und -kollegen

Klaus Foppa und Alfred Lang

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