Dienstag 14-16, Beginn 24. März (wurde irrtümlich zuerst auf den 17.3. angekündigt!)

Inhalt

Der amerikanische Pragmatismus hat zum Kerngedanken, dass "Erkenntnis" im Sinn von erlebten oder symbolisch fixierten Überzeugungen erst auf ihren Wahrheitsgehalt hin wertvoll wird, wenn die darauf gründenden Handlungen sich in ihren Wirkungen längerfristig bewähren, praktisch, wenn entsprechende Zuversicht begründet ist. Denn von Urteilen und Schlüssen lässt sich eigentlich bloss die formale Richtigkeit bestimmen; wenn ihre Terme aber unsicheren Bezug auf eine gemeinte Wirklichkeit haben, sind auch die ausgedrückten Wahrheiten unsicher. Pragmati(zi)smus ist "weder eine metaphysische Lehre noch ein Versuch, die Wahrheit von irgendetwas zu bestimmen", sondern bloss ein Verfahren "to make ideas clear" oder "eine Methode zur Sicherung der Bedeutungen von schwierigen Wörtern und abstrakten Begriffen" (Peirce 1907, CP5.464). In einer evolutiven Welt werden Sachverhaltsverstand und Handlungsmaximen nur dann verlässlich und gültig sein, wenn sie auf die möglichen Entwicklungen der Dinge und ihrer Verhältnisse untereinander und mit den Handelnden abgestimmt sind.

In dieser Sicht lassen sich Sachaussagen und Wertforderungen nicht länger getrennt voneinander behandeln, da Werthaftigkeit dann eigentlich das Spannungsverhältnis zwischen wirklichen gegenwärtigen und möglichen anzustrebenden bzw. zu meidenden Sachverhalten in der Zukunft oder hoch bzw. wenig geschätzen Sachverhalten in der Vergangenheit und Gegenwart bezeichnet. Pragmati(zi)smus darf nicht mit Utilitarismus verwechselt werden; die Überprüfung der Erkenntnis an ihren Folgen meint nicht die Bewertung ihres Nutzens. Für wen denn eigentlich? Die Verständigen sind vielmehr in der Gegenwart aufgefordert, die Sachverhaltsentwicklungen symbolisch (logisch oder semiotisch) stringent, aber experimentierend realitätsbezogen so zu durchdringen, dass sie die durch das Handeln mitbestimmte Zukunft verantworten können.

Im Seminar werden ausgewählte Texte der Gründerväter des amerikanischen Pragmatismus diskutiert; im Zentrum soll John Dewey stehen; Passagen von Peirce, James und Mead werden beigezogen. Zum Einstieg empfiehlt sich besonders das Studium von Dewey 1916, 1920, 1925.

Literatur

Dewey, John (EW, MW und LW verweisen auf John Dewey, Early Works / Middle Works / Later Works. Carbondale, Ill., Southern Illinois University Press, 1969ff. Mit * bezichnete Texte sind deutsch verfügbar bei Suhrkamp, Junius oder Meiner). Deweys Sämtliche Werke sind auch auf einer CD-ROM verfügbar.

1896 The reflex arc conept in psychology (Vorauskritik an der modernen Psychologie. EW5:96-109)

1905 The Postulate of Immediate Empiricism ( Key statement of Dewey's realism. MW3:158-167)

1908 What does pragmatism mean by practical? ("Review" of James' "Pragmatism". MW4:98-115)

1908 Does reality possess practical character (MW4:125-142)

*1916 Democracy and Education (MW 9:1-370)*

*1920 Reconstruction in philosophy (MW12:77-250)*

1922 Human nature an conduct (MW14:1-230)

*1925 Experience and nature (LW1:1-326)*

1925 Qualitative Thought (LW5:243-262)

1925 Individualism, old and new (LW5:41-123)

1929 The Quest for Certainty &endash; the study of the relation of knowledge and action (LW 4:1-273)

1930 Conduct and Experience (LW5:218-235)

1932 (with James H. Tufts) Ethics (LW 7:1-512)

*1934 Art as Experience (LW10:1-352)*

1938 Logic: the Theory of Inquiry (LW12:1-530)

1939 Freedom and Culture (LW13:63-188)

1939 Theory of Valuation (LW13:189-251)

1940 Time and Individuality (LW14:98-114)

1949 (with Arthur F. Bentley) Knowing and the Known (LW15:1-295)

Peirce, Charles S. (1992ff.) The essential Peirce: selected philosophical writings. Houser, Nathan & Kloesel, Christian (Eds.) 2 vols. Bloomington Ind., Indiana Univ. Press. 399 + ??? Pp.

Besonders: The fixation of belief (1877) und How to make our ideas clear (1878). Dt. in Schriften zum Pragmatismus und Pragmatizismus. hrgb von K.-O. Apel. Franfurt a.M. Suhrkamp 1991 (stw 945)

James, William (1907) Pragmatism &endash; a new name for some old ways of thinking. New York (Dt. (1977) Der Pragmatismus &endash; ein neuer name für alte Denkmethoden, hg. von Klaus Oehler, Hamburg).

James, William (1909) The meaning of truth -- a sequel to pragmatism. Cambridge Ma., Harvard Univ. Press, 1975. 159 Pp.

James, William (1912) Essays in Radical Empiricism. Ralph Barton Perry (Ed.) New York, Longmans, Green & Co.

Mead, George Herbert (1987) Gesammelte Aufsätze. Joas, Hans (Ed.) 2 Bde. stw 678 + 679. Frankfurt a.M., Suhrkamp. 476 + 486 Pp.

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